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Die EU will den deutschen Wein billiger machen

Brache Flächen sollen wieder aufgerebt und Fördergelder gekürzt werden. Die deutschen Winzer von Rhein bis Elbe sind von den Plänen entsetzt.

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Von Detlef Drewes und Wolf Dieter Liebschner

Die Stimmung unter Deutschlands Winzern ist aufgeheizt. Denn die anstehende EU-Agrarreform beschert den Weinbauern massive Eingriffe. Kurioserweise geht es dieses Mal nicht um die Stilllegung von Anbauflächen, sondern um deren Freigabe. Noch bis 2018 gibt es einen Stopp für Neupflanzungen, den Brüssel vor sechs Jahren verfügt und mit einem Teil der jährlichen Subventionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro finanziert hatte. Nun schwenkt Landwirtschaftskommissar Dacian Ciolos um. Ab 2019 sollen brachliegende Rebflächen wieder angebaut werden dürfen.

Zum einen will die EU die teuren Tropfen billiger machen. Zum anderen sollen massiv Fördergelder eingespart werden. Die aktuelle Finanzlage der Mitgliedstaaten macht es nötig. Vor wenigen Wochen hatten sich die Staats- und Regierungschefs auf ein Finanzvolumen von 960 Milliarden Euro für die Jahre 2014 bis 2020 verständigt. Zum ersten Mal in der Geschichte der Union müssen die Ausgaben gedrosselt werden.

Die Winzer bekommen das zu spüren. Vor allem die, die ihre Anbauflächen in den Steillagen von Rhein, Mosel, Saar und anderen Flüssen haben. Drei- bis viermal so viel Zeit wie in der Fläche dauern Anbau, Pflege und Ernte dieser Reben. Allein der Erhalt der typischen Trockenmauern ist eine Wissenschaft für sich und verschlingt unendliche Ressourcen. 1 500 Stunden investierten die Winzer pro Jahr und Hektar, um die nach historischen Vorlagen erstellten Befestigungen der Hänge zu erhalten. 500 Euro kostet das pro Quadratmeter Mauerfläche, 350 Euro zahlt die EU.

Die Agrarminister des Bundes und der Länder wollten auf ihrer Tagung in Berchtesgaden mitte April den gemeinsamen Standpunkt gegenüber Brüssel festklopfen. „Ich erwarte mir eine klare Haltung gegenüber der EU“, sagt Norbert Schindler, Präsident des Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Pfalz. Allerdings sind sich die Minister selbst nicht einig. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland haben eigene Anträge gegen die EU-Reform nach Brüssel geschickt, weil sie befürchten, dass ihr bayerischer Agrar-Kollege Helmut Brunner dort „zu weich“ auftritt. Der will ein größtmögliches Mitspracherecht der Mitgliedstaaten bei der künftigen Regelung.

Die anderen bestehen darauf, dass Brüssel seine Pläne zurückzieht. Schließlich, so argumentiert man entlang der bekannten Wein-Flüsse, gehe es nicht nur generell um die hohe Qualität des deutschen Weines und den Erhalt der durchweg kleinbäuerlichen Strukturen, sondern auch um das gewachsene Landschaftsbild, dass sich völlig verändern würde, wenn die Steillagen nicht bebaut würden.

In diese Kerbe schlägt auch der Radebeuler Winzer Karl Friedrich Aust. Er sieht eine uneingeschränkte Freigabe für Rebrechte kritisch. „Im Grunde geht es auch darum, die hohe Qualität, die wir mit den Sächsischen Weinen erzielen, nicht durch einen Rebflächenüberfluss aus mittelmäßigen Flächen oder gar schlechten Flächen herabzuziehen“, sagt der Winzer. Nach Aust liegt die Stärke des Sächsischen Weinanbaus in der Herstellung von Weinen und Sekten im Qualitätssegment. „In diesem Zusammenhang ist auch zu nennen, dass gerade die elbhangprägenden Weinbauhänge mit ihren Trockenmauerterrassen besondere Zuwendung verlangen“, so Aust. „Hierbei geht es nicht um die Subventionierung von Weinbaubetrieben, sondern darum, die Instanderhaltung von historischen Weinbergterrassen überhaupt zu ermöglichen. Diese für unsere Region typischen Weinbergmauern sind ein bedeutender kultureller Bestandteil unserer Region.“

Die EU scheint allerdings entschlossen, ihre Linie durchzuziehen – auch gegen deutschen Widerstand. Schließlich soll die Liberalisierung des Weinbaus zusammen mit dem Verzicht der Subventionen für den Zucker- und Milchsektor das hohe Preisniveau für den Kunden senken. Denn die Marktordnungen auf dem Agrarsektor halten die Verbraucherpreise für diese Produkte künstlich hoch.