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Die Görlitzer Hanf-Frage

Die in einem Görlitzer Kreisverkehr gefundenen Pflanzen trocknen noch immer auf dem Polizeirevier. So lange bleibt die Suche nach Antworten in dem kuriosen Fall schwierig.

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© Danilo Dittrich

Von Marvin Liebig

Der Lärm der Autos ist nicht zu überhören. Trotzdem ist am Kreisverkehr vor dem Görlitzer Filmpalast wieder etwas Ruhe eingekehrt. Vor zwei Wochen hatten Polizisten hier etwa 100 junge Hanfpflanzen beschlagnahmt, die wohl schon eine ganze Zeit lang unbemerkt auf der Grünfläche des Rondells herangewachsen waren. Der Fund gibt weiterhin Rätsel auf: Wer hat die grünen Pflanzen wie, wann und warum vorm Kino platziert? Und vor allem: Wurden weitere Pflanzen gefunden?

Zwei Wochen sind seitdem vergangen, mit nur wenig neuen Erkenntnissen. Obwohl sich ein anonymer Nutzer unter dem Pseudonym „Pflanzer statt Landser“, der augenscheinlich einer politisch linken Gruppierung angehört, bereits einen Tag vor der Entdeckung der Pflanzen im Internet zu der Tat bekannte, laufen die Ermittlungen der Polizei weiter schleppend. „Wir müssen warten, bis der Hanf vollständig getrocknet ist“, sagt Polizeisprecher Michael Günzel. „Erst dann können wir den Wirkstoffgehalt der Pflanzen bestimmen und sagen, ob es sich um eine Straftat handelt.“

Das heißt konkret: Stellt sich heraus, dass die angebauten Gewächse weiblich sind und deshalb das berauschende Tetrahydrocannabinol (THC) enthalten, haben die mutmaßlichen Täter gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen und sich strafbar gemacht. Ist das nicht der Fall, müssen sie keine weiteren Konsequenzen befürchten.

Kurzfristig sowieso nicht. Laut Michael Günzel könne sich eine vollständige Analyse der Pflanzen noch über drei Monate hinziehen. Außerdem müsse geklärt werden, ob das potenzielle Rauschgift an auswärtige Hanf-Spezialisten weitergeleitet wird oder auf dem Görlitzer Revier bleibt. Der Fährte im Internet gehe man zwar nach, brauchbare Angaben könnten aber noch nicht gemacht werden. Die Frage nach der Schuldigkeit der verdächtigten Hobbygärtner bleibt also wohl noch länger offen.

Diese wiederum lassen im Netz keinen Zweifel an ihrer Tat. „Wir haben in Görlitz im Laufe des Sommers an rund einem Dutzend Orten in der Innenstadt Saatbomben mit Cannabissamen explodieren lassen“, schreiben sie. Ein klares Statement für die vollständige Legalisierung von Cannabis. Ihre Ankündigung, nicht nur am Kino tätig gewesen zu sein, bestätigte sich bislang nicht. Sowohl die Polizei als auch die Stadt erklärten, dass nirgendwo anders in Görlitz Hanf gefunden wurde.

Trotzdem wird das Thema weiter kontrovers diskutiert. In Maßen sind Hanfpflanzen als Heilmittel in Deutschland bereits legalisiert – allerdings streng überwacht. Thomas Neumann von der Bären-Apotheke erklärt, dass Hanf als Heilpflanze vor allem bei multipler Sklerose und zehrenden Tumorerkrankungen eingesetzt werde. Bei Letzterem leiden die Betroffenen unter Appetitlosigkeit, Cannabis würde diesen wieder anregen.

Der Apotheker wünscht sich eine ergebnisoffene Diskussion: „Die positive Wirkung von Hanfpflanzen als Heilmittel ist bekannt“, sagt er. „Aus medizinischer Sicht wäre eine Legalisierung zu begrüßen. Allerdings müsste man die Leute vollständig über die Pflanze aufklären und auf die Risiken hinweisen.“ Das sieht auch Andreas Niedrig von der Drogerie Niedrig auf dem Demianiplatz so: „Alkohol ist eine Droge und macht schneller abhängig als Hanf, ist im Gegensatz zu diesem aber legal. Das ist merkwürdig.“