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Die Frau vom Bau

Elisabeth Wittich hat sich als Bauingenieurin in einer Männer-Domäne durchgesetzt.

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© Sebastian Schultz

Von Uta Büttner

Riesa. Heute ist Elisabeth Wittich allein auf der Baustelle eines Einfamilienhauses in Riesa-Canitz. Sie kennt die Situation aber auch anders: Da steht sie auf einer großen Baustelle, als einzige Frau umringt von Männern, vornehmlich aus den alten Bundesländern. Ingenieure eines Planungsbüros und Mitarbeiter der verschiedenen Gewerke haben sich zur ersten Bauberatung eingefunden. „Alle Herren begrüßten sich mit Handschlag, nur ich wurde ignoriert“, erzählt Wittich amüsiert. Das habe sie aber nicht gestört. Als alle eingetroffen waren, habe sie das Wort ergriffen und sich als Bauleiterin vorgestellt.

Damals, 1991, seien den Männern daraufhin die Gesichter eingeschlafen, berichtet die Bauingenieurin. Heute, fast 25 Jahre später, haben sich die Männer daran gewöhnt, dass auch Frauen in der Baubranche tätig sind, sagt die gebürtige Zeithainerin. Technisch-praktische Arbeiten seien schon immer von großem Interesse für Elisabeth Wittich gewesen. Auf einem Bauernhof aufgewachsen, hat sie ihrem Vater bei Arbeiten auf dem Hof oder am Haus geholfen. Entsprechend entwickelte sich auch ihr Wunsch nach einer technischen Ausbildung. Ganz klar war ihr, dass sie studieren wollte – aber vorher noch einen Beruf lernen. So absolvierte sie die dreijährige Ausbildung zum Baufacharbeiter mit Abitur. Anschließend studierte Wittich Straßen-, Tief- und Brückenbau in Dresden. Während dieser Zeit kam ihre Tochter zur Welt. „Ich habe aber weiter studiert. Entweder betreute mein Mann die Kleine, oder ich habe sie einfach mit in die Vorlesung genommen“, erzählt Wittich. Damals sei dies ziemlich unkompliziert gewesen.

Beratung zu empfehlen

Nach ihrem Studium arbeitete die junge Ingenieurin in einem großen Tiefbau-Betrieb, der nach der Wende privatisiert wurde. „Als die Firma 1997 pleiteging, schlug meine damalige Kollegin Silke Leidhold vor, dass wir uns selbstständig machen“, berichtet Wittich. Den Entschluss dafür fassten die beiden Frauen innerhalb von vier Wochen. Ein Vierteljahr später gründeten die Bauingenieurinnen die Sächsische Bauservice GbR auf dem Elbweg in Riesa. 2001 zogen sie in das heutige Büro auf der Körnerstraße.

Neben Aufträgen aus dem Bereich des Tiefbaus wie Straßenbau und Erschließung von Außenanlagen kommen auch Anfragen aus dem Hochbau, insbesondere zur Bauüberwachung bei Eigenheimen. „Ich habe sowohl komplette Neubauten als auch die Sanierung von alten Häusern wie Bruchsteingebäuden oder Fachwerk- und Lehmhäusern geleitet und überwacht.“ Der Grund, warum sich Wittich auch dem Hochbau widmete, „waren die katastrophalen Zustände, die nach der Wende Anfang der 90er Jahre beim Eigenheimbau herrschten. Ich musste den Leuten einfach helfen“, sagt die Bauingenieurin. Heute gebe es diese Probleme nicht mehr, aber eine Beratung noch vor Abschluss eines Bauvertrags sei nach wie vor zu empfehlen, um vertragliche Belange wie Termingestaltung oder Gewährleistung zu vereinbaren.

Oft geht es um Schadensbegrenzung

Die meisten Kunden kämen aber erst nach Vertragsabschluss und im schlimmsten Fall während der Bauphase, wenn es nur noch um Schadensbegrenzung gehen kann. „Diese Aufträge kosten die meiste Kraft und auch Nerven. Eigentlich bin ich ein sehr humorvoller Mensch, der auch mal gern einen Spaß auf der Baustelle macht. Aber ich kann dann auch sehr bestimmt auftreten.“

Die selbstbewusste Ingenieurin ist mit Leib und Seele mit ihrer Tätigkeit verbunden: „Mein Leben ist mein Beruf.“ Seit drei Jahren leitet sie das Büro allein, weil ihre Partnerin lieber wieder im Angestellten-Verhältnis arbeiten wollte. Noch heute schwärmt sie von der Zusammenarbeit mit ihrer Kollegin, die inzwischen längst zu einer sehr guten Freundin geworden ist. „Es hat alles wunderbar geklappt, wir arbeiteten harmonisch zusammen. Wenn heute die Auftragsbücher übervoll sind, stelle ich befristet einen Architekturstudenten ein“, berichtet die Geschäftsfrau.

Nach Gründung ihrer Firma habe sie jahrelang Existenzängste gehabt: „Ich wusste am Ende eines Jahres nie, wie es mit der Auftragslage im nächsten Jahr aussehen werde.“ Heute habe sie Stammkunden, natürlich auch wechselnde, und aufgrund von Empfehlungen erhalte sie immer wieder Aufträge.

Seit 18 Jahren ist Wittich selbstständig: „Freiberuflichkeit ist anstrengend, und man hat Sorgen wegen der Auftragslage, aber gleichzeitig hat man auch Freiräume, wie zum Beispiel beim Einteilen der Arbeitszeit.“ In der Regel schließe sie zwischen 18 und 19 Uhr das Büro. Aber für sie sei auch selbstverständlich, dass Baubesprechungen mit privaten Kunden häufig erst abends oder am Wochenende erfolgen können.

Das Baugeschäft ist auch heute noch eine Männerdomäne, doch inzwischen werde sie als Frau voll akzeptiert. „Ein sicheres Auftreten und eine klare und deutliche Konversation sind wichtig.“ Dabei betont Wittich: „Ich respektiere jeden Menschen auf der Baustelle, egal welche Ausbildung er hat oder welche Arbeit er ausführt.“