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Die Geheimnisse der Turmkugel

Der neue Schlossherr in Naundorf bei Schmiedeberg spürt der Geschichte nach. Doch in einem Punkt wird er enttäuscht.

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© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Naundorf. Wer ein Haus kauft, das fast 20 Jahre leergestanden hat, halst sich damit erst einmal viel Arbeit auf. Das ist bei einem Schloss nicht anders als bei einem Bauernhaus. Aber es gibt dabei auch Höhepunkte. Einen solchen hat Konstantin Hermann, der neue Eigentümer von Schloss Naundorf bei Schmiedeberg, erlebt. Er hat am Sonnabend die Turmkugel öffnen lassen um zu sehen, was er dort über die Geschichte des Schlosses erfährt. Das ist hochinteressant.

Stammbaum der früheren Schlossherren: Schlossbesitzer Konstantin Hermann (re.) und Raimund Kunze vom Heimatverein mit dem Stammbaum der früheren Schlossbesitzer Bierling.
Stammbaum der früheren Schlossherren: Schlossbesitzer Konstantin Hermann (re.) und Raimund Kunze vom Heimatverein mit dem Stammbaum der früheren Schlossbesitzer Bierling. © Egbert Kamprath
Geld aus verschiedenen Zeiten: Auch Geldscheine und Münzen, mit denen die Leute früher bezahlt haben, kamen beim Öffnen der Kassetten zum Vorschein.
Geld aus verschiedenen Zeiten: Auch Geldscheine und Münzen, mit denen die Leute früher bezahlt haben, kamen beim Öffnen der Kassetten zum Vorschein. © Egbert Kamprath
Ein echter sächsischer Taler: Das ist das älteste Fundstück: Ein sächsischer Taler aus dem Jahre 1694 überdauerte in der Turmkugel die Jahrhunderte.
Ein echter sächsischer Taler: Das ist das älteste Fundstück: Ein sächsischer Taler aus dem Jahre 1694 überdauerte in der Turmkugel die Jahrhunderte. © Egbert Kamprath

Hermann ist gespannt, was die Dachdecker in der Kupferkugel finden werden. „Ich weiß, was drin sein müsste. Die Architektin Heike Inkermann hat 1986 eine Studienarbeit zum Schloss geschrieben. Dort habe ich auch eine Liste gefunden, was in der Turmkugel war, als die 1977 zuletzt geöffnet worden ist. Aber wer weiß, ob das alles wieder reingekommen ist?“, sagt er. Und es besteht auch die Gefahr, dass Frost und Hitze in 30 Metern Höhe Schaden angerichtet haben.

Mirko Dietel, ein befreundeter Dachdecker aus Holzhau, hat mit einem Kollegen am Sonnabend ohnehin Dacharbeiten zu erledigen. Da hat er angeboten, die Turmkugel mit zu öffnen. Eine Hubbühne mit 30 Meter Höhe hat er dafür mitgebracht. Das müsste gut reichen. Aber es wird noch sehr knapp. Er muss das komplette Gestänge ausfahren, um gerade so an die Kugel heranzulangen.

Dort findet er zwei Kassetten. „Es ist also auf jeden Fall etwas da“, sagt Hermann erleichtert. Langsam schwenkt der Arm der Hebebühne zu Boden. Eine größere aus Zink ist oben mit Verbandsstoff und Gips verschlossen. Eine kleinere ist komplett eingegipst. Hermann sieht sich die Schatzbehälter an, schüttelt sie und hört es klappern. Auf jeden Fall ist was drin. Dann legt er sie auf einen Arbeitstisch.

Der vierjährige Jaromir und der sechsjährige Kasimir, die beiden Söhne von Konstantin Hermann, helfen dann tatkräftig mit, die Kassetten zu öffnen. Mit einem Hammer klopft Kasimir den Gips der kleineren Kassette locker.

Nachbarn sehen dabei zu. Ursula und Siegfried Fuchs sowie Raimund Kunze, der auch im Heimatverein Ottos Eck aktiv ist. „Wir waren auch 1977 dabei, als die Kugel offen war“, erzählt Ursula Fuchs. Auch sie ist gespannt, ob die Dokumente alle noch erhalten sind. Sie erinnert sich an eine Diskussion 1977 ob diese nicht besser ins Archiv gegeben werden sollten. Der damalige Leiter des Pflegeheims, Franz Lorber, hat aber entschieden, dass sie zum Schloss gehören und wieder in die Turmspitze kommen.

Und dort waren sie 40 Jahre lang gut aufgehoben, wie sich jetzt zeigt. Ein Reservistenorden der Volksarmee, Münzen, ein Foto vom Schloss und eines der Mitarbeiter des Pflegeheims zieht Hermann aus der Röhre. Schließlich noch eine Chronik des Schlosses seit 1945, die Franz Lorber handschriftlich verfasst hat, Briefmarken aus der Zeit und eine Sächsische Zeitung.

Hermanns Hoffnungen ruhen aber vor allem auf der größeren Kassette, in der die älteren Dokumente enthalten sind. Innenaufnahmen vom Schloss würden ihm sehr weiterhelfen. Denn er will – so gut es geht – die Räume originalgetreu wieder herstellen. Wenn er dafür Vorlagen fände, wäre das hilfreich. Eine Münze mit dem Porträt von Kaiser Wilhelm II. fällt zuerst heraus. Verschiedene Fotos folgen und Außenansichten vom Schloss, die heute gar nicht mehr möglich wären, weil jetzt Häuser davor stehen. Zeitungen aus den Jahren 1901 und 1929, zahlreiche Fotos kommen zum Vorschein von den Familien der früheren Besitzer, Otto und Bierling, eines vom Schlossermeister Bieberstein aus Dippoldiswalde oder einer Familie Geißler aus Naundorf. Drei Münzen von besonderem Wert sind auch dabei. Zwei Goldstücke im Wert von damals zehn und zwanzig Mark sowie ein sächsischer Taler aus dem Jahre 1694, das älteste Stück in der Kassette, weitere Geldscheine aus der Inflationszeit, ein Stammbaum der Familie Bierling und andere Dokumente finden sich. Hermann guckt noch einmal genau, eine Innenansicht vom Schloss, auf die er so gehofft hat, kann er beim besten Willen nicht finden. „Aber das ist jetzt dennoch ein Höhepunkt für mich“, sagt er. Er fotografiert die Dokumente alle einzeln. Sie können ihm doch bei künftigen Restaurierungsarbeiten am Schloss noch hilfreich sein. „Dann kommen die wieder in die Kassetten und zurück in die Turmkugel – bis sie in 50 Jahren wieder einmal jemand öffnet“, sagt er.