Merken

Die goldene Ära der Hortensie

Das Landschloss Zuschendorf reist für eine neue Schau in die 1920er-Jahre – die Hochzeit deutscher Blütenzucht.

Teilen
Folgen
© Marko Förster

Von Thomas Möckel

Pirna. Sie kommen meist farbenfroh daher, rosa, fuchsia, zarte Blautöne, es gibt sie als Bauernversion, auch eine Schneeballvariante. Allen gleich sind stets üppig wachsende Blüten, mal schmal-, mal breitblättrig, und mittlerweile dürfen sie kaum noch in einem Garten als Hingucker fehlen: Hortensien.

Das Landschloss Pirna-Zuschendorf gibt der Blumenpracht nun abermals eine große Bühne, für die aktuelle Schau reisen die Ausstellungsmacher um den Leiter der Botanischen Sammlungen, Matthias Riedel, zurück in die 1920er Jahre, in die Zeit von Charleston, Jazz, Art déco, aber auch von Weltwirtschaftskrise und gravierenden Umbrüchen. Diese Zeit gilt aber auch als Hochzeit sächsischer Hortensienzucht.

Vor zwei Jahren schon stellte das Landschloss Zuschendorf in der Hortensienschau Frankreich als Ausgangspunkt europäischer Hortensienzucht vor. Diesmal nun geht es um die frühen deutschen Sorten, die in der kurzen Zeit des Friedens zwischen den beiden Weltkriegen des vorigen Jahrhunderts entstanden.

Am Anfang, so schildert es Riedel, gab es in Deutschland einen regelrechten Wettlauf um die vielen in Frankreich neu entstandenen Sorten. Jedoch stellte sich schnell heraus, dass Masse oft nicht gleich Klasse war und manche Sorte nur wenig dazu taugte, reproduziert zu werden.

Der Ruf nach eigener Züchtung wurde längst im Stillen von A. Rosenkränzer aus Saarbrücken erhört. Schon 1904 kreuzte er Hortensien, 1911 brachte er als erste deutsche Sorte die Hortensie „Saarbrücken“ heraus, das Ergebnis einer erfolgreichen Kreuzung zweier Sorten. Ihr folgten „Frau A. Rosenkränzer“ (1912), „Heinrich Lambert“ (1913), „Eugen Ullrich“ (1913) sowie eine Reihe weiterer. Darüber hinaus zog auch Joseph Wintergalen aus Münster seit 1913 eigene Sorten, unter andere, „Münster“, „Carmen“ und „Vulkan“. Ab 1919 folgte Heinrich Schadendorff aus Wedel in Schleswig-Holstein mit „Elbe“, „Europa“ und „Hamburg“. Beide Züchter, so Riedel, sorgten für enorme Fortschritte, heimische Hortensien zu züchten.

Erst ein wenig später, ab 1923, trat der erste sächsische Züchter in die Öffentlichkeit. Es war Friedrich Matthes aus Ottendorf-Okrilla, geboren am 16. April 1870. Als junger Mann arbeitete er zunächst einige Jahre in Kanada, kehrte 1894 nach Sachsen zurück und gründete seine eigene Gärtnerei. Sein Vorliebe galt zunächst Nelken, Boronien, Bourgainvillen und anderen. Wann genau er mit der Hortensienzüchtung begann, ist nicht überliefert, zumindest brachte er 1923 seine ersten Sorten heraus: „Friedrich Matthes“, „Gerhard Blahn“, „Blauer Prinz“ und „Goliath“. Von nun an züchtete er aller ein bis zwei Jahre neue Sorten. Ausschlaggebend für das Ergebnis waren für Matthes: reiche Blüte; niedriger, gedrungener Wuchs; feste, sich gut tragende Dolden; intensive, leuchtende Farben. Im Jahr 1954 reichte die Firma Matthes noch einige Sorten zum Vergleichsanbau in das Pillnitzer Zierpflanzeninstitut ein. Dann versiegen die Nachrichten über den Züchter. Anstelle der Gärtnerei in Ottendorf-Okrilla steht heute ein Autohaus.

Eine große Zahl der damals so innovativen Sorten von Schadendorff, Wintergalen und Matthes sind heute noch Bestandteil der Botanischen Sammlungen im Landschloss Zuschendorf – es ist die größte Hortensienkollektion Deutschlands. Diese frühen Hortensiensorten, sagt Riedel, wurden in den vergangenen Jahren von einem Dresdner Gartenbaubetrieb vermehrt und zu ausstellungsreifen Pflanzen herangezogen. Die Ausstellung stellt nun die historischen Sorten dem aktuellen Sortiment der Firma sowie einem international geprägten Angebot einer Hortensien-Spezialgärtnerei aus Radebeul gegenüber.

Gestalterisch eingebettet werden die Pflanzen in Szenen des vollen und überaus freizügigen Lebens der „goldenen 1920er-Jahre“. Die Besucher dürfen wieder auf Kreationen des Architektenehepaares Susanne und Volker Berthold freuen. Afroamerikanische Jazzkapellen, die damals wahre Begeisterungsstürme entfachten, fehlen in der Schau ebenso wenig wie der Kulttanz der damaligen Zeit – der Charleston. Überdies warten Tausende Klassikblüten darauf, dass geschickte Floristen Kunstwerke daraus zaubern.

Die Hortensienschau im Landschloss ist bis einschließlich 6. August zu bewundern, geöffnet ist dienstags bis sonntags sowie feiertags, von 10 bis 17 Uhr; zusätzlich montags, von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt kostet fünf, ermäßigt vier Euro.