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Die Glücks-Alge

Lorenz Böttcher aus Heidenau war bei „Jugend forscht“ erfolgreich. Beruflich zieht es ihn aber ganz woanders hin.

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© Norbert Millauer

Von Carina Brestrich

Heidenau. Auf dem Laptop zeigt Lorenz Böttcher sein Forschungsobjekt: eine Kieselalge, normalerweise nur zwei Mikrometer groß – aber mit stattlichem Namen: Thalassiosira pseudonana. Lorenz Böttcher gehen die lateinischen Begriffe blitzschnell über die Lippen. Immerhin hat der 18-Jährige aus Heidenau fast zwei Jahre mit dem Einzeller zugebracht. Solange hat er mit der Kieselalge experimentiert – und das mit Erfolg. So überzeugte der Nachwuchsforscher nicht nur seine Lehrer, sondern auch die Jury von „Jugend forscht“. Beim Landesfinale des Wettbewerbs hat er es kürzlich auf den dritten Platz geschafft. Ein Ergebnis, mit dem der Schüler nicht gerechnet hatte: „Ich hatte am Tag vor der Präsentation bis in die Nacht gearbeitet, war dann ziemlich geschafft“, erinnert er sich.

Lorenz steht kurz vor seinem Abitur am Landesgymnasiums Sankt Afra in Meißen. Seit 2009 ist er an der Schule für Hochbegabte. Biologie gehört zu seinen Spitzenfächern: „Ich mag es, die Dinge zu durchschauen und auch mal tiefer in die Materie zu dringen“, sagt Lorenz Böttcher. Dass auch Algen interessant sein können, hat der Schüler bei der Langen Nacht der Wissenschaften in Dresden entdeckt. Nach dem Abend, an dem jedes Jahr zahlreiche Labors und Forschungsinstitute in Dresden öffnen, sei er auf die Idee gekommen, eine sogenannte besondere Lernleistung über eine Alge zu schreiben. Das ist eine Art wissenschaftliche Arbeit, die zu einem Teil mit in die Abiturnote einfließt. Für das 70 Seiten starke Werk hat der Abiturient zwei Jahre lang seine Ferien in einem Dresdner Forschungslabor zugebracht. „Dort hatte man mir diese spezielle Alge vorgeschlagen“, erzählt er.

Denn die Kieselalge mit dem komplizierten Namen wirft in der Forschungswelt noch viele Fragen auf. So hat sich Lorenz Böttcher einem bis dahin unklassifizierten Protein aus der Zellwand der Alge gewidmet. „Mithilfe des Proteins bildet sie eine Art Schwimmflügel“. Mit dessen Hilfe kann die Alge schwimmen und so schließlich auch Fotosynthese betreiben. Das tut die Alge sehr rege. Immerhin entfallen auf sie und ihre Verwandten 20 Prozent der weltweiten Fotosynthese, mehr als auf alle Regenwälder zusammen, sagt Böttcher.

Zurück in die Heimat

Am Ende hätten ihn seine Lehrer ermutigt, die Arbeit auch bei „Jugend forscht“ einzureichen. Auf Sankt Afra sei das nichts Ungewöhnliches. Immer wieder landen Afraner, wie sich die Schüler nennen, auf den vorderen Plätzen des Forschungswettbewerbs für Naturwissenschaft und Technik. Diesmal hätten es mit ihm allein neun seiner Mitschüler versucht, erzählt Lorenz Böttcher. „Mich hat gereizt, dass man so mal schauen kann, was die Arbeit außerhalb der Schule wert ist.“

Obwohl ihm das Hantieren mit Mikroskop und Pipette gefallen hat – in den Naturwissenschaften bleiben will Lorenz Böttcher nicht. Vielmehr zieht es den Abiturienten in die Geisteswissenschaften. So möchte Lorenz Böttcher Jura studieren, am liebsten in Berlin: „Umweltrecht und Menschenrecht interessieren mich“, sagt er. Tatsächlich kommt der Reiz am Argumentieren und analytischen Denken nicht von ungefähr.

Als Mitglied der Debattiergruppe traf sich Lorenz nach Schulschluss jede Woche mit anderen Afranern, um über politische und moralische Themen zu sprechen. „Dieser Gedankenaustausch hat mir Spaß gemacht“, sagt Lorenz Böttcher. Nun genießt er die letzten Tage des Internatslebens in Sankt Afra. Ende Mai muss Lorenz Böttcher aus dem Zimmer, das er sich mit einem Mitschüler teilt, ausgezogen sein. „Ich bin gern im Internat gewesen. Es ist wie ein nie endendes Ferienlager“, sagt Lorenz. Nach sechs Jahren geht es dann wieder zurück zu den Eltern nach Heidenau.

Weil auf Sankt Afra auch sonnabends unterrichtet wird, war Lorenz nur alle vier bis sechs Wochen in seiner Heimat. Deshalb ist er nun gespannt auf die nächsten Wochen. „So viel Zeit habe ich mit meinen Eltern schon lang nicht mehr verbracht“, sagt er.