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Die Gesichter der Abhängigkeit

Eine Ausstellung zum Thema Frauen und Alkohol eröffnet das Themenjahr Sucht.

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© Sven Ellger

Von Anna Hoben

Eine Frau in einem sehr rückenfreien, sehr roten Kleid versteckt eine Sektflasche vor ihrem Dating-Partner. „Jetzt kommt Fantasie ins Spiel …“, steht darüber. Alkohol macht alles ein bisschen aufregender, so die Botschaft. Ganz anders das Foto daneben: ein Mädchen, mascara-verschmierte Augen, Wodkaflasche in der Hand, sitzt zusammengesackt in einer Ecke. Alkohol kann alles ziemlich scheiße machen, so die Botschaft.

Der Dresdner Fotograf und Digitalkünstler Michael Riesner hat die Fotos aufgenommen und so kombiniert. Seine Ausstellung „Alkohol in Gesellschaft“ hat am Montag das Themenjahr Sucht eröffnet. Bis zum kommenden Wochenende ist sie in der Centrum Galerie zu sehen. Dass die Fotos inszeniert sind, ist leicht zu erkennen. „Ich wollte keine dokumentarischen Bilder machen“, sagt Riesner, „ich will nicht belehren“. Ob dokumentarische Fotos tatsächlich eher mit pädagogisch erhobenem Zeigefinger daherkommen als gestellte, darüber lässt sich freilich streiten.

Interessant ist Riesners Sujet trotzdem. Riskanter Alkoholkonsum, da denken die meisten an ältere Männer. Dass Frauen auch in diesem Bereich kräftig aufgeholt haben, ist weniger im öffentlichen Bewusstsein. „Während meiner Studienzeit fiel mir auf, dass manche Frauen mehr trinken als Männer“, sagt Riesner. Auch durch diese persönliche Erfahrung entstand die Idee zum Fotoprojekt. Wie ein Regisseur arbeitet er bei einem Shooting mit seinen Models, die er für ihren Mut lobt, „sich hässlich abbilden zu lassen“.

Konsum verboten, Werbung erlaubt

Das sah am Montag nicht jeder Ausstellungsbesucher so. „Zu schön, um ein Problem zu sein“, hat jemand auf ein Feedback-Plakat geschrieben. „Sexistisch“ fand ein anderer gar die Fotos, weil: nur junge Frauen, die selbst im Moment des Absturzes noch hübsch aussehen. Hübsch sind auch die Frauen aus der Alkoholwerbung, die mitunter reichlich absurd erscheint: Da steht zum Beispiel die Hollywood-Schauspielerin Mila Kunis vor der Whiskey-Distillerie von Jim Beam, zart und verloren. Sie sei ein Whiskey-Mädchen, so heißt es in der Kampagne.

An Dresdner Tramhaltestellen sind solche und ähnliche Werbemotive ein vertrautes Bild. Bei einer Podiumsdiskussion zur Vernissage wies der Fotograf Riesner am Montag auf diesen Gegensatz hin: Zwar ist der Alkoholkonsum in Dresden in öffentlichen Verkehrsmitteln und auch an Haltestellen verboten, doch die Werbung ist es nicht. Und auch das Konsumverbot scheint im Alltag eher eine leere Drohung zu sein. „Das Verbot existiert zwar, aber es weiß keiner davon“, sagt die Suchtbeauftragte der Stadt, Kristin Ferse. Sie hat zusammen mit der Gleichstellungsbeauftragten Alexandra-Kathrin Stanislaw-Kemenah das Themenjahr Sucht initiiert.

Wenn es um Alkohol geht, ist Dresden spitze: „Es gehört zu den Städten in Deutschland, in denen am meisten Alkohol getrunken wird“, sagt Kristin Ferse. 30 Prozent der Dresdner haben einen riskanten Alkoholkonsum. Das hat auch damit zu tun, dass Alkohol bei sozialen Anlässen scheinbar selbstverständlich dazugehört, wie Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Die Linke) zur Eröffnung sagte.

In zahlreichen Veranstaltungen soll das Themenjahr die unterschiedlichen Aspekte von Sucht beleuchten: vom Rauchen über exzessive Internetnutzung bis hin zu Crystal. Das Programm vernetzt Akteure aus Wirtschaft, Sport, Kultur und Jugendarbeit. Es gibt Filmvorführungen, Vorträge, Ausstellungen. Vielleicht tragen sie dazu bei, dass mehr Menschen sensibilisiert werden, wie es sich Kristin Kaufmann wünscht. „Und dass sie beim zweiten Glas Wein oder Bier eher ,Nein danke’ sagen.“

Mehr Informationen unter www.dresden.de/sucht