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Die Frau Möchtegern-Doktor

Eine Radeburgerin lebt ein einer Scheinwelt. Sie betrügt immer wieder. Jetzt muss die vierfache Mutter wohl ins Gefängnis.

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Von Jürgen Müller

Sie lebt in einer Scheinwelt und auf großem Fuß, die 31-jährige Radeburgerin. Hat kein Geld, wohnt aber mit ihren vier Kindern in einem Haus mit einer Wohnfläche von 145 Quadratmetern. Die verheiratete Frau mietet sich mit ihrem Liebhaber in verschiedenen Hotels ein, so in Freiberg, Ulm, Erlangen. Und nicht in irgendeinem Zimmer, die Suite muss es schon sein. Um seriös und zahlungswürdig zur wirken, verpasst sie sich einen Doktortitel, den sie gar nicht besitzt. Was sie auch nicht besitzt, ist Geld. Deshalb bezahlt sie die Hotelrechnungen für die Liebesnächte auch nicht. Mal sind es 650 Euro, mal 855, mal 221. Als sie wieder mal ihren Ehemann betrügt, betrügt sie den Taxifahrer gleich mit, bringt ihn um die 78,10 Euro, die für die Fahrt von Freiberg nach Radeburg fällig waren. Auch hier geht sie geschickt vor, bestellt das Taxi früh um 5 Uhr ans Krankenhaus, gibt sich auch hier als Frau Doktor aus. Um ihren Lebensstil zu finanzieren, leiht sie sich von einem Bekannten 3 000 Euro. Dem lügt sie vor, ihr Konto sei von der Ukraine aus geplündert worden und bittet ihn, ihr das Geld zu leihen, bis die Bank den Schaden reguliert hat. Zurück gibt sie nichts, bis der Geschädigte die Zwangsvollstreckung androht. Jetzt zahlt sie wenigstens 500 Euro.

Schon fünfmal verurteilt

Doch damit nicht genug. Die Frau ergaunert sich rund 6 500 Euro, indem sie bei Ebay hochwertige elektronische Geräte anbietet und verkauft, die sie gar nicht besitzt. I-Pads, einen Laptop, einen Lerncomputer, eine Digitalkamera. Die Käufer zahlen brav den Kaufpreis, bekommen aber nie Ware.

Gestern landete die Radeburgerin dort, wo sie schon fünfmal wegen Betrugs saß und verurteilt wurde: vor Gericht. 2010 verhängte das Amtsgericht Düsseldorf gegen sie eine Haftstrafe von drei Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde. Alle neuen Taten beging sie also in der Bewährungszeit.

Die Frau lebt ganz offensichtlich in einer Scheinwelt. Und so ist es ihr auch nicht zu dumm, sich 2011 mit fünf Verurteilungen und laufender Bewährung als Sächsische Weinkönigin zu bewerben. Die gelernte Verkäuferin tritt auch als „Dozentin“ auf. Vor Gericht gibt sie sich reuig und geläutert. „Das ist mir mega-mega-doll unangenehm“, sagt sie. Die Ebay Betrügereien habe sie in einer „Notsituation“ gemacht. Weil sie kein Geld hatte, habe ihr die Stromabschaltung gedroht. An den Betrügereien in Hotels sei jedoch ihr Liebhaber schuld. Der sei ein vermögender Mann, habe alle Rechnungen bezahlen wollen. Leider habe er das in diesen Fällen nicht gemacht. Den Namen des Mannes will sie aber nicht nennen. Ihr Ehemann, von dem sie inzwischen getrennt lebe, wisse bis heute nichts von dem Verhältnis, das inzwischen beendet sei. Das Gericht glaubt ihr nicht. Denn schon 2009 hatte sie in Düsseldorf ein Hotel auf die gleiche Weise betrogen. Damals gab es den Liebhaber noch nicht. Und auch für diesen Betrug hat sie eine „Begründung“. Dummerweise sei ihr damals die Handtasche mit der EC-Karte gestohlen worden.

Von insgesamt knapp 11.000 Euro Schaden hat sie bisher gerade mal 650 Euro bezahlt. Natürlich wolle sie den gesamten Schaden wieder gutmachen, sagt sie, doch wie? Sie musste schon einen Offenbarungseid leisten. 40 Stunden die Woche zu arbeiten sei für sie als vierfache Mutter jedoch „mühsam“. Wenigstens die Taxirechnung hat sie bezahlt – einen Tag vor der Verhandlung. Immerhin hat sie jetzt einen 400-Euro-Job als Verkäuferin.

Verfangen im Lügenmodell

Staatsanwältin Christine Eißmann glaubt der Angeklagten kein Wort. „Die Sache mit dem wohlhabenden Mann ist eine reine Schutzbehauptung. Sie haben sich selbst eingemietet und mit dem ergaunerten Geld ihren Lebenswandel bezahlt“, sagt sie. Die Angeklagte befinde sich bis heute in einem Lügenmodell, aus dem sie nicht herauskomme. Die Staatsanwältin beantragt eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten ohne Bewährung. Die Angeklagte bricht in Tränen aus: „Ich habe Angst, ins Gefängnis zu müssen und meine Kinder zu verlieren.“

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Andreas Poth verhängt wegen Betrugs in elf Fällen, dreimal in Tateinheit mit Missbrauchs von Titeln, jedoch nur ein Jahr und drei Monate und das auch noch für drei Jahre zur Bewährung. Ins Gefängnis muss die Radeburgerin aber doch, wenn auch nur für drei Monate. Denn die Bewährung aus dem alten Urteil wird jetzt widerrufen. „Ohne diesen Denkzettel wäre es uns schwer gefallen, nochmals Bewährung zu geben“, so der Richter. Ihr Handeln sei eine Flucht aus der Wirklichkeit und aus der Ehe. Der Richter spricht von einem „vorgezogenen Geburtstagsgeschenk“. Morgen wird die Angeklagte 32 Jahre alt.