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Die Hälfte der Kunden ist weg

Seit mehr als zwei Jahren leiden die Geschäfte an der Grimmaischen Straße unter Baustellen. Die erste war nicht einmal in ihrer Nähe.

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© Dietmar Thomas

Von Cathrin Reichelt

Döbeln. Ob sie in dem Geschäft auch ein Fax aufgeben kann, will eine junge Frau wissen. „Wir machen fast alles“, antwortet Kornelia Härtel, Inhaberin des Bestellcenters lächelnd. Dabei ist ihr schon lange nicht mehr zum Lachen zumute.

Eigentlich hatte alles so gut angefangen. Im Jahr 2012 traf die heute 47-Jährige eine Entscheidung, die sich schnell als richtig erwies. Sie zog mit ihrem Geschäft vom Sternplatz an die Grimmaische Straße. Von den dort ansässigen Ärzten, der Physiotherapie und dem Dialysezentrum erhoffte sie sich mehr Kunden. Außerdem gab es am neuen Standort bessere Parkmöglichkeiten. Drei Parkplätze im Hof gehören zum Geschäft. „Anfangs lief auch alles sehr gut“, sagt Kornelia Härtel. Aber zwei Jahre später begann eine bis heute anhaltende Durststrecke.

Durch den Ausbau der Kreuzung am Volkshaus kamen viele Kunden nicht mehr in das Bestellcenter. „Sie sind über Großbauchlitz außen um die Stadt herumgefahren“, erzählt Kornelia Härtel. Ende August 2015 wurde auch die Grimmaische Straße ab der Eisenbahnbrücke stadtauswärts aufgerissen. Nun war der restliche Straßenabschnitt auch von dieser Seite vom Durchgangsverkehr abgeschnitten. Da der Ausbau der Volkshauskreuzung länger dauerte als geplant, liefen beide Baustellen fast zehn Monate lang parallel.

Die Ausschilderung der veränderten Verkehrsführung sei in Ordnung gewesen. Die Leute hätten allerdings den Weg gescheut und sich andere Geschäfte für ihre Besorgungen gesucht. „Man kann es ihnen nicht verdenken. Aber Kunden, die einmal weg sind, kommen nicht wieder“, meint die Inhaberin des Bestellcenters. Da nützt es auch nichts, dass sie viele Dienstleistungen anbietet und dadurch viele verschiedene Kunden anspricht. Das Faxen ist ein Service am Rande, der Versandhandel für mehrere Firmen und Lotto das Hauptgeschäft. Dazu kommt die Annahme von Schuhreparaturen, Reinigung, Änderungsschneiderei und Briefpost sowie der Verkauf von Zeitungen, Tabak, Lederwaren, einiger weniger Lebensmittel und Drogerieartikel. Im Sommer kommt Poolbedarf dazu. In einer Sitzecke treffen sich einige Kunden und Taxifahrer zum morgendlichen Kaffeeplausch. Auch ein Imbiss zum Mitnehmen steht bereit. Das Geschäft erinnert an die früher üblichen Tante-Emma-Läden.

Laufkundschaft öffnet selten die Ladentür. Das Geschäft lebt von Stammkunden. Etwa die Hälfte hat sie in den vergangenen beiden Jahren verloren, schätzt Kornelia Härtel. Die restlichen will sie auch nicht im Stich lassen. Auch deshalb ist sie wohl noch da. Denn ans Aufgeben hat sie schon mehrfach gedacht. „Wir haben immer wieder gesagt, dass es nicht schlimmer geht. Aber es geht.....“

Mit verschiedenen Mitteln hat sie versucht, die Einbußen zu minimieren. Ihr Vermieter war kulant. „Für ein Jahr habe ich einen Mietnachlass bekommen“, erzählt Kornelia Härtel. Im vergangenen Winter hat sie die Heizung soweit wie möglich gedrosselt. Sobald die Temperaturen sinken, schaltet sie den großen Kühlschrank ab, der im Sommer die Getränke kühlt. Seit Monaten öffnet sie das Geschäft eine halbe Stunde später und schließt es 30 Minuten eher. Die Aushilfe, die früher einmal pro Woche und regelmäßig sonnabends im Laden stand, nimmt Kornelia Härtel nur noch selten in Anspruch. „Zu 95  Prozent stehe ich allein im Laden, und das etwa 65 Stunden pro Woche“, erzählt sie. Denn sie ist lange vor dem ersten Kunden da. Auch nach Geschäftsschluss ist noch viel zu tun. Immerhin hat sie sich in diesem Jahr zwei Wochen Urlaub gegönnt.

„Die Luft ist raus“, meint sie. Denn auch, seitdem die Baustelle von der Grimmaischen Straße auf die Lindenallee und die Bahnhofstraße umgezogen ist, hat sich die Situation kaum gebessert. Nur etwa eine Handvoll Kunden, die sie verloren glaubte, hat sie seitdem wiedergesehen. Einen Grund dafür sieht sie darin, dass die Sparkasse ihren Automaten in der Weststadt eine Zeit lang eingespart hatte. „Die Kunden sind zum Geldholen in die Stadt gefahren und haben ihre Besorgungen gleich dort erledigt“, vermutet Kornelia Härtel. Außerdem werde in der 30er-Zone auf der stadtauswärts führenden Umleitung häufiger geblitzt. Auch das wird der Geschäftsinhaberin angekreidet, obwohl sie darauf keinen Einfluss hat.

Schade findet es Kornelia Härtel, dass die Ladenbesitzer von den Bauverantwortlichen nicht über den Baufortschritt informiert werden. Ein Kunde, der direkt im Baustellenbereich wohnt, habe ihr jetzt ein Schreiben mitgebracht, das er in seinem Briefkasten gefunden hat. Nach dem können die Arbeiten auf der Bahnhofstraße – und demnach auch die Umleitung – noch bis zum Sommer 2017 dauern.