Merken

Die Geheimnisse der Fürstengruft

In den Räumen unter der Hofkirche ruhen die Wettiner. Darüber gibt es außergewöhnliche Geschichten.

Teilen
Folgen
© Sven Ellger

Von Peter Hilbert

Die Hofkirche ist in der Weihnachtszeit ein besonderer Anziehungspunkt. In dem von Gaetano Chiaveri errichteten Bauwerk finden seit 1751 Gottesdienste statt. Zu Weihnachten werden viele kommen, um in der heiligen Messe am Sonntag, 22 Uhr, die Geburt Christi zu feiern. Eine Etage darunter ruhen die sterblichen Überreste von Kurfürsten, Königen und weiteren Vertretern des Wettiner Herrscherhauses in der Gruft. Der 62-Jährige Christoph Pötzsch kennt nicht nur die Historie des Dresdner Gotteshauses genau, sondern auch viele besondere Gruft-Geschichten.

Der schwimmende Prinz: Hochwasser führt Ehepaar wieder zusammen

Insgesamt fünf Räume gibt es an diesem Ort der Ruhe. In der Neuen Gruft wurde strikt das Prinzip umgesetzt, dass die Särge nach der zeitlichen Reihenfolge der Bestattung aufgestellt wurden. Für Prinz Johann Georg brachte das eine paradoxe Situation mit sich. Der Sohn von König Georg war 1904 schon mit 35 Jahren Witwer geworden, als Prinzessin Isabella starb. „Er wusste, wenn ihm Gott noch ein längeres Leben schenkt, kommt er auf die andere Seite dieser Gruft“, erläutert Pötzsch. So kam es auch. Prinz Johann Georg verstarb 34 Jahre später 1938. Und so steht sein Sarg am Zugang zur Gruft, der seiner Frau weit entfernt am anderen Ende.

2002 war dies jedoch vorbei. Im August kam das Hochwasser und überflutete die Gruft. Die Räume standen rund 2,50 Meter unter Wasser. „Als das Wasser abgeflossen war, stand Johann Georgs Sarg neben dem seiner Frau“, berichtet Pötzsch. Der Holzsarg war dorthin geschwommen. „Als hätte der liebe Gott gesagt, jetzt seid ihr auch im Tod vereinigt.“ Allerdings kam der Sarg beim Aufräumen wieder an seinen angestammten Platz.

Der letzte Bestattete: Kronprinz ertrinkt im Großglienicker See

Als letzter Wettiner wurde Georg von Sachsen 1943 in der Neuen Gruft bestattet. Der 1893 Geborene war der älteste Sohn von Friedrich August III, dem letzten sächsischen König. Allerdings hatte Georg einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Beim Jesuitenorden in Berlin war der einstige Kronprinz katholischer Pfarrer geworden.

„Er war ein entschiedener Gegner der Nazis und hatte sie sich dadurch zum Feind gemacht und außerdem Kontakte zum Widerstand gehabt“, erzählt Pötzsch. So soll er Juden zur Flucht vor dem NS-Regime verholfen haben. Da Pater Georg jedoch Angehöriger des sächsischen Königshauses war, sind die Nazis nicht gegen ihn vorgegangen. Zumindest offiziell. 1943 ertrank er im Großglienicker See am Westrand von Berlin. Es gebe Gerüchte, dass die Nazis dabei nachgeholfen hätten. Genaue Erkenntnisse dazu seien aber nicht vorhanden.

Der umgebaute Aufzugsraum: Hier werden die Bischöfe bestattet

Seit Ende des 19. Jahrhunderts nahmen die bestatteten Wettiner einen neuen Weg zu ihrer letzten Ruhestätte. Nach der Totenmesse wurde der Sarg durch einen Aufzug vor dem Hochaltar hinab in die Gruft gelassen. Träger brachten ihn dann zu seinem letzten Platz. Doch bei den Bombenangriffen 1945 wurde die Hofkirche zerstört und der Aufzugsschacht später geschlossen. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Wettiner ohnehin Sachsen verlassen, sodass keiner aus dem einstigen Herrscherhaus hier mehr beigesetzt wurde.

„Als katholische Kirche hatten wir zu DDR-Zeiten die Gruft zwar gepflegt“, berichtet Pötzsch, der bis zum Sommer Leiter des katholischen Büros im Bistum Dresden-Meißen war. Doch der Gang zum einstigen Aufzugsraum fristete hinter einer Bretterwand ein jämmerliches Dasein. Die Gruft war damals für die Mitglieder des einstigen Herrscherhauses tabu. Denn sie durften nicht in die DDR einreisen.

„Als die Wende kam, hatten sich die Wettiner bei der Kirche bedankt“, berichtet Pötzsch. Der einstige Aufzugsraum der Hofkirche wurde zwischen 1993 und 1994 zur Bischofsgruft umgebaut. Das sei ein Geschenk der Wettiner an das katholische Bistum gewesen. Die erste Beisetzung war 1996. Damals war Bischof Gerhard Schaffran gestorben, der von 1970 bis 1987 amtiert hatte und sich in dieser Zeit verdient gemacht hatte.