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„Die Grippeschutzimpfung ist wie Lottospielen“

Die Grippewelle sorgt seit Wochen für volle Praxen. Laut dem Dresdner Hausarzt Frank Schmidt ist eine Impfung auch jetzt noch sinnvoll.

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© Sven Ellger

Von Juliane Richter

Die Grippewelle hat Dresden in diesem Jahr besonders heftig im Griff. In der zehnten Kalenderwoche sind die gemeldeten Influenzafälle noch einmal deutlich gestiegen – auf 845 Neuerkrankungen. Dr. Frank Schmidt, 39, betreibt eine Praxis in Gruna und erklärt im Interview, wieso sich auch die „jungen Herkulesse“ impfen lassen sollten.

Dr. Schmidt, geben Sie Ihren Patienten noch die Hand?

Nein, natürlich nicht. Erst recht nicht in der aktuellen Grippesaison. Mein Vater, der selbst Hausarzt war, hat zwar immer gesagt: „Jeder Handschlag ist eine Impfung.“ Aber ich sehe das anders. Gerade die älteren Patienten, die es gewöhnt sind, denken im ersten Moment, ich bin unfreundlich. Aber ich erkläre ihnen, dass wir uns vor Infektionen schützen wollen.

Ist ein Ende der Grippewelle in Ihrer Praxis in Sicht?

Ja, langsam schwächt es sich scheinbar ab. In der Hochzeit, Ende Februar/Anfang März, hatten wir täglich 80 bis 100 Patienten mit akuten Infekten. Davon etwa 50 mit schweren Erkältungen oder einer Grippe. Jetzt sind wir täglich noch bei etwa 20 Patienten mit Grippe.

Wie schätzen Sie diese Grippewelle im Vergleich zu den Vorjahren ein?

Wir haben bisher etwa 200 Patienten weniger behandelt als im vergangenen Jahr. Mir scheint, dass die Grippe nicht so häufig auftaucht wie vergangene Saison, dafür aber oft schwerer verläuft. Gerade auch bei jungen Menschen, insbesondere bei Männern.

Wie äußert sich das?

Ich musste einen 34 Jahre jungen Mann in die Klinik einweisen. Er hatte eine Woche Grippe, dann eine Lungenentzündung entwickelt und dann eine beidseitige Lungenarterienembolie. Es gab verstärkt junge Menschen mit Lungenentzündungen. Doch gerade die jungen Herkulesse denken, sie sind kerngesund und strotzen vor Energie, weshalb sie sich nicht gegen Grippe impfen lassen. Viele wissen nicht, welche Gefahr dahinter steht und denken, es ist eine leichte Erkrankung.

Wie viele Ihrer Patienten lassen sich denn gegen Grippe impfen?

Bei den Älteren, chronisch Erkrankten fast jeder. Es interessieren sich aber fast nur die Patienten dafür, die älter als 45 Jahre sind. An sich haben aber Menschen, die sich jedes Jahr mit dem Dreifachimpfstoff impfen lassen, allgemein eine bessere Abwehr. Weil die Grippestämme ja nach ein paar Jahren wieder auftauchen. Es hat also sogar jetzt noch Sinn, sich impfen zu lassen. Zudem gibt es auch schon eine Impfung für Kleinkinder, die als Nasenspray verabreicht wird.

Trotzdem sind die Wartezimmer jedes Jahr voll. Wie verhindern Sie Ansteckungen in der Praxis?

Wir desinfizieren so gut wie nach jedem zweiten Patienten die Flächen im Arztzimmer und die Türklinken. Die Schwestern desinfizieren regelmäßig den Tresen. Bestellte Patienten, ohne akute Erkrankungen, haben wir in den letzten Wochen umgeplant. Jeder ohne Erkältung sollte sich grundsätzlich überlegen, ob er in dieser Zeit wirklich zum Arzt gehen muss. Einen separaten Raum für die Grippekranken haben wir nicht. Deshalb appellieren wir an die Grippekranken, vormittags zu kommen, damit die Nachmittagssprechstunde den berufstätigen, gesunden Patienten vorbehalten bleibt. Die Kranken haben ja auch eine Verantwortung anderen gegenüber.

Hat es Sie selbst dieses Jahr auch mit der Grippe erwischt?

Nein, keinen von unserem Team. Wenn die Grippewelle anfängt, haben wir täglich einen betroffenen Patienten. Das Immunsystem wird mit den Viren konfrontiert und es bildet sich sukzessive eine Immunabwehr. Anfang eines neuen Jahres ist unsere Immunkompetenz dann deutlich höher als die von anderen Menschen. Und wir sind auch vierfach geimpft.

Empfehlen Sie eher die Dreifach- oder die Vierfachimpfung?

Es ist durchaus sinnvoll, einen Grippestamm mehr zu impfen. Denn letztendlich ist die Grippeschutzimpfung wie Lottospielen. Wenn Sie auf vier statt auf drei Felder setzen, haben sie eine größere Chance zu gewinnen. Es ist aber auch eine Kostenfrage, ob man sich das leisten kann und möchte. Insgesamt müssen die Patienten dafür zwischen 25 und 30 Euro selber zahlen.

Das Interview führte Juliane Richter.