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Die Hölle ist zu nass

Karl Mays Freund Sascha Schneider hat ein Meisterwerk in der Johanneskirche geschaffen – es muss saniert werden.

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© M. Gruner

Von Udo Lemke

Meißen. Jesus steht oben in der Mitte – dort, wo es am trockensten ist. Aber unten, wo die Seligen aus den Gräbern auferstehen und dort, wo die Verdammten in die Hölle gestoßen werden, dort ist das anders, weil sich dort die Feuchtigkeit sammelt. Und dort gibt es Salzausblühungen. Sie sind eines der Schadbilder, die Michael Gruner festgestellt hat. Der Restaurator, der auf Schloss Batzdorf zu Hause ist, hat den „Triumph des Kreuzes im Weltgericht“, so heißt das Wandgemälde in der Meißener Johanneskirche, 2015 untersucht. Und, weil jetzt Geld für die Restaurierung der Kirche und damit auch der Ausmalung da ist, sind seine Befunde hochaktuell.

Zu diesen Befunden gehört eine zweite Art von Schäden. An vielen Stellen ist das Bild am Ende des Zweiten Weltkriegs von Kugeln aus Schusswaffen getroffen worden. Die Einschläge sind zwar bei einer 1960 erfolgten ersten Restaurierung geschlossen und die Farben retuschiert worden, aber damit hängt die dritte Art der Schäden zusammen. Die Retuschen heben sich farblich von der Originalmalerei ab. Auch die Hinterfüllungen von abgehobenen Putzschollen haben Farbveränderungen nach sich gezogen. Kurz – um Jesus und den 35 anderen Gestalten in der Johanneskirche wieder ihren alten Glanz zu verleihen, muss Hand angelegt werden.

„Das ist schon meisterhaft gemacht“, sagt Michael Gruner und schaut auf den Computerbildschirm, über den hoch auflösende Detailaufnahmen des Wandbildes laufen. So hoch auflösend, dass man die unterschiedlich feine Körnung des Originalputzes und später ausgebesserter Partien sieht. Den Meister des Bildes kennen von den älteren Semestern wohl viele. Denn Sascha Schneider war es, der für seinen Freund Karl May Titelbilder einiger Abenteuergeschichten schuf.

Michael Gruner ist begeistert von der malerischen Auffassung, die Sascha Schneider in seinem Kirchenbild an den Tag legt. „Die hohe Meisterschaft besteht darin, die Stofflichkeit darzustellen, man sieht, dass die Sense des Todes aus Blech ist.“ Sascha Schneider hat ein Fresko geschaffen. Das heißt, dass direkt in den feuchten Putz gemalt wurde. Das erlaubte ihm, eine fast aquarellhaft anmutende Leichtigkeit der Farben und Formen auf die Wand zu bringen. Teilweise sind sogar noch die Vorzeichnungen im fertigen Fresko zu sehen. Feine Kohlelinien, die entstanden sind, als durch transparentes Papier, die Umrisslinien gestochen und später mit einem Kohlesäckchen auf die Wand gepudert worden sind.

Michael Gruner sieht auf seinen hoch auflösenden Fotografien auch die sogenannten Tagwerkgrenzen. Man erkennt an ihnen, wo Sascha Schneider die Arbeit angefangen und aufgehört hat, denn es konnte ja immer nur so viel Putz aufgetragen werden, wie er an einem Arbeitstag bemalen konnte, bevor er fest wurde. Und der Restaurator weiß, was man nicht sieht. Nämlich, dass die aus den Gräbern Auferstehenden 1898/99, als das Wandbild entstand, den Kirchenoberen zu freizügig gewesen sind, weshalb er sie teilweise wieder „anziehen“ musste. Ob Sascha Schneider als Retourkutsche etwas in die Gruppe der Verdammten am rechten Bildrand hineingemalt hat, lässt sich heute nicht mehr feststellen. Fest steht, dass dort ein Hodensack zu sehen ist, der keiner der männlichen Figuren zuzuordnen ist.

Für Michael Gruner ist klar, dass das Wandgemälde in der Johanneskirche ein Werk von überregionaler Bedeutung ist. Nicht nur, weil es die größte bekannte sakrale Arbeit von Sascha Schneider ist. Nicht nur, weil es eines der wenigen überkommenen Beispiele für eine Jugendstil-Gestaltung ist. Sondern auch, weil es von hoher künstlerischer Qualität ist.

Bis 2021 soll die Johanneskirche mit Geldern von Bund, Land und Landeskirche – insgesamt 2,4 Millionen Euro – saniert werden. Nun werden auch die Seligen und die Verdammten trocken gelegt.