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Die Erbse ist Stress pur

Erbsen pulen war gestern, heute gibt es Tiefkühlgemüse. Aber was für Verbraucher praktisch ist, beschert Landwirten einen enormen Planungsaufwand.

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© dpa

Von Violetta Kuhn

Lommatzsch/ Bremerhaven. Es herrscht Erbsenstress im Elbetal. Denn auf vielen Feldern sind die Hülsenfrüchte gleichzeitig reif geworden – und haben damit die Planung des Bremerhavener Tiefkühlunternehmens Frosta gehörig durcheinandergebracht. Jetzt rumpeln die Erntemaschinen rund um die Uhr über die Felder, auch nachts, damit die grünen Perlen schnell eingefroren werden können.

Erbsen kommen fast nur noch in tiefgekühlter Form zu den Kunden. Während der kurzen Saison im Frühsommer muss annähernd der gesamte Bedarf für ein Jahr geerntet werden. Denn der Appetit auf Tiefkühlgemüse wächst. 6,3 Kilo hat jeder Deutsche 2016 im Schnitt gegessen. Das sind 1,3 Kilo mehr als noch im Jahr 2000, wie eine Erhebung des Verbandes Deutsches Tiefkühlinstitut (dti) ergeben hat.

Für den Verbraucher ist das lange haltbare Gemüse in den Tüten oder Pappkartons praktisch. Für diejenigen, die es anbauen, bedeutet es vor allem: einen enormen Planungsaufwand. „Die Erbse ist Stress pur“, sagt Susann Lieber. Sie ist Anbauberaterin bei Frosta im Elbtal, managt also die Produktion unter anderem der Tiefkühlerbsen, -karotten und -bohnen. Die Erbse ist dabei besonders anspruchsvoll: Sie werde sehr schnell reif, und der perfekte Moment zum Ernten sei schwer zu bestimmen, sagt Lieber. Noch dazu sollen möglichst nicht alle Erbsen gleichzeitig den optimalen „Tenderometer“-Wert erreichen: die perfekte Zartheit. Sonst kommen die Tiefkühllinien nicht hinterher.

Wenn Lieber einmal die von Frosta beauftragten Drescherfahrer losschickt, geht es schnell: Ein-, zweimal steuern sie ihre Riesenmaschinen über den Acker und schon ist rund eine Tonne geschälter Erbsen zusammengekommen. Das geerntete Gemüse muss dann binnen weniger Stunden zum nahe gelegenen Frosta-Werk in Lommatzsch geliefert werden, wo es von Verschmutzungen befreit, nach Größe und Zartheit sortiert und schließlich auf einem Fließband tiefgefroren wird. Pro Jahr werden hier Tausende Tonnen Erbsen dieser Frischhaltekur unterzogen.

Dieser Koordinationsaufwand bedeutet für die Landwirte, dass sie viel Entscheidungsgewalt abgeben müssen. „Die Aussaatdaten werden vorgegeben“, sagt Jens Werner, einer von mehr als 60 Bauern, mit denen Frosta im Elbtal auf Vertragsbasis zusammenarbeitet.

Die Kunden schätzen das TK-Gemüse: In den Truhen belegt es mit knapp 14 Prozent aller in Deutschland verkauften tiefgekühlten Waren Platz zwei hinter den Backwaren, heißt es beim dti. Nicht mitgerechnet ist dabei das Speiseeis. Die bekannten Platzhirsche im TK-Gemüse-Segment sind Iglo und Frosta. Die Bremerhavener steigerten beim Gemüse 2016 den Umsatz um 35,8 Prozent. Wie viele Erbsen, Karotten und Co. insgesamt verkauft wurden, teilte das Unternehmen aber nicht mit. Auch der Gewinn des Gesamtkonzerns stieg: um gut 18 Prozent auf 21,6 Millionen Euro.

Doch nicht alles, was die Frosta AG in ihren vier Werken produziert, trägt am Ende die Marke Frosta. Bei den Erbsen ist es nach Angaben einer Sprecherin zum Beispiel nur ein Drittel. Mit dem Geschäftssegment Copack, das TK-Produkte für Handelsmarken produziert, erwirtschaftete das Unternehmen ein Fünftel des Gewinns. Bei Iglo spielt dieses Geschäft kaum eine Rolle. Die Gruppe, die seit Juni 2015 zu dem international tätigen Nahrungsmittelkonzern Nomad Food gehört, produziert fast ausschließlich für die Eigenmarke. Der Mutterkonzern beansprucht für sich die Marktführerschaft beim Nettoverkauf von gefrorenem Essen in ganz Westeuropa.

Zehn Werke betreibt das Unternehmen in Europa, zwei davon in Deutschland. Im Wettbewerb mit Frosta gebe es nur in Teilbereichen Überschneidungen, teilte ein Sprecher mit. Das Iglo-Gemüse-Sortiment sei breiter.

(dpa)