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„Die Eltern können beruhigt sein“

In der Grundschule Zeithain wurden erhöhte Naphthalin- Werte gemessen. Die SZ sprach dazu mit Dr. Heinz-Jörn Moriske vom Umweltbundesamt.

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© Sebastian Schultz

Herr Dr. Moriske, in der Grundschule Zeithain wurden bei ersten Messungen der Raumluft Naphthalin-Werte von 33 und 69 Mikrogramm pro Kubikmeter in zwei Klassenzimmern gemessen. Jetzt wird gelüftet. Müssen sich die Eltern dennoch Sorgen um die Gesundheit ihrer Kinder machen?

Dr.Heinz-Jörn Moriske ist Geschäftsführer der Kommission Innenraumlufthygiene beim Umweltbundesamt.
Dr.Heinz-Jörn Moriske ist Geschäftsführer der Kommission Innenraumlufthygiene beim Umweltbundesamt. © Umweltbundesamt

Die Eltern können erst einmal beruhigt sein. Die Erfahrung zeigt, dass die Konzentrationen durch Lüften deutlich zurückgehen.

Könnte man es denn nun beim Lüften belassen?

Nein, das reicht auf Dauer nicht aus. Ab dem Eingriffswert* soll man in jedem Fall Minderungsmaßnahmen ergreifen. Das muss aber nicht heißen, dass die Schule gleich geschlossen wird.

Gibt es Handlungsempfehlungen?

Zwei Verfahren sind etabliert. Das eine wäre, den Fußboden herauszunehmen und die teerhaltigen Materialien zu entfernen. Das ist aber sehr aufwendig und kostet viel Geld. Es gibt aber auch eine Alternativmethode, die sich in der Praxis bewährt hat: eine Versiegelung der Teerplatten mit Aluminiumfolie. In Brandenburg und auch in Schulen in Bayern wurden damit schon Erfolge erzielt. Das Verfahren muss von einer Fachfirma durchgeführt werden, ist aber kostengünstiger. Man muss aber festhalten, dass diese Methode nicht von ewiger Dauer ist. Sie muss nach fünf, zehn Jahren eventuell wiederholt werden.

Erfahrungsgemäß werden Schulen gern in den Sommerferien saniert. Reicht es im Zeithainer Fall aus, bis dahin zu warten?

Wenn die Ergebnisse über dem Richtwert II* liegen, dann reicht das nicht aus. Da muss man stufenweise vorgehen und sollte die bauliche Sanierung der betroffenen Klassenräume zwischendurch in Angriff nehmen – und die Zimmer in dieser Zeit sperren. Der Schulbetrieb kann in dieser Zeit fortgeführt werden, bei Teerklebern ist der Abtransport durch das Gebäude nicht so ein Problem wie zum Beispiel bei Asbest. Es sollte aber regelmäßig gereinigt werden, um zu vermeiden, dass Baustaub in benachbarte Räume gelangt. Schwieriger ist, den Bereich zwischen dem Richtwert I* und dem Richtwert II* einzuschätzen. Da könnte man auch bis zu den Sommerferien warten, das muss man aber im Einzelfall sehen.

Wie häufig treten erhöhte Naphthalin-Werte auf?

Das ist gar nicht mal so ein exotisches Problem. Naphthalin steckt als Altlast in so manchen Gebäuden, in denen Materialien wie Teerpappe oder teerhaltiger Kleber verbaut worden sind – sowohl in Ost- als auch Westdeutschland. Es gibt aber leider keine Statistiken. In den 1960er und 1970er Jahren wurden teerhaltige Materialien und Kleber in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden sehr verbreitet eingesetzt, auch in Lagerhallen, Sporthallen et cetera. In den 1980ern kaum noch. Erst in den 1990ern wurden sie für den Innenraumbereich verboten.

Warum treten die Geruchsbelastungen erst jetzt, mehr als 50 Jahre später, auf?

Das Ausgasen beginnt sofort, aber es wird nicht sofort wahrgenommen. Einmal, weil das Naphthalin vielleicht erst im Unterbau des Fußbodens steckt. Und zum anderen, weil die PAK-Stoffe, zu denen Naphthalin zählt, bei Weitem nicht so flüchtig sind wie beispielsweise Lösungsmittel. Das ist ein schleichender Prozess, der mehrere Jahre bis hin zu Jahrzehnten dauern kann. Es gibt zum Beispiel Fälle, bei denen man den Fußboden erneuert und dabei lösungsmittelhaltige Kleber verwendet hat. Die Lösungsmittel sickerten nach unten, lösten den Teer an – und plötzlich traten massive Geruchsprobleme auf.

* Die Kommission Innenraumlufthygiene des Umweltbundesamtes hat Richtwerte für Naphthalin festgelegt: Der Richtwert I liegt bei 10 Mikrogramm pro Kubikmeter und ist ein Zielwert, der zum Beispiel für Sanierungen angesetzt wird.

Der Richtwert II beträgt 30 Mikrogramm und gilt als Eingriffswert, ab dem Maßnahmen getroffen werden müssen, um gesundheitliche Schäden abzuwenden.

Das Gespräch führte Antje Steglich.