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Die Gefahr ganz nah

Im Landkreis Bautzen ist die Vogelgrippe angekommen. Die Geflügelhalter sorgen sich um ihre Tiere.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Die Hühner kriegen jetzt Heu in Körben und Möhren im Ganzen. Da können sie lange dran pickern und knabbern. Irgendwie müssen sie ja beschäftigt werden in diesem Stall, in dem sie schon seit drei Monaten unfreiwillig gefangen sind. Wenn Hühner nicht laufen und scharren können, werden sie unleidlich. Dann scharren sie das Stroh aus den Legenestern und gehen sich gegenseitig ans Federkleid. Dann sehen sie langsam auch aus wie gerupfte Hühner. Rainer Jurk seufzt: „Das ist wirklich bald nicht mehr zum Ansehen“, sagt der Geflügelbauer aus Jenkwitz bei Bautzen. Dabei ist sein Hof weithin bekannt für die prächtigen, gesunden Tiere und die guten Freilandeier. „Aber was will man machen“, fragt Jurk. Als „Freiland“ darf er die Eier jetzt nicht mehr kennzeichnen. Inzwischen darf er nur noch „aus Bodenhaltung“ auf die Verpackungen schreiben. Aber das ist mittlerweile fast schon Nebensache. Das Wichtigste ist jetzt wirklich: Überleben!

© Grafik: Romy Thiel

Ziemlich große Sorgen

Am Ortseingangsschild, das gleich neben Jurks Hofeinfahrt steht, prangt es seit Dienstag leuchtend rot: „Wildvogel-Geflügelpest-Beobachtungsgebiet“ steht auf dem Schild. Die Seuchengefahr ist dem Hof ganz nah auf die Pelle gerückt. „Das macht uns schon ziemlich große Sorgen“, sagt Rainer Jurk. Heilfroh ist er, dass sein Stall nicht im Nachbarort steht. Nadelwitz, das Nachbardorf, liegt seit voriger Woche im Geflügelpest-Sperrbezirk, in jenem Drei-Kilometer-Radius um die Stelle am Bautzener Stausee, an der letzte Woche zwei infizierte, tote Schwäne gefunden worden waren.

Würde Jurks Stall im Sperrbezirk stehen, dann dürfte er von seinem Hof keine Eier mehr verkaufen. Dann wäre der Hof seiner gesamten Lebensgrundlage beraubt. Denn was sollte er dann machen mit all den 1 500 Eiern, die seine Hühner jeden Tag legen? Er dürfte auch die Hühner nicht mehr vom Hof lassen. Nicht mal als Suppenhühner. Drei solcher Sperrbezirke hat der Landkreis nach bestätigten Geflügelpest-Fällen inzwischen eingerichtet. In den betroffenen Gebieten liegen nach Informationen aus dem Landratsamt aber keine Höfe gewerblicher Erzeuger.

Was jetzt zu beachten ist

Die Stallpflicht muss von allen Geflügelhaltern auch weiterhin konsequent eingehalten werden. Nur so können die Tiere vor einer Ansteckung geschützt werden.

Hunde und Katzen dürfen in den mit Schildern deutlich ausgewiesenen Sperr- und Beobachtungsgebieten nicht frei herumlaufen.

Eier und Fleisch von Geflügelhöfen aus der Region können bedenkenlos verzehrt werden, solange die Vogelgrippe-Viren nicht in die Bestände gedrungen sind. Bisher ist das in keinem Betrieb des Kreises der Fall.

Wer tote Wildvögel findet, sollte das beim Landratsamt melden.

Das Landratsamt informiert auf seiner Internetseite und über die Medien über aktuelle Entwicklungen und das Einrichten bzw. Aufheben von Sperr- und Beobachtungsgebieten.

www.landkreis-bautzen.de

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Zum Glück, sagt Rainer Jurk, liegt sein Hof nur im Beobachtungsgebiet, in dieser 15-Kilometer-Zone, die noch um die Sperrgebiete herum gezogen wird. Vom Landratsamt hat er ein mehrseitiges Schreiben mit der Anordnung bekommen. Keines seiner Tiere darf den Hof in den nächsten zwei Wochen verlassen, heißt es da unter anderem. Aber wenigstens die Eier darf er auch weiterhin verkaufen.

Gänsezuchtbetrieb ist sehr auf der Hut

Einer der größten Gänsezuchtbetriebe Sachsens liegt genau zwischen zwei Beobachtungsgebieten im noch von der Vogelgrippe unberührten Raum. Trotzdem sind bei der Firma Eskildsen in Königswartha die Sorgen nicht geringer. „Wir wollen gar nicht darüber nachdenken, was wäre wenn“, sagt Betriebsleiterin Andrea Lau. „Aber wir sind sehr vorsichtig und sehr auf der Hut.“ 3 300 Gänse stehen bei Eskildsen in den Ställen, alles Basiszuchttiere, vier verschiedene Zuchtlinien, darunter die Deutsche Legegans, die auf der Roten Liste der bedrohten Arten steht. Nicht auszudenken, wenn der Geflügelpest-Virus einen Weg in diese Anlage finden würde.

Gerade jetzt hat in den Ställen die Paarungszeit begonnen, die ersten Eier sind gelegt. „Im Stall ist das für die Tiere überhaupt nicht optimal“, weiß Andrea Lau. Die Gänse brauchen das Sonnenlicht. Normalerweise verlassen jedes Frühjahr 90 000 Gössel den Betrieb. Diesmal werden es wohl weniger sein. Andrea Lau wagt keine Prognose. „Wir können nur hoffen und abwarten.“

Rainer Jurk in Jenkwitz weiß noch gar nicht, ob seine 14 Höckergänse im Stall überhaupt Lust haben, sich zu paaren. Die Höckergänse tun das normalerweise im Wasser, erklärt er. Aber er kann ihnen ja kein Planschbecken in den Stall stellen. Da würde ja das ganze Stroh nass.

Hobbytierhalter schlagen Alarm

Auch Rassegeflügelzüchter und Hobbytierhalter schlagen inzwischen Alarm. Vor allem Züchter von Wassergeflügel befürchten, dass es in der Enge der Ställe keinen oder nur wenig Nachwuchs gibt. Mit jedem Tag Stallpflicht nehmen die Probleme zu. Das weiß man auch im Landratsamt. „Wir sehen, dass die Lage sehr schwierig ist“, sagt Amtstierärztin Ulrike Kutschke. Durch die Beengtheit in den Ställen, die für eine solche Situation in der Regel nicht konzipiert sind, kommt es unter den Tieren zunehmend auch zu Infektionskrankheiten und Verletzungen. Aber eine andere praktikable Lösung zum Schutz des Nutzgeflügels als den Stall gebe es nicht. Und es werde sich an der Situation auch so schnell nichts ändern, weiß die Amtstierärztin.

Denn ein Ende der Gefahr – und damit auch ein Ende der Stallpflicht – ist nicht in Sicht: Erst am Wochenende haben Feuerwehrleute am Olbasee fünf tote Schwäne geborgen. Auch auf das Untersuchungsergebnis in einem Fall aus der Gemeinde Schönteichen wartet man im Landratsamt noch. Noch ist es zwar nicht amtlich, aber schon sehr wahrscheinlich, dass auch diese Tiere an der Geflügelpest gestorben sind.