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Die erste Frau im Revier

Berit Gabriel leitet eins von vier Polizeigebieten in Dresden. Zu ihrer Ausrüstung gehört ein besonderes Gerät.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Einen Ort in ihrem Revier hat Berit Gabriel noch nie von innen gesehen. Mit dem Aufzug fährt die Polizeirätin nie. Sie nimmt das Treppenhaus. Auch wenn ihr Büro in einer der oberen Etagen der Station in Gorbitz ist. Stufe für Stufe geht es nach oben und auch nach unten. „Bewegung ist wichtig und entspannt“, sagt sie. Der Schrittzähler am Handgelenk gehört zu ihrer persönlichen Einsatzausrüstung, genau wie die blaue Dienstuniform. 11 000 Schritte am Tag möchten es schon sein. Das ist Berit Gabriels Ziel.

Mit dem Hang zum Schrittezählen allein macht sich die 38-Jährige noch nicht besonders. Es ist der Beruf, ihr Dienstgrad. Als erste Frau überhaupt hat sie Ende 2016 eins der vier Polizeireviere in Dresden übernommen. Wann immer im Dresdner Westen die Polizei gerufen wird, eine Demonstration kontrolliert werden muss und Einsätze anstehen, ist sie verantwortlich. 170 Mitarbeiter gehören zum Revier und den drei Polizeistationen. Die Kollegen müssen im Dienstplan eingeteilt werden. Zudem sind im Dresdner Westen neun Bürgerpolizisten unterwegs.

Dass sie als Frau auf diesem Posten ein Dresdner Novum ist, stört wenig. „Frauen sind in der Polizei nicht mehr wegzudenken“, sagt sie. Rund ein Drittel aller Mitarbeiter in der Dresdner Polizei sind weiblich. „Das ist ein Gewinn für beide Seiten“, sagt Berit Gabriel. Negative Erfahrungen als Frau in Polizeiuniform habe sie bislang nicht gemacht, sagt sie. Respektlosigkeit will sie nie erfahren haben. Die Hemmschwelle, gegenüber Frauen ausfallend oder gar handgreiflich zu werden, sei meistens höher. Manchmal wirken gerade Frauen in diesem Job deeskalierend. Dabei haben die Helfer ganz unterschiedliche Einsatzgebiete. Dresden-West ist das einzige Revier, das Flächen auf beiden Elbseiten hat. Neben den Ortsamtsgebieten Pieschen und Cotta gehören auch die Friedrichstadt sowie die Ortschaften Altfranken, Gompitz, Mobschatz, Oberwartha und Cossebaude zum Revier. Unterschiedlicher könnten die Einsatzgebiete kaum sein. Kleine Dörfer, Gorbitzer Platten, der Elbepark mit Tausenden Kunden am Tag sowie der Rangierbahnhof, Eishockey im Ostragehege sowie Konzerte auf den riesigen Freiflächen – überall kann es zu Einsätzen kommen.

Über die Autobahnen 4 und 17, die das Revier durchziehen, haben Täter zudem einen schnellen Fluchtweg. Auch deshalb gehören Autodiebstähle sowie Diebestouren auf dem Autohof zu den Schwerpunkten der Kollegen in Dresden-West. Firmeneinbrüche und Diebstähle im Elbepark kommen ebenfalls immer wieder vor. Ein „Potpourri von Aufgaben“ wartet täglich auf Berit Gabriel und ihre Kollegen. „Das macht den Beruf nicht immer einfach, dafür aber abwechslungsreich und spannend.“

Nach drei Monaten hat sich die Neue im Revier gut eingelebt. Dresden kannte sie als Einsatzort bereits gut. 2001 kam sie in die Stadt und ist in unterschiedlichen Revieren auf Streife gegangen. 2014 ging es nach Münster an die Deutsche Hochschule der Polizei. Mit dem abgeschlossenen Studium dort darf sie nun als Revierleiterin arbeiten. Berit Gabriel ist froh, zurück zu sein. „Ich bin gern in Dresden“, sagt sie.

Für die Arbeit als Revierleiterin hat sie sich klare Ziele gesetzt. Die Polizistin spricht von gutem Arbeitsklima, einem offenen Ohr, dass sie für die Mitarbeiter haben will, und gutem Umgang untereinander. Die Nachteile der Polizeiarbeit kennt sie gut: Stress, Überstunden, starke Belastung und Arbeit in brenzlichen Situationen. „Dabei muss es aber auch Ausgleich geben“, sagt sie. „Es geht darum, den Mitarbeiter trotz der starken Belastung gesund zu halten.“ Eine große Herausforderung. Bei der Planung der Einsätze ist ihr dieser Aspekt besonders wichtig.

Andere Dinge kann sie dagegen kaum kalkulieren. Immer öfter werden Kollegen im Einsatz angegriffen, beleidigt, teils verletzt. „Das macht mir Sorgen“, sagt sie. Oft kommt es unvermittelt zu solchen Situationen. Auch weil die Polizisten aus den Revieren meist zuerst am Einsatzort sind und nicht wissen, was sie erwartet. Immer öfter haben sie mit psychisch auffälligen Menschen zu tun. Auch das ist eine neue Herausforderung. Auch für Berit Gabriel.

Ihr Privates lässt sie dabei außen vor. Ungern spricht sie darüber, nicht über die Familie, nicht über ihre Heimat. Dafür spricht sie über Ausgleich von der Arbeit. Sport ist der Polizistin sehr wichtig. Berit Gabriel geht gern joggen und wandern. So klappt es fast immer mit dem selbst gewählten Tagesziel der 11 000 Schritte.