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Die fremde Gefahr

An den Flussufern rund um Freital breiten sich unliebsame Pflanzen aus. Und auch in den Flüssen ist nicht alles bestens.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Osterzgebirge. Für manche sind die Pflanzen mit den kleinen, rosa Blüten ein netter Hingucker im Rabenauer Grund. Doch andere wissen um die Gefahr – so wie SZ-Leser Volkmar Kreh. „Ich war erschrocken, man sieht ja an vielen Stellen kaum noch das Wasser“, schreibt er nach einem Spaziergang durch das Tal. „Gehört das zum Naturschutz? Ich meine, das gehört hier nicht hin, denn in ein paar Jahren ist unser Grund zugewachsen.“ Mit seiner Einschätzung ist er nicht allein. Auch das Landratsamt warnt vor der Pflanze namens Drüsiges Springkraut. Die Sächsische Zeitung analysiert, wie es um den Zustand der Natur an den Flüssen der Region und um die Wasserqualität in den Flüssen bestellt ist.

Ungeliebter Gast

Welche Probleme gibt es an den Ufern von Weißeritz, Müglitz und Co.?

Die Ufer werden von nicht heimischen Pflanzen, sogenannten Neophyten besiedelt. In Deutschland haben sich bis heute mehrere Hundert fremde Arten etabliert. In Sachsen werden rund dreißig Arten als invasiv bezeichnet. Bei vielen Neophyten lief die „Einbürgerung“ hierzulande unproblematisch, doch einige Arten machen dem Biosystem zu schaffen. Sie verdrängen die hiesige Vegetation.

Welche Neophyten sorgen an den hiesigen Flüssen für Probleme?

Das Umweltamt des Landkreises macht vor allem drei problematische Pflanzen aus: Neben dem Drüsigen Springkraut auch den Japanischen Staudenknöterich und den Riesen-Bärenklau.

Warum sind die Eindringlinge überhaupt gefährlich?

Das Springkraut ist heute fast überall an den Flüssen der Region zu finden, zum Beispiel an der Roten Weißeritz im Rabenauer Grund. Die Landestalsperrenverwaltung rechnet mit 100000 Quadratmetern befallener Fläche allein in den großen Flüssen. Die Behörde hält die Pflanze für schädlich. Es verdränge die natürliche Vegetation, die das Ufer standsicher mache, und enge durch seine Masse die Flüsse ein. Im Hochwasserfall könnten sich Teile in den Pflanzen verfangen und zu Rückstau führen. Ähnliches gilt für den Staudenknöterich.

Direkter spürbar sind die Folgen beim Riesen-Bärenklau. Dieser kann schwere Hautreizungen und allergische Reaktionen auslösen. „Da der Riesen-Bärenklau bis jetzt bei uns nur vereinzelt vorkommt, lohnt es sich, die Einzelpflanzen gezielt zu bekämpfen“, sagt Birgit Hertzog, Leiterin des Umweltamtes im Landkreis. Wenn er erst geschlossene Bestände an den Fließgewässern gebildet habe, sei eine Bekämpfung nicht mehr möglich.

Wie konnten sich die Eindringlinge überhaupt hier ansiedeln?

Von Natur aus werden die Bäche und Flüsse um Freital an den Ufern von Hochstaudenfluren, das sind krautartige Pflanzen, und Auwald bewachsen. Vor allem durch das Hochwasser 2002 und die danach folgenden Bauarbeiten an den Flüssen ist der natürliche Pflanzenbewuchs vielerorts verschwunden, und die Neophyten, wie Drüsiges Springkraut und Japanischer Staudenknöterich, machten sich breit. Ein Beispiel dafür ist die Rote Weißeritz im Rabenauer Grund. Durch Aufräumarbeiten, Bauarbeiten und neue Forstwege sind hier der Auwald beseitigt und die Bachufer stark ausgelichtet worden. Das schaffte ideale Bedingungen für die Ausbreitung des Drüsigen Springkrautes, so das Landratsamt.

Was kann gegen die Eindringlinge getan werden?

Das Zurückdrängen der Neophyten entlang der Fließgewässer ist schwierig. Um das Drüsige Springkraut und den Japanischen Staudenknöterich loszuwerden, müsste das Ufer mehrfach im Jahr gemäht werden. Zuständig dafür sind die Landestalsperrenverwaltung bei großen Flüssen und die Gemeinden bei kleinen Flüssen und Bächen. „Aufgrund der hohen Kosten findet dies aber in der Praxis kaum statt“, so Umweltamtschefin Birgit Hertzog.

Alternativ können die ursprünglichen Verhältnisse an den Flussufern wieder hergestellt werden, zum Beispiel durch das Anpflanzen von Weidenholz. Im Schatten der Gebüsche haben es die Neophyten schwer. Außerdem hilft es, wenn die Flussläufe wieder natürlich gestaltet werden. Dort kann sich leichter die ursprünglich vorhandene Vegetation ansiedeln.

Gibt es Gegenden in der Region, wo das gelungen ist?

Ein positives Beispiel ist der Oelsabach zwischen der Heidemühle bei Karsdorf und dem Ortseingang von Oelsa, so das Landratsamt. Hier hat der Sachsenforst auf einer Länge von rund 1,4 Kilometern vor etwa 20 Jahren Fichtenbestände gerodet und durch Aufforstungen mit Erlen ersetzt. Heute befinden sich hier die größten Bestände von Erlen-Eschenwäldern in der Umgebung von Freital – und Neophyten kommen nur vereinzelt vor.

Und wie hat sich die Wasserqualität in den vergangenen Jahren entwickelt?

„Durch den Rückgang der Industrie und den Bau von Kläranlagen hat sich nach der Wende die Gewässerbeschaffenheit allgemein verbessert“, sagt das Umwelt-Landesamt. Zwischen den Flüssen in der Region gibt es aber Unterschiede. Bei den regelmäßigen Messungen wurden in der Müglitz zum Beispiel mehr Arsen, Kupfer und Zink als erlaubt registriert – eine Folge des Altbergbaus. In der Wilden Weißeritz sind oberhalb der Talsperre Klingenberg erhöhte Cadmium-Werte zu verzeichnen. In der Roten Weißeritz oberhalb der Talsperre Malter wird die Norm für Kupfer nicht eingehalten. In die Kleine Triebisch gelangte zu viel des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Metazachlor. Generell empfiehlt das Umwelt-Landesamt das Baden in den Flüssen nicht. Abwasser gelangen über die Kanalisation zu den Kläranlagen und werden dort gereinigt. Allerdings befinden sich auch nach dieser Reinigung noch Mikroorganismen in erheblicher Konzentration im Wasser. Deswegen wird ein Baden in den Bächen und Flüssen der Region nicht empfohlen.

Welche Fische sind in den Flüssen zu finden?

In den Bächen, wie der Wilden Sau und der Roten Weißeritz, leben meist Bachforellen. Groppe und Bachneunauge sind weitere typische Fischarten. Gleiches gilt für die Oberläufe der Triebisch, des Lockwitzbaches und der Wilden Weißeritz. Die Unterläufe dieser größeren Bäche beziehungsweise kleinen Flüsse gelten als Äschen-Region. Die bestimmende Fischart ist hier die Äsche. Außerdem wurden schon Elritze, Gründling, Döbel, Hasel, Schmerle, Flussbarsch und gelegentlich auch Barben gesichtet.

Wie hat sich der Fischbestand in den vergangenen Jahren entwickelt?

Weil nach 1990 viele Industriebetriebe geschlossen wurden, nahmen die Wasserqualität und der Bestand sowie die Vielfalt an Fischen zu. „Seit Mitte der 2000er-Jahre ist jedoch wieder eine gegenläufige Tendenz festzustellen“, so das Umwelt-Landesamt.

Erstens sind marode Wehre rekonstruiert und mit neuen Wasserkraftanlagen versehen worden. Wenn die Fische stromabwärts schwimmen, geraten sie oft in die Turbinen und werden verletzt. Zweitens wurden die Flüsse für den Hochwasserschutz nach 2002 ausgebaut. Innerhalb der Ortschaften werden die Bäche und Flüsse zum Beispiel durch hohe Ufermauern und Pflasterung des Gewässergrundes in einen unnatürlichen Zustand versetzt. Fische finden hier keine optimalen Lebensbedingungen. Drittens machen den Fischen Dünge- und Pflanzenschutzmittel der Landwirtschaft zu schaffen. Dadurch vermehren sich Algen und es sterben die Nahrungstiere der Fische – Eintags-, Stein- und Köcherfliegen. Außerdem wird bei Starkregen ein Teil der Ackerfläche in die Flüsse gespült. Die für die Fischarten so wichtigen Kiesbänke als Laichplatz und Jungfischhabitat werden überdeckt und ersticken.

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