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Die Frau, die den Kopiergeldstreit gewann

Cornelia Goldschmidt hat bewirkt, dass Lernmittel in der Schule jetzt kostenfrei sind. Das Gerichtsurteil hat viel verändert. Auch für die Bautzenerin.

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© SZ/Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Es ging um 34,95 Euro. Die sollte Cornelia Goldschmidt, Hausfrau und alleinerziehende Mutter von drei Kindern, an die Schule ihres Sohnes bezahlen: Kopiergeld-Kosten für Arbeitsblätter, die die Lehrer den Schülern immer wieder mal gern zum Ausfüllen vorlegen. Kopien für 34,95? Cornelia Goldschmidt wollte das nicht mehr einsehen – und beschloss demonstrativ, diese Rechnung nicht zu bezahlen. Der Schulträger, in ihrem Fall die Gemeinde Königswartha, schickte Mahnungen und zog schließlich vor Gericht – am Ende bis vor das Oberverwaltungsgericht (OVG) als höchstmögliche Instanz. Aber auch das OVG auf der Bautzener Ortenburg wies im April 2012 die Klage der Gemeinde gegen Cornelia Goldschmidt ab – und sprach damit ein für das gesamte Schulwesen Sachsens folgenreiches Urteil:

Kopien und Arbeitshefte, so urteilten die Richter, sind Lernmittel, die den Schülern – genauso wie die Schulbücher – kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch der Taschenrechner zählt mittlerweile dazu. Cornelia Goldschmidts Beharrlichkeit hat den Eltern schulpflichtiger Kinder in Sachsen fortan eine große finanzielle Erleichterung beschert.

Doch die taffe Frau mit den raspelkurzen Haaren ist danach nicht zur Heldin geworden. Cornelia Goldschmidt ist jetzt 48, ihre drei Kinder sind inzwischen erwachsen. Sie hat es seitdem nicht leichter gehabt, sagt sie. Im Gegenteil. Sie und ihre Kinder seien sogar angefeindet worden. „Wegen Ihnen müssen wir jetzt an den Kosten sparen“, soll ihr eine Lehrerin an den Kopf geworfen haben. Auch ihr Sohn sei danach von den Lehrern gemobbt worden und habe sich immer wieder rechtfertigen müssen.

Das sei soweit gegangen, erzählt Cornelia Goldschmidt, dass sie schließlich weggezogen sei aus Königswartha und der Sohn die Schule gewechselt habe. An der neuen Schule sei es dann besser gewesen. Es habe sogar Eltern gegeben, die sich bei ihr dafür bedankt hätten, dass sie in dem jahrelangen Streit um die 34,95 Euro so stur geblieben war. Aber das seien nur die wenigsten gewesen. „Ich hab mir dann manchmal schon selber Vorwürfe gemacht“, sagt sie. „Aber so war das: Ich hatte keinen Job, kein Geld, aber dafür eine große Klappe.“

Mit ihrer „großen Klappe“ eckt Cornelia Goldschmidt immer wieder mal an. Immer dann, wenn sie etwas ungerecht findet. Sie ist so ein unbequemer Typ, der sich nichts gefallen lässt. Immer gleich gerade heraus: „Ich mache eben meinen Mund auf und wehre mich“, sagt sie.

Auch jetzt streitet sie gerade wieder vor Gericht für ihr gutes Recht. In Bautzen hatte Cornelia Goldschmidt wieder eine Arbeit gefunden, erzählt sie. Aber ihr Arbeitgeber meldete Insolvenz an. Er schuldet ihr viel Lohn. „Ich kämpfe so lange um mein Recht, bis ich es bekomme“. Sie sagt das mit der gleichen Beharrlichkeit, mit der sie vor sechs Jahren den Kopiergeldstreit vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht zu ihren Gunsten – und damit zugunsten aller Eltern in Sachsen – entscheiden konnte. „Es ging doch im Grunde um die Diskriminierung von sozial schwachen Familien“, ist sie überzeugt.

Cornelia Goldschmidt hat wieder eine neue Arbeit gefunden – in einem Dresdener Modegeschäft. Die Kinder sind alle drei aus dem Haus. Sie hat sich entschlossen, nicht in Bautzen zu bleiben. Sie will nach Dresden ziehen. „Es geht mir wieder gut“, sagt sie. Die Arbeit mache ihr großen Spaß. Es sei wie ein Neuanfang.