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Die Enttäuschung der Flüchtlingshelfer

Auf dem Höhepunkt der Asylkrise waren sie die Helden, die anpackten. Jetzt erhalten die DRK-Helfer oft nicht mal Arbeitslosengeld I.

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© Claudia Hübschmann

Von Dominique Bielmeier

Meißen. Die Asyl-Erstaufnahmeeinrichtungen im Landkreis sind längst leer, doch die Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes, die in den vergangenen Monaten die Flüchtlinge und Asylsuchenden betreut haben, sind noch mit letzten Aufräumarbeiten beschäftigt. In diesen Tagen allerdings mit einem unguten Gefühl – mit dem Eindruck, hingehalten und ausgenutzt worden zu sein.

Es sind nicht die Asylbewerber, über die die Flüchtlingshelfer erbost sind, sondern ihr eigener Arbeitgeber. Treffender müsste man sagen: ihr ehemaliger Arbeitgeber. Denn Ende Juli laufen die letzten Verträge, die das DRK mit den Helfern ursprünglich bis Ende des Jahres geschlossen hatte, aus.

Doch darum geht es nicht, denn nachdem im Mai überraschend die Nachricht aus dem Ministerium kam, dass viele Erstaufnahmeeinrichtungen in Sachsen geschlossen werden würden – auch die im Kreis – wurde den DRK-Helfern offen kommuniziert, dass damit auch ihre ohnehin befristete Anstellung enden würde. In einer Antwort des DRK auf eine SZ-Anfrage zu den Entlassungen heißt es: „Stets wurde durch das DRK darauf verwiesen, dass die Anstellungen aufgrund der unklaren Prognosen über die Flüchtlingsbewegungen ausschließlich projektbezogen beziehungsweise temporär erfolgen würden.“ Viele betroffene Helfer bestätigen das. Laut DRK wurden für den Landesverband beziehungsweise seine Tochtergesellschaften etwa 350 Stellen in der Flüchtlingsarbeit geschaffen, rund 450 weitere in den Kreisverbänden. Am 1. April waren beim DRK in Sachsen insgesamt 816 Menschen in der Flüchtlingsarbeit für die Erstaufnahmeeinrichtungen tätig.

Das DRK sei „ausgesprochen froh darüber, dass es uns gelungen ist, vielen Menschen, die ansonsten auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hatten, die Möglichkeit zu geben, sich zu beweisen, einzubringen und das Gefühl zu bekommen, auch einmal gebraucht zu werden“, heißt es in der Antwort des DRK an die SZ. Diese Menschen fühlen sich jetzt im Stich gelassen.

Veranstaltung ging in die Hose

Ein Beispiel aus Meißen: Ein DRK-Mitarbeiter, der anonym bleiben möchte, war ab Mitte August 2015 als Flüchtlingshelfer tätig. Es sind nur zehn Tage Beschäftigung, die ihm fehlen, um Arbeitslosengeld I zu bekommen, das erst nach einem vollen Jahr gezahlt wird. Das Problem hätten viele andere auch, berichtet er: Dolmetscher, Lagerarbeiter oder medizinisches Personal. Sie alle bekämen zwar ein Arbeitszeugnis, könnten aber nichts Offizielles wie eine Ausbildung vorweisen – und entsprechend schwer wieder etwas im Sozialbereich finden. Trotzdem: Dem DRK möchte er keine Vorwürfe machen, eher der Landesdirektion. Die habe schließlich Zeit gehabt, sich über eine Anschlussbeschäftigung für die Mitarbeiter Gedanken zu machen oder beispielsweise Gutscheine für eine Umschulung anzubieten. Das DRK habe immer mit offenen Karten gespielt und sei am Ende ja selbst nur „der Überbringer der schlechten Nachricht“. Positiv findet er dagegen das Angebot des DRK, zum Beispiel an Umschulungen zum Erzieher teilzunehmen. „Aber wovon lebe ich in dieser Zeit?“

Das DRK verweist selbst immer wieder auf „Fortbildungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten“, über die alle Mitarbeiter informiert worden seien. Außerdem nennt die Antwort des DRK speziell den 6. Juli, an dem eine Informationsveranstaltung im DRK-Bildungswerk Sachsen in Dresden durchgeführt wurde. „Eingeladen wurden all jene Mitarbeiter, die noch keine neuen Tätigkeiten gefunden hatten“, so das DRK. Knapp 40 Interessierte hätten daran teilgenommen. Wie viele von ihnen die Veranstaltung wütend verließen, sagt das DRK nicht. Eine Flüchtlingshelferin aus Meißen war an dem Tag vor Ort, weil sie selbst gerne in der Integrationsarbeit Fuß fassen würde. Doch die Veranstaltung sei „komplett in die Hose gegangen“.

Die Lehrbeauftragten hätten eine ganz normale Veranstaltung für Interessierte an Aus- und Weiterbildungen durchgeführt, ohne sie auf die Gruppe von Menschen zuzuschneiden, die tatsächlich teilnahmen. Und das, obwohl im Vorfeld eine Nachfrage aus dem Kreisverband unter anderem zu Finanzierungsmöglichkeiten kam, in der auch auf die Problematik mit ALG I hingewiesen wurde. Bis heute blieb der Landesverband eine Antwort darauf schuldig.

Arbeitslos mit Diplom

Eine Weile hörten die Helfer sich die Vorträge zu Ausbildungen an, obwohl es in ihren Reihen bereits grummelte. Doch als es hieß, man könne sich die Ausbildung zum Beispiel über Bafög fördern lassen, platzte einem Mann der Kragen: „Gucken Sie sich die Leute an, die vor Ihnen sitzen“, soll er laut der Meißner DRK-Helferin gerufen haben, „da ist keiner unter 27!“ Der Mann habe dann wütend den Raum verlassen, weil er sich „verarscht“ gefühlt habe.

Auch die Helferin ist enttäuscht. „Wie die Situation vonseiten des Arbeitgebers nun ausläuft, ist eine soziale Katastrophe und sinnbildlich für diese Gesellschaft.“

Das Wissen, das die Mitarbeiter nach einem Jahr Flüchtlingshilfe erworben haben, „legt der Staat jetzt einfach mal in den Straßengraben“. Auch dass das DRK von Menschen spricht, „die ansonsten auf dem Arbeitsmarkt kaum eine Chance hatten“, ist für die Flüchtlingshelfer eine schallende Ohrfeige: Teilweise sprechen sie mehrere Sprachen, haben Diplom oder sogar promoviert. Der DRK-Kollege, der es dank einer Anstellung bei einem Freund gerade so schafft, ins ALG I zu kommen, sagt: „Es wird sicher extrem schwer, noch einmal jemanden zu finden, der da mitmacht.“