Merken

Die Heinzelmännchen der Mandaukaserne

Bauherr und Bauleiter stehen oft im Rampenlicht. Das Engagement der freiwilligen Helfer in Zittau ist hingegen kaum bekannt.

Teilen
Folgen
© Rafael Sampedro

Von Mario Heinke

Zittau. Es ist kalt und ungemütlich da oben. Uwe Preuß und Thomas Neumann arbeiten am offenen Dach der Mandaukaserne. Ziegel für Ziegel decken sie die offene Wunde, den Nordflügel wieder ein. Die Männer gehören zu einer Gruppe von 20 unermüdlichen Männern und Frauen, die seit Monaten viele Stunden ihrer Freizeit in oder auf der Mandaukaserne verbringen. Ehrenamtlich ohne Bezahlung und mit viel Enthusiasmus. Wird über das Baudenkmal gesprochen oder gestritten, dann fallen die Namen des Bauherrn Thomas Göttsberger und des Bauleiters Benjamin Pfefferkorn. Über die stillen Heinzelmännchen im Hintergrund ist hingegen nichts bekannt.

© Rafael Sampedro

Uwe Preuß ist kein Dachdecker, er arbeitet in der Endkontrolle beim Automobilzulieferer Ibex im Gewerbegebiet Weinau und hat eine ganz besondere Beziehung zur Immobilie. Die Mandaukaserne ist ein Stück seines Lebens, weil seine Familie von 1981 bis 1985 darin wohnte. Für die anderen ist Preuß inzwischen der „Hausmeister der Mandaukaserne“, weil er so viel Zeit im Haus verbringt. Seine Mutter, Ellen Preuß, versorgt ihn und die anderen Helfer mit Kaffee und Kuchen. Sie erinnert sich an das Leben in der Mandaukaserne. „In den Wohnungen gab es kein Wasser“, erzählt sie. Wollte die Familie in der Zinkbadewanne ein Bad nehmen, musste das Wasser zuvor in Eimern aus dem Hausflur geholt werden, wo sich auch die Toiletten befanden, so die 69-Jährige. Am Wochenende spielten sich kuriose Dinge in der ehemaligen Kaserne ab. So klingelte nachts um eins öfters mal ein Offiziersschüler an der Wohnungstür und suchte ein Mädchen, das er zuvor in der Disco kennengelernt hatte, erinnert sich die Zittauerin. Wenn die Mädels früher sagten: „Ich wohne in der Mandaukaserne“, dann war es für die Verehrer eine Herausforderung, die Angebetete in dem riesigen Bau aufzuspüren, so Frau Preuß.

Uwe Preuß reicht Thomas Neumann den nächsten Ziegelstein. Die Männer sind ein eingespieltes Team und aus Sicherheitsgründen immer zu zweit auf der Baustelle unterwegs. Thomas Neumann kommt aus Spitzkunnersdorf, ist bei der Bundespolizei in Ebersbach, gelernter Tischler und engagiert sich seit März in der Kaserne. „Der langjährige Verfall und die Untätigkeit haben mich gestört“, versucht er seine Motivation in wenige Worte zu packen. Als im März die Notsicherung des Südturms begann, habe er gedacht: „Da musst du mithelfen“. Seither arbeitete er über 100 Stunden am Baudenkmal. „Die scheinbar unlösbare Aufgabe sehe ich als echte Herausforderung“, so der alleinerziehende Vater und ergänzt: „Egal, wie das Haus später genutzt wird, es muss jetzt gesichert werden“.

Nur wenige Meter neben Preuß und Neumann sägt ein Mitarbeiter der Zimmerei Jens Vogt aus Waltersdorf dicke Balken für den Dachstuhl zurecht. Ganz ohne professionelle Hilfe kommen auch die freiwilligen Denkmalretter nicht aus. Sechs Männer sind an diesem Freitagnachmittag auf dem maroden Dachboden zugange. Im Erdgeschoss schmücken Frank Brandt und Ellen Preuß indes den Weihnachtsbaum. Eine Weihnachtsfeier im warmen Aufenthaltsraum des Südturms gönnten sich die Helfer am vergangenen Wochenende. Eine Feierstunde mit viel Gemeinschaftsgefühl, Grammofon, Schellackplatten und einem bekannten Gast. Landtagsabgeordneter Stephan Meyer (CDU) folgte der Einladung des „Stadtforums Zittau“ und nutzte die Gelegenheit zum Austausch. Meyer hatte die Vergabe der Fördermittel zur Notsicherung des Nordflügels ohne Nutzungskonzept öffentlich kritisiert. „In der Sache sind wir uns einig“, sagte er nach der Feier. Die Sicherung historischer Bausubstanz müsse deren Nutzung zum Ziel haben. „Es ist ein positives Aufbruchsignal, dass es nun ernsthafte Nutzungsabsichten gibt und so viele Freiwillige das Gebäude gesichert haben“, so der Abgeordnete anerkennend.

Ob die Nutzungspläne für die Mandaukaserne umgesetzt werden können, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Das Gebäude kann wohl nicht so lange warten, denn noch immer gibt es undichte Stellen im Dach und Schäden, so etwa zwischen Süd- und Mittelteil, wo bereits zwei Geschossdecken durchgebrochen sind.