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Die FDP zerreibt sich in Machtkämpfen

Rechtspopulistisch oder linksliberal? Nicht nur dieser interne Streit zerlegt die Partei. Eine Analyse.

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© Bonss; Juppe; Prausse

Von Kay Haufe und Andreas Weller

Das Streben um Posten und die Deutungshoheit, wofür die Partei stehen solle: In der FDP rumort es. Dabei braucht die Partei Einigkeit, um bei der Stadtratswahl im kommenden Jahr nicht erneut so ein niederschmetterndes Ergebnis wie 2014 einzufahren. Die Gründe für die Krise:

Unterschiedliche Ansätze: Bewahrer gegen Erneuerer

Partei und Fraktion senden unterschiedliche Botschaften. Fraktionschef Holger Zastrow sagt, die FDP sei in einer „guten Position“: „Wir sind im Stadtrat sichtbar und haben ein Gespür für Themen“. Ob bei der Kulturhauptstadtbewerbung oder dem Verkehr, die Haltung sei klar. „Wir haben gute Voraussetzungen zuzulegenn und können es uns nur selber kaputt machen.“ Die FDP habe sogar an Profil gewonnen, sagt er.

Zastrows Pendant ist Parteichef Holger Hase. Der sagt, die Partei könne nicht weiter nach Gutsherrenart geführt werden. Die Tendenz gehe klar zur gemeinsamen Führung. Es gebe genügend Leute, die dafür geeignet seien und Lust hätten, so Hase. „Bisher wurde weitgehend aus marketingtechnischen Gesichtspunkten agiert und das gemacht, was scheinbar die meisten Wählerstimmen bringt“, erklärt Hase. Plakatives Beispiel dafür ist der Fernsehturm, für dessen Wiedereröffnung sich Zastrow einsetzt. Für einen anderen Teil der FDP ist das zu teuer. Dort wird das Turmprojekt als „Eierschecke mit Aussicht“ bezeichnet. Hase meint, populistische Ansätze habe die AfD inzwischen vervollkommnet. „Wir müssen versuchen, andere Wählerschichten anzusprechen“, so Hase. Zudem müsse das Eigenleben der Fraktion, die sich wie beim Beispiel Fernsehturm nicht mit der Partei abstimmt, ein Ende haben.

Zastrow ist angeschlagen: Er will aber noch lange nicht aufgeben

Lange war Zastrow das Gesicht der FDP in Dresden und ganz Sachsen. Er wurde mit 31 Jahren Landeschef, schaffte es bis zum Vize-Bundesvorsitzenden der Partei. Doch der Gegenwind hat zugenommen. Nicht zuletzt, weil die Zahl der Stadträte nach der Wahl 2014 von neun auf drei schrumpfte. Die FDP brauchte fremde Hilfe, um überhaupt erneut eine Fraktion bilden zu können. 2016 wurde Zastrow nicht mal mehr von der eigenen Partei als Direktkandidat für die Bundestagswahl nominiert. Er musste Platz machen für den Lego-Unternehmer Christoph Blödner, den insbesondere Jungliberale gewählt haben. Zur Stadtratswahl 2019 ist für Zastrow dennoch klar: „Ich trete auf jeden Fall wieder an.“

Nationalistische Tendenzen: Genschmar wurde zum Austritt aufgefordert

Massiv in Kritik geraten ist Jens Genschmar. Ein Teil der FDP stößt sich an dem langjährigen Stadtrat und Betreiber des Dresdner Fußball-Museums im Stadion. Wegen abfälligen Kommentaren gegenüber Flüchtlingen und Zustimmung zu Pegida, werden Genschmar nationalistische Tendenzen vorgehalten. Beim Parteitag im April wurde dieser per Antrag zum Austritt aus der Partei aufgefordert. Er bleibt aber.

Die Jungen kommen: Bei Parteitagen verschaffen sie sich Mehrheiten

Jungliberale haben Aufwind. Der Antrag, Genschmar zum Austritt aufzufordern, kam von ihnen und erhielt eine Mehrheit beim Parteitag. Seit der Bundestagswahl 2017 ist die Partei in Dresden um rund 50 Mitglieder auf etwa 400 gewachsen. Viele junge Leute schließen sich der FDP an. Aber es gab auch Austritte. Für Stefan Scharf, einen der Initiatoren des Beschlusses gegen Genschmar, hat die Partei stets viele Facetten gezeigt. Es habe Austritte gegeben, weil einige mit dem Zastrow-Kurs nichts mehr anfangen konnten, anderen sei die FDP nicht mehr konservativ genug gewesen. „Es ist leicht, zu sagen, dass man Holger Zastrow absetzen will, aber dann muss man auch sagen, wo die Reise hingeht und welche Personen dabei eine Rolle spielen“, sagt Scharf. Das erhofft er sich jetzt durch das neu gewonnene Selbstbewusstsein der Dresdner Basis, das er konstatiert, und das klare Bekenntnis gegen nationalistische Tendenzen.

Kampf um Posten: Die Macht bröckelt, ist aber noch nicht verloren

Es gibt mehrere Strömungen in der Partei, die gegen Zastrow arbeiten: Die Jungliberalen, weil ihnen Zastrow zu konservativ ist und er sich nicht mit gegen Genschmar stellt. Parteichef Hase lässt das laufen, zieht aber im Hintergrund Strippen. Er will selber Stadtrat und bestenfalls Landtagsabgeordneter werden. Zu diesem Kreis zählen auch einflussreiche Leute wie der Ex-Landtagsabgeordnete Carsten Biesok und Robert Malorny – gegen den Genschmar vor der Bundestagswahl die Direktkandidatur verloren hat. Beide wollen ebenfalls in der Partei mehr Macht. Zastrow ist 2017 somit doppelt gescheitert, als Landeschef konnte er sich im Herbst aber immerhin noch knapp gegen Malorny durchsetzen.

Wenige bekannte Gesichter: Gehen sie, verliert die FDP an Strahlkraft

Hase, Malorny und Biesok mögen verdiente FDP-Mitglieder sein. Doch außerhalb der Partei kennen sie wenige. Das ist bei Zastrow und Genschmar anders. Bei der Stadtratswahl holten sie mit Abstand die meisten Stimmen. Genschmar überzeugte Dynamo-Legende Peter Kotte, für die FDP zu kandidieren. Und er ist mit 20 000 Euro erfolgreichster Spendenwerber. Der Etat der FDP Dresden lag bei 50 000 Euro. Zastrow ist nicht nur als FDP-Mann bekannt, er tritt immer wieder als Werbefachmann, beispielsweise für den Semperopernball, und mit seiner Hofewiese in Erscheinung. Diese Strahlkraft haben andere nicht.

Zeit für einen Generationswechsel? Die FDP muss sich entscheiden

Der oft geforderte Generationswechsel ist eine Chance für die FDP, birgt aber auch Gefahren. Zastrow und Genschmar rauszuekeln, könnte massiv Wählerstimmen kosten. Andererseits ist derzeit unklar, wofür die FDP steht. Wollen die Jungliberalen einen linkeren Kurs, brauchen sie Mehrheiten. Ob das aktuell reicht, ist fraglich. Die FDP sollte zunächst ihren Kurs intern klären und daran die Mannschaft ausrichten, mit der sie in den Wahlkampf gehen will. Der Platz zwischen CDU und AfD dürfte nicht groß genug sein, um erfolgreich zu sein. Für Hase gibt es aber „den bürgerlichen Block“ gar nicht mehr. „Es bringt nichts für uns, in Fundamantalopposition zu verharren“, sagt er. Nach der Kommunalwahl werde es nicht einfach, Mehrheiten zu finden. „Ich habe absolut keine Hemmungen, mich mit Leuten aus anderen Lagern zu unterhalten.“