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Die Gefahr am Himmel

Zahlreiche Zivilisten im Altkreis Riesa werden 1945 von Tieffliegern erschossen. Auch Bomben fallen in der Region.

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© SZ-Archiv

Region. Es ist der 17. April 1945. Die Sonne über Riesa scheint an diesem Morgen. Es ist ein milder Tag. Max und Clara Winkler sind gerade dabei, auf dem Trockenplatz hinter ihrem Wohnhaus, Weststraße 10, die Wäsche abzunehmen, als aus dem Nichts eine Sprengbombe zu Boden rast und direkt neben dem Ehepaar einschlägt. Der 71-jährige pensionierte Werkmeister und seine zwei Jahre ältere Frau haben keine Chance. Die beiden sind sofort tot. Woher die Bombe kommt - wer sie abgeworfen hat, ist bis heute nicht geklärt.

Klar ist: Von den Alliierten geplante größere Bombenangriffe auf Ziele in der Region Riesa-Großenhain gibt es damals nicht. „Aber es gab in diesen letzten Tagen des Krieges vielfältige Angriffsziele im gesamten deutschen Reich, insbesondere amerikanische und britische Jagdbomber hielten Ausschau nach Zügen, Fahrzeugkolonnen und militärischen Einrichtungen“, weiß Jens Nagel, Historiker der Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain.

Am frühen Mittag dieses Tages fliegen die Amerikaner unter anderem den größten amerikanischen Luftangriff auf die Stadt Dresden, die längst in Schutt und Asche liegt. Damals nehmen die US-Bomber die Gleisanlagen ins Visier, werfen innerhalb von gut 80 Minuten über 1500 Tonnen Spreng- und Brandbomben ab. Aber auch viele andere Städte in Hitlers Reich erleben an diesem 17. April Angriffe aus der Luft. „Es ist gut möglich, dass ein Flugzeug über Riesa eine Bombe verloren hat. Piloten haben auch sogenannte Restbomben auf den Rückflügen von ihren eigentlichen Zielen auf vor ihren Einsätzen festgelegte Ersatzziele abgeworfen. Das Stahlwerk Riesa war dafür sicherlich ein lohnendes Ziel.“, sagt Nagel. Da die Weststraße genau zwischen Hafen und Stahlwerk liege, spricht vieles für letztere Theorie, sagt Nagel.

Immer wieder kommt es während des Zweiten Weltkriegs in Riesa und Region zu Gefahrensituationen aus der Luft. Bei einem leichten Angriff werden am 13. August 1940 die Oberleitungen des Riesaer Elektrizitätswerkes gestört. Das Riesaer Stahlwerk selbst wird im gesamten Kriegsverlauf nur ein einziges Mal Opfer eines alliierten Bombenangriffes. In der Nacht zum 14. August 1940 werden ein Verladegleis des Werkes und das benachbarte Reichsbahngelände getroffen. Die Schäden sind marginal. Weitere Angriffe auf Riesa ereignen sich durch Bombenabwürfe am 21. und 23. März 1945, wobei insgesamt vier Gebäude zerstört werden, davon eines an der Lauchhammer Straße direkt gegenüber dem Stahlwerk. Zudem wird das Hüttenkaufhaus am Bahnhof am 14. April getroffen. Kurz vor Kriegsende ziehen jede Nacht Bombengeschwader über die Stadt, und lassen die erwähnten Restbomben fallen. Dabei trifft es am 19. April auch das Ölwerk und die Munitionsfabrik in Zeithain.

Max und Clara Winkler sind bei weitem nicht die einzigen Todesopfer, die durch alliierte Flugzeuge zu beklagen sind. Das belegen Dokumente aus dem Riesaer Stadtarchiv. Am 14. April 1945 stirbt in Glaubitz bei einem Tieffliegerangriff der Bahnschrankenwärter Otto Heinze.

Bomben auf den Riesaer Bahnhof

Nach einem alliierten Luftangriff auf Potsdam fallen auch Bomben auf den Riesaer Bahnhof. Obwohl sie sich im Luftschutzraum befindet, zieht sich eine Frau eine schwere Wunde am Bein zu, an der sie später stirbt. Am 16. April wird zum einen der ukrainische Zwangsarbeiter Iwan Krawzo, zum anderen der 44-jährige Lokomotivheizer Paul Kühne während seiner Arbeit am Riesaer Bahnhof durch einen Tieffliegerangriff getötet. Am gleichen Tag gerät in Wülknitz ein fahrender Zug unter Beschuss. Dabei stirbt der Kranführer Martin Belger.