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Die Eis-Pionierin tritt ab

Nach 26 Jahren schließt Gabriele Richter ihre Eisbar „Am Strom“. Ihre Kunden möchte sie noch einmal überraschen.

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© Katja Frohberg

Von Mareike Huisinga

Pirna. Jetzt noch den grünen Eisbecher! Dann sind alle Schalen fein säuberlich in der großen roten Kiste verstaut. Zwar hängt noch das Schild „Eine Eiskugel - 50 Cent“ am Tresen, doch auch damit ist jetzt Schluss. Gabriele Richter schließt nach 26 Jahren ihre beliebte Eisbar „Am Strom“. „Ich finde, ich habe mir die Rente verdient“, sagt die 65-Jährige und lächelt.

Stimmt! Denn die Pirnaerin bewies Mut. Sie gehörte zu den Ersten, die sich in der Marktwirtschaft behaupten konnten. Noch vor dem Fall der Mauer in Berlin machte sie sich selbstständig und eröffnete die kleine Eisbar in ihrem Haus am Wasserwerk in Pirna. Das war am 1. Mai 1989.

Warum gerade Eis? „Weil ich es selber gerne esse, am liebsten Softeis mit Vanille-Geschmack“, sagt Richter spontan. Der Name für das neue Eislokal in Pirna war schnell erfunden: Da das Haus von Gabriele Richter nur einen Katzensprung von der Elbe entfernt liegt und man von der Terrasse einen wunderschönen Blick auf den Fluss hat, nannte sie ihr Geschäft „Am Strom“.

Schwieriger war es, die DDR-Funktionäre von so viel Eigeninitiative zu überzeugen. „Der Rat des Kreises sagte gleich, dass ich kein Eispulver für das Softeis beziehen könne“, erinnert sich Richter. Kein Problem für die Pirnaerin, die sie daraufhin in ihren Wartburg setzte und in Jena Eispulver kaufte. „Direkt vom Lkw“, weiß sie noch genau.

Apfelmus war problematisch

Schwierig war es auch, Obstkonserven für die Eisbecher zu bekommen. Wieder setzte sich die Caféinhaberin in ihren Wartburg und fuhr gemeinsam mit ihrem Mann Karl Heinz nach Berlin. „Dort waren die Läden besser bestückt.“ Und das Apfelmus für den Schwedenbecher? Tja, auch ein Problem. Aber nicht für die pfiffige Gabriel Richter. Sie ging kurzerhand los, sammelte Fallobst, das sie durch die Flotte Lotte drehte. Der Schwedenbecher war gerettet und konnte somit auf die Karte gesetzt werden.

Das Angebot kam an. Immer mehr Gäste besuchten das kleine Eislokal, obwohl es etwas abseits liegt. „Aber ich hatte gute Mund-zu-Mund-Propaganda, sodass immer etwas los war“, blickt Gabriele Richter zurück. Als der Elberadweg ausgebaut wurde, stellte die Unternehmerin sofort ein Plakat mit einem Hinweis auf ihr Lokal an die Trasse. Im Winter standen die Kunden allerdings vor geschlossenen Türen. Geöffnet hatte Richter nur in den Sommermonaten. Müßiggang war aber trotzdem nicht angesagt. Mit Ehemann Karl Heinz verkaufte sie unter anderem auf dem Pirnaer Weihnachtsmarkt selbst gemachten Glühwein, Steak mit Zwiebeln und leckere Schaschlikspieße.

Glühwein und Bratwurst

Apropos Ehemann: Der ist in Pirna auch kein Unbekannter, denn ab der Wendezeit betrieb er einen Imbiss am Zwinger. Legendär war sein Gyros. – Zurück zur Eisbar. Um den Gästen noch einmal Dankeschön zu sagen und sich zu verabschieden, veranstaltet Gabriele Richter an diesem Wochenende einen Eis-Ausverkauf. Außerdem bietet sie Glühwein und Bratwurst für einen geringen Obolus an.

Wer noch eine Erinnerung von dem Lokal haben möchte? Nur zu!

Gabriele Richter verkauft an den beiden Tagen zahlreiches Inventar, wie zum Beispiel Tische und Stühle im Wiener-Café-Haus-Stil sowie eine Kühltheke. Noch einmal schaut sie auf die Terrasse mit der weißen Balustrade und den roten Stühlen, auf denen viele Gäste Eis geschlemmt haben. Gabriele Richter resümiert: „Der Abschied fällt doch etwas schwer. Aber den Kontakt zu den Stammgästen, die schließlich Freunde wurden, werde ich auf jeden Fall halten.“

Geschäftsauflösung und Restverkauf der Eisbar „Am Strom“ am 24. und 25. Oktober von 11 bis 18 Uhr, Am Wasserwerk 1a, Pirna.