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Die Hoffnung der Hirten

Am Donnerstag treten im Kamenzer Land Hunderte Laienschauspieler bei Krippenspielen auf. Auch in St. Marien in Kamenz.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Vorsicht! Nicht über das Mikrofonkabel stolpern. Bitte nehmt die Schafe noch einmal hier weg!“ Diakon Michael Nicolaus zieht die Strippen quer durch den Altarraum. Das muss jetzt sein. Und auch die aufkommende Hektik ist nicht ungewöhnlich. Hinter der kleinen Orgel stehen schon die Hirten bereit. Die Heiligen Drei Könige haben ihre goldenen Fernrohre parat gelegt. Josef sortiert die Noten am Keyboard. Nur Maria fehlt noch. Sie kommt etwas später. Die Generalprobe zum diesjährigen Krippenspiel in St. Marien läuft an. Es ist kalt in der Hauptkirche. Die Texte schnurren. Die Boxen knurren. Noch …

Seit September probt die Junge Gemeinde der Evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Kamenz die „Geschichte vom königlichen Bettler“. Das Rollenspiel von Jörn Philipp wird als Gleichnis erzählt. Anregungen dafür holte sich der Autor von Luthers berühmt gewordenen letzten, als Zettelnotiz hinterlassenen Worten, „Wir sind Bettler, das ist wahr!“ Regisseur ist der Diakon. Seit vielen Jahren. Die Geschichte ist immer gleich. Variiert nur in ihrer Gestaltung. Und die Besetzungen wechseln natürlich. Judith Baumann spielt 2015 den Bettelkönig. Für die 20-Jährige ist es der zehnte Einsatz beim Krippenspiel. Fast alle Figuren hat sie im Lauf der Jahre bereits durch. Nun war Zeit für die Hauptrolle. 13 andere Jugendliche sind an ihrer Seite. Wie Hunderte andere stehen sie am Heiligabend auf ihren ganz besonderen Theaterbrettern. Ohne das Krippenspiel wäre der 24. Dezember für viele unvollständig.

Blick aufs Lutherjahr

„Wir haben uns im Hinblick auf das kommende Lutherjahr diesmal ganz bewusst für das Stück vom Bettelkönig entschieden“, erzählt Judith Baumann. Wichtig an der Haltung des Bettlers sei seine Bedürftigkeit Gott gegenüber. Der Herrscher verkleidet sich darin als Bettler. Geht auf seine ganz persönliche Reise zu sich selbst. Inkognito. Und findet am Ende das Kind in der Krippe. Damit auch sein Zuhause. Die Figur gibt es in der biblischen Weihnachtsgeschichte eigentlich nicht. Gerade darum kann sie dem Zuschauer helfen, das Bekannte auf neue Weise zu betrachten. Der Rest ist schöne Routine: Die Händler auf den Märkten bieten ihre Ware fiel. Die Hirten hoffen. Die Weisen aus dem Morgenland sind neugierig. Maria und Josef lieben.

Judith Baumann leitet die Junge Gemeinde wieder, seit sie von ihrem London-Jahr zurück ist. Eigentlich hat die Studentin zur Generalprobe Geburtstag. Doch die Feier wird unterbrochen – Weihnachten geht vor. Auch ihre Brüder Benedikt und Dominik sind mit von der Partie. Letzterer stimmt ein Hosianna am Keyboard an. Es wird noch mehrmals gesungen an diesem Abend. Eine Generalprobe muss etwas hängen. Sonst klappt es Heiligabend nicht. Maria alias Franziska Fuchs ist eingetroffen. Die letzte Szene ist dran. Schon kann man etwas erahnen von der Besonderheit des Momentes am Heiligabend.

Wenn am Donnerstagabend der Bettelkönig fragen wird: „Wo wird Euer Kind einmal zu Hause sein?“ Und Maria antwortet: „In den Herzen der Menschen. Ein anderes Zuhauses wird es für dieses Kind nicht geben …“ Dann ist Weihnachten.