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Die Generationen der Hochsteinbaude

Das Lokal auf dem bekannten Königshainer Berg feiert gleich drei Jubiläen. Die herbe Kritik von 1988 ist vergessen.

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© Ralph Schermann

Von Ralph Schermann

Pfingsten 1988 platzte vielen Besuchern der Königshainer Hochsteinbaude der Kragen. Nichts klappte. Die Wasserversorgung brach zusammen. Vorräte in Küche und Keller reichten vorn und hinten nicht, und wie sich herausstellte, war von den nach Abschluss einer 300 000 DDR-Mark teuren, außerplanmäßigen Renovierung im Februar geforderten Restarbeiten nicht eine vom Betreiber Konsum erledigt worden. Noch immer war der Fasskeller nicht nutzbar, der Kiosk nicht eingeräumt und die Außentoilette nicht sicher.

1962 lud der Konsum zur Neueröffnung der Hochsteinbaude.
1962 lud der Konsum zur Neueröffnung der Hochsteinbaude. © Repro: Sammlung Schermann
Zu Pfingsten 1988 häufte sich Kritik an der Gastronomie auf dem Hochstein. Die SZ deckte damals eine Reihe von Ungereimtheiten auf, ein Artikel, der der Konsum-Führung gar nicht gefiel.
Zu Pfingsten 1988 häufte sich Kritik an der Gastronomie auf dem Hochstein. Die SZ deckte damals eine Reihe von Ungereimtheiten auf, ein Artikel, der der Konsum-Führung gar nicht gefiel. © Repro: SZ

Die Sächsische Zeitung schrieb im Juni 1988 über dieses Konsum-Fiasko 141 Zeilen deutliche Kritik, nannte Wirt, Vorstandsmitglieder und Bürgermeister beim Namen, schalt sie alle verantwortungslos und unfähig der Versorgung an diesem Feiertags-Ausflugsschwerpunkt. Von der damals meist unkritischen Parteizeitung solche Töne nicht gewohnt, reagierten manche gescholtene Funktionäre aber nicht mit Einsicht, sondern eingeschnappt: Weil die SED zugelassen habe, dass man sie öffentlich kritisierte, gaben sie auf der Kreisleitung wütend ihre Parteibücher ab.

Rundfunk vergab goldenes Lob

Der Hochsteinbaude half 1988 weder das eine noch das andere. Als kurz darauf die Wende kam, zog sich der Konsum bald ganz aus dem Objekt zurück. Immerhin: Er hatte es 1962 nach gründlicher Rekonstruktion wiedereröffnet und an die zwei Jahrzehnte lang als durchaus beliebte Ausflugsgaststätte geführt. Wanderer fanden gemütliche Rast im Baudenstil mit einem angemessenen Imbissangebot, Gesellschaften und Firmen einen Saal für ihre Feste. Im März 1963 fand die Baude unter Leitung von Anneliese und Reinhold Fiebiger eine Würdigung im „Goldenen Gästebuch von Radio DDR“, und es gab bis etwa 1970 sogar Fremdenzimmer. Es waren jene Jahre, in denen täglich noch acht Züge der Kreisbahn und mehrere Omnibusse für Gäste-nachschub sorgten. Doch wie so manches Objekt fuhr der Konsum auch die Hochsteinbaude, als sie einmal lief, auf Verschleiß. 1988 kulminierte das ausgerechnet Pfingsten im Gäste erzürnenden Schild „Aus technischen Gründen geschlossen“.

Pfingsten 2017 ist mit 1988 nur eins vergleichbar: Damals wie heute kamen bei schönstem Wetter die Gäste in Scharen. Diesmal freilich wurden sie nicht abgewiesen. Das wäre auch schlimm, denn das Objekt braucht solchen Ansturm zum Überleben. Innerhalb der Woche verirren sich mittlerweile nur wenig Gäste auf den Königshainer Hochstein, dagegen brummt es an den Wochenenden. „Aber auch nur, wenn das Wetter mitspielt, das macht es uns auch nicht leicht, zu kalkulieren“, berichtet Martina Mertsch. Mehr Gaststätten im Dorf selbst dagegen stören oben auf dem Berg nicht. „Unsere Besucherbewegungen sind seit Jahren konstant, vor allem kommen Familien zu uns“, sagt Martina Mertsch. Die in Melaune aufgewachsene Baudenwirtin hat sich mit dem Hochstein einen Traum erfüllt. Die Bauingenieurin hatte viele Jahre in Berlin gearbeitet und „irgendwann diese Großstadt satt“, erzählt sie. 1994 griff sie zu, als die Baude zu haben war. Drei Jahre brauchte sie, um aus dem vorgefundenen Chaos wieder ein vernünftiges Lokal zu machen. Auch die Küche ließ sie wieder an die alte Stelle bauen; der Konsum hatte sie 1963 an die Stelle des heute wieder mit dem alten Kachelofen versehenen Gastraums versetzt. In der Küche hat der gelernte Koch Holger Feige das Sagen, und die Inhabertochter, Anne Mertsch, eine ausgebildete Restaurantfachfrau, hilft mal in der Küche, mal im Service. An den Wochenenden kommt eine Aushilfe als Kellnerin dazu. „Gerade Sonnabend und Sonntag brauchen wir noch ein, zwei Aushilfen mehr, aber bisher fand sich niemand“, bedauert die Chefin. Auch bei Familienfeiern fehlt noch so manche Hand, immer dann, wenn neben den 35 Bauden- und über 50 Freiplätzen noch der Saal mit seinen 85 Sitzen zu versorgen ist.

Aussichtsturm ist Klotz am Bein

Manches indes geht mittlerweile auch leichter: „Als wir 2009 endlich an die Wasser- und Abwassernetze angeschlossen wurden, war das wie ein Fünfer im Lotto“, freuen sich die Mertsches noch heute. Gibt es auch weniger erfreuliches? „Na ja“, sagt die Chefin, „leider gehört auch der 22 Meter hohe Aussichtsturm zum Objekt. Der muss regelmäßig wegen Rostschutz behandelt und auf Sicherheit geprüft werden, das kommt uns ganz schön teuer.“ Ein Drehkreuz mit Münzeinwurf anzubauen, würde aber auch erst einmal mehrere tausend Euro kosten, so lässt man den Aufstieg weiter kostenlos – die Besucher freut es.

1897 genügte den Wanderern der Berg mit seinen Felsen noch allein als Aussichtsplattform. Damals wurde die gut in die Landschaft passende Lokalität als „Friedrich-Wilhelm-Baude“ von Gastwirt Gustav Mühle eingeweiht. Und so können in diesem Jahr Martina und Anne Mertsch nebst Koch und Aushilfen gleich drei Jubiläen auf der 406 Meter hohen Bergkuppe feiern: 120 Jahre Hochsteinbaude, 55 Jahre Übernahme durch den Konsum und 20 Jahre Wiedereinweihung als sich noch heute bewährender Familienbetrieb.

Berggaststätte Hochsteinbaude, Dorfstraße 146,

02829 Königshain (Parkplatz für Wanderer am alten

Bahnhof); Sommeröffnungszeiten: täglich von 11 bis

18 Uhr oder nach Absprache (Dienstag ist Ruhetag).

www.hochsteinbaude.de