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Die Hochwasser-Schützer

Wasserbauer sorgen dafür, dass Dämme halten und die Talsperren funktionieren. Ihre Ausbildung ist anspruchsvoll.

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© Sven Ellger

Von Franz Werfel

Schwer liegt die große Eisentür in den Angeln. Noch ist hier, am Pumpwerk in Dresden-Gohlis, alles ganz neu. Erst vor zwei Monaten haben die Wasserbauer der Landestalsperrenverwaltung (LTV) das neue Werk in Betrieb genommen. Ab sofort sorgen hier im Ernstfall mehrere Pumpen dafür, dass Gohlis nicht überschwemmt wird. Im Notfall können sie 1 000 Liter Wasser pro Sekunde bewegen.

Für Philipp Mehner ist das neue Pumpwerk nur eine von vielen Stationen während seiner Ausbildung zum Wasserbauer. „Bei der Flussmeisterei Dresden habe ich schon an verschiedenen Standorten gearbeitet, etwa in Prohlis“, sagt der 21-Jährige. Er wohnt in Mittweida und pendelt jeden Tag zur Flussmeisterei Dresden. Gerade hat sein drittes und letztes Ausbildungsjahr bei der Talsperrenverwaltung begonnen. Für 14,5 Millionen Euro hat die LTV im Westen Dresdens zwei neue Pumpwerke sowie die 850 Meter lange Hochwasser-Schutzmauer bauen lassen. Das fasziniert Philipp Mehner. Und er würde gern bei der LTV bleiben, wenn er im kommenden Sommer mit seiner Ausbildung fertig ist.

Hark Mietzsch aus Tharandt hat damit erst im August angefangen. In den vergangenen drei Monaten hat er schon den Flusslauf der Roten Weißeritz kontrolliert und war an der Talsperre Lehnmühle aktiv. „Ich wollte gern mit meinen Händen arbeiten und möglichst viel draußen an der Luft sein“, sagt er. Das sei eine gute Voraussetzung, wenn man Wasserbauer werden will.

Jetzt steigt Hark Mietzsch am Pumpwerk in einen Klettergurt. Sein Mentor Alexander Klee sichert ihn mit einem Stahlseil, bevor er das gut sechs Meter tiefe Siel hinabsteigt. Siel nennen die Wasserbauer kleine Brunnen, die in die Deiche gebaut sind. Durch sie kann im Falle einer Überschwemmung das Wasser aus dem Hinterland zurück in die Elbe gepumpt werden. Damit das im Ernstfall auch funktioniert, müssen die Wasserbauer jeden Monat alle Schieber, Scharniere und Durchlässe überprüfen. „Hier ist ein Frosch drin“, ruft Hark Mietzsch nach oben. „Lass ihn drin“, ruft Alexander Klee zurück. Das Tier findet seinen Weg schon selbst nach draußen.

Weil sich in dem Siel giftige Gase bilden können, muss Mietzsch einen Gasmesser mit in den Schacht nehmen. Das etwa Zigarettenschachtel kleine elektronische Gerät hat er sich an die Hüfte geschnallt. Würde beispielsweise die Kohlenstoffdioxid-Konzentration einen kritischen Wert übersteigen, so würde der Gasmesser das bemerken – und laut lospiepen. Nach fünf Minuten steigt Hark Mietzsch wieder nach oben. „Alles in Ordnung“, sagt er. Die Schieber lassen sich leicht bewegen.

Jeder, der sich zum Wasserbauer ausbilden lassen möchte, wird am LTV-Sitz in Pirna einen ganzen Tag lang geprüft. „Wir nehmen die Auswahl ernst und stecken da viel Zeit und Energie rein“, sagt Markus Gilak. Er stammt aus dem Kurort Hartha und ist Personalleiter bei der LTV. Er hat die Ausbildung für die sächsischen Wasserbauer mitentwickelt und sitzt in jedem Jahr in der Prüfungskommission.

Was ihn stolz macht: Sachsen habe neben dem Bund eines der besten Ausbildungsprogramme bundesweit. Und das schon seit 20 Jahren. Neben der praktischen Arbeit in den sächsischen Betrieben gehört dazu Theorieunterricht in der Berufsschule der Wasserstraßen und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in Kleinmachnow bei Berlin. Zehn neue Azubis starten sachsenweit in jedem Jahr. Sie werden dringend benötigt. „Seit dem Hochwasser 2002 hat der Freistaat mehr als zwei Milliarden Euro in den Hochwasserschutz investiert. Die vielen neuen Anlagen müssen auch irgendwie unterhalten werden. Sonst wären unsere 800 Mitarbeiter vorher ja nicht ausgelastet gewesen“, sagt Gilak. Dass das Personal in der LTV aufgestockt werden muss, weiß auch das Finanzministerium. Verhandlungen sollen demnächst Klarheit bringen, wie viele neue Leute der Personalleiter einstellen kann.

Lieber mauern statt mähen

Gleicher Tag, anderer Ort: 70 Kilometer vom Gohliser Pumpwerk entfernt steht Theo Fiedler im Wald. Tief im Kirnitzschtal, nahe der Thorwalder Brücke, macht sich der 18-Jährige an einer langen Fichte zu schaffen. Die ist in die Kirnitzsch gefallen. Mit einer Stahlwinde zieht er den Baum heraus. Vor zwei Monaten hat Theo Fiedler seine Ausbildung bei der Flussmeisterei Gottleuba angefangen.

Als Kind war er einst selbst von den Elbefluten betroffen. „Mein Elternhaus in Coswig steht dicht an der Elbe“, erzählt er. 2002 stand das Wasser im Haus. Da war Theo Fiedler drei Jahre alt. Erinnern kann er sich daran nicht. 2013 trat der Strom erneut über die Ufer. Das Bild, wie der Keller unter Wasser stand, wird ihn sein Leben lang begleiten. Bei der Azubi-Messe „Karriere Start“ in Dresden wurde Fiedler auf den Beruf Wasserbauer aufmerksam. Auch er schätzt es, dass er bei seiner Arbeit viel in der Natur unterwegs ist. Die praktische Arbeit findet er super. „Am Ende des Tages sieht man, was man geschafft hat.“ Natürlich gebe es auch in seinem Beruf Dinge, die man nicht so gern mache. „Stundenlang das Gras an den Flüssen abzumähen, ist nicht mein Ding“, sagt er. Aber es gehört dazu und muss erledigt werden. Neben physikalischen und chemischen Messungen an Talsperren und Flüssen machen ihm Maurer- und Holzarbeiten am und im Wasser Spaß. Typisch Wasserbauer.