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„Die Hoffnung stirbt zuletzt“

Rechtsanwalt Sebastian Lohse kämpft für die Umsiedlung der Nünchritzer Flutopfer – und kritisiert einen Minister scharf.

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© Jörn Haufe

Von Jens Ostrowski

Aufgeben – dieses Wort kennen die flutgebeutelten Bewohner von Nünchritz-West nicht. Nachdem das Landgericht Dresden ihre Klage abgelehnt hat, scheint der Wille der Betroffenen, ihre Häuser zu verlassen, noch eiserner geworden zu sein. Sie wollen der Gemeinde nachweisen, dass die Grundstücke niemals als Bauland hätten ausgewiesen werden dürfen. Alle warten gespannt auf das Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht. Es ist ihre einzig verbliebene Hoffnung, nachdem eine politische Lösung in weite Ferne gerückt ist. Die SZ sprach über den Sachstand mit Rechtsanwalt Sebastian Lohse von der BSKP. Er vertritt die Nünchritzer.

Herr Lohse, Ihre Klage vor dem Landgericht Dresden ist abgelehnt worden. Sie haben Widerspruch eingelegt. Was macht Ihnen Hoffnung, dass die Bewohner von Nünchritz-West doch noch Recht bekommen können?

Richtig, das Landgericht Dresden hat die Klage gegen die Gemeinde Nünchritz insbesondere mit der Begründung abgewiesen, mögliche Schadensersatzansprüche wegen der Erstellung eines Bebauungsplanes im Flutgebiet bzw. der späteren Unterlassung einer Änderung dieses Bebauungsplanes nach dem ersten Hochwasser 2002, wären verjährt. Gegen das Urteil ist von einem Teil der betroffenen Bewohner Berufung zum Oberlandesgericht Dresden eingelegt worden. Die Berufung richtet sich zum einen dagegen, dass Verjährung vorliegen soll. In Anbetracht der Verhaltensweise der Gemeinde nach dem Hochwasser 2002, insbesondere den Versprechungen zu einem wirksamen Flutschutz, kann sich nach Auffassung der Betroffenen die Gemeinde nicht auf Verjährung berufen. Zum anderen hat das Landgericht viele Argumente, die wir in der Klageschrift vorgelegt haben, überhaupt nicht beleuchtet, wogegen mit der Berufung ebenfalls angegangen wird.

Weshalb haben die Bewohner von Nünchritz-West kein Vertrauen in die geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen für Nünchritz?

Ihrer Auffassung nach besteht schon deshalb kein Vertrauen in die versprochenen Hochwasserschutzmaßnahmen, weil solche eben auch nach dem ersten Hochwasser 2002 zwar umfangreich zugesagt, zu keinem Zeitpunkt aber tatsächlich verwirklicht worden sind. Dass nach 2002 eben keine Maßnahmen erfolgt sind, die vor einem weiteren Hochwasser schützen, ist auch Bestandteil unserer Klage. Wir sind der Meinung, dass der Bebauungsplan im Flutgebiet deshalb bis heute noch Bestandskraft hat. Warum sollten die Bewohner von Nünchritz-West daran glauben, dass das zweite Hochwasser hieran etwas ändert?

Darüber hinaus konnte bisher durch die verantwortlichen Behörden den Betroffenen nicht glaubhaft vermittelt werden, dass die nun geplanten Maßnahmen tatsächlich vor einer weiteren Überflutung schützen. Zuletzt fehlt den Betroffenen schlichtweg das Vertrauen, dass die Errichtung der Hochwasserschutzmaßnahmen, so sie denn überhaupt wirksam sind, in einem Zeitraum erfolgt, der angemessen ist. Sie haben in Anbetracht zweier Flutkatastrophen mit erheblichen Schäden schlichtweg Angst, dass weitere Fluten stattfinden, bevor der Flutschutz fertiggestellt ist. Nach ihrer Auffassung kann nur eine Umsiedlung dauerhaft vor künftigen Schäden schützen.

Die Betroffenen geben immer wieder ihre Enttäuschung über Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zum Ausdruck. Da schwingen viele Emotionen mit. Was werfen Sie – ganz nüchtern betrachtet – Dulig vor?

Im Wahlkampf zur Landtagswahl 2014 – Nünchritz-West gehört zu seinem Wahlkreis – hat sich Martin Dulig umfangreich für die Interessen der Betroffenen interessiert, war vor Ort und hat schließlich auch öffentlich sehr intensiv versprochen, sich für Umsiedlungen einzusetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass Martin Dulig inzwischen Wirtschaftsminister des Freistaates Sachsen ist, erwarten die Betroffenen vor allem, dass er seine Aussagen im Wahlkampf entsprechend untermauert.

Leider entsteht aber – ganz nüchtern betrachtet – eher der Eindruck, dass dieses Thema von Herrn Dulig nach erfolgreicher Wahl nicht konsequent weiter diskutiert wird. Trotz umfangreicher Bemühungen auch meinerseits seit der Landtagswahl vor mittlerweile mehr als einem dreiviertel Jahr ist es bisher nicht gelungen, ein persönliches Gespräch mit Herrn Dulig zu führen. Vielmehr entsteht der Eindruck des Hinhaltens, indem Monate vergehen, in denen man auf entsprechende Anfragen zunächst überhaupt keine Antwort erhält, sondern von einer Stelle zur anderen vermittelt wird. Schlussendlich wird – reduziert auf die Kernaussage – mitgeteilt, dass der Gedanke eines Umsiedlungsfonds (leider) keinen Eingang in den Koalitionsvertrag finden konnte. Die Betroffenen können schlicht und einfach nicht nachvollziehen, ob hinter diesen wenig befriedigenden Allgemeinsätzen tatsächlich ernsthafte Bemühungen stecken und bezweifeln das. Herr Dulig selbst könnte hier für deutlich mehr Transparenz sorgen. Ganz unabhängig von den Interessen der Betroffenen in Nünchritz-West muss sich insoweit niemand wundern, dass eine wachsende Politikverdrossenheit aufkommt. Wenn dann noch hinzukommt, dass der Eindruck entsteht, dass nicht einmal persönliche Gespräche ermöglicht werden, ist das Vertrauen dahin und die Enttäuschung zu Recht da.

Die CDU hat sich auf allen Ebenen bereits kurz nach der Flut 2013 gegen staatsfinanzierte Absiedlungsmaßnahmen in Nünchritz ausgesprochen – obwohl das Geld allein im Fluthilfefonds da wäre. Weshalb sperren sich die Christdemokraten so sehr davor?

Diese Frage müssen Ihnen die Politiker der CDU – und insbesondere auch die inzwischen mit regierenden Politiker der SPD, die das vor der Wahl offenbar anders sahen – selbst beantworten. In Anbetracht voller Kassen und der Mittel, die für den Hochwasserschutz ausgegeben werden, ist eine derartige Haltung für die Betroffenen nicht nachvollziehbar. Die Absiedlung aller Betroffenen in Nünchritz-West würde vermutlich deutlich weniger Kosten verursachen, als einige Kilometer Deichneubau.

Angenommen die betroffenen Bewohner werden ein weiteres Mal von einer Flut überrascht. Wer kann dafür in Haftung genommen werden?

Das ist eine gute Frage. In Anbetracht der Schwierigkeiten, die den Betroffenen bereits jetzt bei der Durchsetzung ihrer Rechte entstehen – sieht man beispielsweise die Rechtsauffassung des Landgerichtes Dresden – steht zu befürchten, dass die Betroffenen selbst einmal mehr im Regen stehen werden. Umso mehr, als dass irgendwann sicherlich auch keine Versicherung mehr zur Verfügung stehen wird. Schon jetzt ist ein erheblicher Wertverfall für die betroffenen Grundstücke eingetreten, die angedachte Altersvorsorge, die regelmäßig mit der Finanzierung der bebauten Grundstücke verbunden war, ist wohl nicht gewährleistet. Umso mehr haben die Betroffenen von der Politik erwartet – bisher leider ohne jeglichen Erfolg – dass Möglichkeiten einer Umsiedlung ernsthaft erörtert werden. Nach deren Auffassung fehlt es hier einzig an einem politischen Willen. Schade ist in diesem Zusammenhang, dass auch die Regierungsbeteiligung der SPD trotz entsprechender Aussagen im Wahlkampf, keine Änderung herbeiführte. Vielmehr wird dort – so jedenfalls den jetzigen Verlautbarungen des Wirtschaftsministeriums zu entnehmen – inzwischen die gleiche Auffassung vertreten, wie sie von der CDU-Regierung vor der Wahl vertreten wurde. Das wiederum leider im Widerspruch zu Aussagen im Wahlkampf.