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Die Fotomacher

Die aktuelle Ausstellung im Raschke-Haus ist eine Hommage an die Stadt Niesky. Fast wäre sie aber nicht zustande gekommen.

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© Joachim Rehle

Von Thomas Staudt

Niesky. Rolf Pflugs Hobby hat jede Menge Knöpfe, Rädchen und Tasten und funktioniert nur, wenn die wichtigste auf „on“ steht. Der Weißwasseraner Ruheständler fotografiert leidenschaftlich und ausschließlich digital. Mit Niesky hat der Graubart aus dem Norden wenig Berührungspunkte. „Ich kenne die Stadt zwar, war aber nie wirklich da.“ Das ist seit Kurzem anders. Pflug und seine Mitstreiter vom Fotozirkel Weißwasser bestreiten nämlich die aktuelle Sonderausstellung im Johann-Raschke-Haus. Sie nennt sich schlicht „Niesky – Bilder einer Stadt“.

Zu sehen sind über 60 Fotos, entstanden im Laufe der vergangenen zwölf Monate. Die Farbfotografien werfen einen Blick von außen auf Altbekanntes, wie den Zinzendorfplatz. Sie zeigen täglich Gesehenes in Detailfotos neu, wie das Farbglasfenster der katholischen Kirche. Sie machen sichtbar, was sonst hinter verschlossenen Toren vor sich geht, wie der Blick in die Produktion des Waggonbaus Niesky. Oder sie dokumentieren Vergangenes, wie das Stellwerk am Bahnhof. Kaum war es abgelichtet und in Form von Bytes auf der Chipkarte gespeichert, wurde es abgerissen.

Manchmal fördern sie auch Überraschendes zutage. Bei einem ihrer Spaziergänge durch die Stadt erregt ein eigentlich unscheinbares altes Haus das Interesse der Hobbyfotografen. Wieder macht es klick. Noch während sie am Gartenzaun stehen, öffnet sich die Tür und die Bewohnerin klärt sie unaufgefordert darüber auf, was sie gerade fotografiert haben: das erste Nieskyer Krankenhaus in der Rothenburger Straße. „Das hat noch nicht einmal die Oberbürgermeisterin gewusst“, sagt Pflug nicht ohne Stolz. Beate Hoffmann hat die Fotoausstellung Anfang November eröffnet.

Begonnen haben die Mitglieder des Fotozirkels vor etwas mehr als drei Jahren. Sie verbindet nicht nur die Leidenschaft fürs Fotografieren. Alle leiden unter einem Handicap. Axel Gutewort beispielsweise, der Mitfünfziger ist einer der Jüngsten, hat eine Gehbehinderung. Günter Weinhold und Ines Reimann sind schwerhörig. Die Idee war damals, Menschen mit Behinderung und Spaß an der Sache zusammenzuführen. Unterstützung sollte von der „Aktion Mensch“ kommen. Der Antrag fiel durch. „Aber wir sind dabeigeblieben“, so Rolf Pflug. Wenn bei den regelmäßigen Treffen im Naturschutz- und Kommunikationszentrum am Schweren Berg in Weißwasser alle da sind, sitzen neun Mitglieder am Tisch. Exkursionen führen sie immer wieder hinaus in die Stadt oder die Natur, wo sie das bei den Treffen theoretisch Erlernte praktisch umsetzen.

Einige der Mitglieder pflegen oder pflegten enge Kontakte zu Niesky. Ines Reimann wohnt sogar hier. Hans-Eberhard Grunert war zu DDR-Zeiten Dauercamper auf einem der örtlichen Zeltplätze. Darauf aufmerksam geworden war er durch ein einfaches Schild an der Straße. Und mit dem in Weißwasser gebrauten Karat-Bier hatte er bei der Platzleitung immer gute Karten. Er erinnert sich gern an das Niesky von damals. Die Stadt habe sich bis heute kaum verändert, meint er.

Zum Fotografieren kam er spät. 2008 schaffte sich der heute 76-Jährige eine Kamera an. Er fotografierte überall. In der Lausitz im Alltag oder im Urlaub im Ausland. Mit seiner Frau bereiste er Rom, Paris, Sizilien, die Côte d‘Azur, das Nordkap, um nur einige Ziele zu nennen. Auf seinen Festplatten lagern um die 35 000 Fotos. Als das alte Freiluftstadion in Weißwasser abgerissen und die neue Eisarena aufgebaut wird, ist er mit der Kamera im Auftrag der Stadt dabei.

Die Exkursion nach Niesky war eher Zufall, etwa nach der Devise „Mal was anderes sehen“. Ein noch größerer war das Zustandekommen der Ausstellung, war der Zirkel doch bisher kaum öffentlich präsent. Eine Stadtführung bei Eva-Maria Bergmann vom Museum wurde zum Schlüssel. Man kam ins Gespräch. Eins führte zum andern. So kam die Einzelausstellung von Hans-Eberhard Grunert zustande, die das Nieskyer Jubiläumsjahr eröffnete, und die aktuelle, die die Feierlichkeiten beschließt. Sie ist noch bis 4. März zu sehen.

Allemal sehenswert, bremst Rolf Pflug dennoch überzogene Erwartungen: „Der Besucher bekommt keine professionellen Fotos zu sehen, dafür Bilder die mit Freude und mit dem Herzen entstanden sind,“

Niesky – Bilder einer Stadt, Sonderausstellung im Museum Niesky, Johannes-Raschke-Haus, Zinzendorfplatz 8, Mo - Fr 10 - 17 Uhr, So 14 - 17 Uhr, Weihnachtspause 23.12.17 - 6.1.18, Eintritt 2,50 Euro (ermäßigt 1 Euro).