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Die einzige Matrose

Kathrin Mutze schert sich nicht um Rollenbilder im Beruf. Sie will nur eins: Als Fährfrau die Elbe befahren.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Auf See geht es verdammt männlich zu. Der Duden hat damit ordentlich zu kämpfen. Zwar verinnerlicht er inzwischen die Bezeichnung „Matrosin“. Bei „Seemännin“ aber wirkt er am Ende seines Lateins und gibt bei „Fahrensmann“ seine geschlechtergerechte Bemühung gleich ganz auf. Kathrin Mutze könnte sich immerhin Bootsfrau nennen. Will sie aber nicht. Sie ist Matrose. Punkt. Die ganze Genderei findet sie nervig. Hat ihr ja bisher auch nichts genützt. Sinnvoll war einzig und allein, den Job, den sie wollte, zu lernen, ihn gut zu können und sich so lange durchzubeißen, bis sie ihn endlich auch dort ausüben darf, wo sie es sich so sehr gewünscht hat: auf der sächsischen Elbe.

Kathrin Mutze hört, riecht und fühlt Gewässer seit ihrer Kindheit. Wenn Wellen an Planken platschen, ist sie daheim. Fahrtwind spüren, Ufer und Auen sehen, das macht sie glücklich. „Mein Vater und mein Großvater waren schon auf See“, sagt sie. Auch privat hatte die Familie ein Schiff. Frachtschiffer wäre Kathrin gern geworden oder Schiffsmechaniker.

Mit ihrer Ausbildung bei der Dresdner Dampfschiffahrt kam sie ihrem Traum so nah wie nur möglich. Dort erlernte sie den Beruf des Binnenschiffers. Bis sie danach jedoch in ihre Heimat zurückkehren konnte, floss noch viel Wasser die Elbe hinunter.

Jetzt sitzt sie im Führerstand der Pillnitzer Autofähre. Seit vergangenem Sommer arbeitet Kathrin Mutze für die Dresdner Verkehrsbetriebe. Die Frühlingssonne scheint heiß durchs gläserne Fahrerhaus. Ein großes Pult mit Schalthebel, Knöpfen, Reglern und Anzeigen breitet sich vor der Frau in dunkelblauer Uniform aus. Kein Zweifel, dass ihr nicht nur das Schiffssteuer, sondern bei Bedarf auch ein Schraubenschlüssel fest in der Hand liegt. Unter ihren Füßen brummt die Maschine mit Wasserstrahlantrieb. Sie zu navigieren, sei besonders schwierig, erklärt die Fährfrau. Dafür aber könne sie bis zu einem Pegelstand von nur 60 Zentimetern noch fahren und sich auf dem Wasser weiter drehen als beispielsweise die Johanna.

Auch auf ihr pendelt die 30-Jährige regelmäßig von Elbufer zu Elbufer und bringt Fahrgäste ans Ziel. In Pillnitz holt Kathrin Mutze ab morgens fünf Uhr über. Halb fünf begrüßt sie die Autofähre in Kleintzschachwitz zum Dienst. An solchen Frühschichttagen klingelt bei ihr zu Hause drei Uhr der Wecker. „Ich bin ein Morgenmuffel und brauche früh meine Zeit.“ Nicht für Föhnfrisuren und Make-up-Schichten, aber für einen starken Kaffee und die Ankunft der Seefahrerseele im neuen Tag.

Dass sie den nun auf den Fähren der Verkehrsbetriebe beginnen darf, ist für Kathrin ein großes Glück. „Während meiner Ausbildung habe ich meinen Mann kennengelernt, und wir haben geheiratet“, erzählt sie. Doch ihr Ausbilder, die Sächsische Dampfschiffahrt, übernahm sie nicht. „Damals gab es in der Region keine Stelle für mich, deshalb haben wir uns entschlossen, Sachsen zu verlassen.“ Ab Anfang 2015 absolvierte sie ihr Schiffsführerpatent für die Weser, legte notwendige Streckenzeugnisse ab und arbeitete zusammen mit ihrem Mann bei einem privaten Fahrgast- und Frachtschiffunternehmen. Später wechselte sie zu einer Schifffahrtgesellschaft in der Saale-Unstrut-Region. „Dort waren wir zwei Jahre beschäftigt, das war ein wirklich tolles Unternehmen.“ Doch es kam in wirtschaftliche Schwierigkeiten, und das Paar ging nach Potsdam. Mit Fahrgastschiffen und Wassertaxis war Kathrin auf der Havel unterwegs. Doch den Stress mit überlangen Diensten und kaum mal einem freien Tag war nur eine Saison lang auszuhalten.

Derweil ergab sich eine großartige Chance. „Die DVB hatte zwei Stellen ausgeschrieben. Das war ein riesiger Glücksfall“, erzählt Kathrin Mutze. Für die Verkehrsbetriebe ebenfalls, und so kehrten die Fährleute im August des vergangenen Jahres zurück in die alte Heimat. „Ich war immer darauf eingerichtet, dass mein Beruf die Bereitschaft verlangt, die Heimat zu verlassen“, sagt Kathrin. „Aber ich bin so froh, wieder zu Hause zu sein.“

Dass damit einhergeht, geregelte Arbeitszeiten und planbare Freizeit zu haben, ist doppelt schön. „Ich darf hier sogar Sommerurlaub machen, das gab es für mich über Jahre nicht.“ Und ein bisschen wie Urlaub ist für die Fährfrau jeder Dienst auf der Elbe. Zumindest, wenn die Sonne scheint und die Menschen ringsum gut gelaunt sind, wenn Kindergruppen Ausflüge machen und tausend Fragen stellen oder Touristen die Fährleute ins Gespräch ziehen. „Wir sind eine Art Ausflugsberater“, sagt Kathrin, die auch so manche Lebensgeschichte ihrer Stammfahrer kennt.

An solchen Tagen zerren keine Windböen an der Fähre und fordern den Schiffsführer heraus.

Die Arbeit fühlt sich an warmen Frühlingstagen ganz anders an als bei Dauerregen und Eiseskälte. All das gehört zu dem Beruf dazu. Das Klima ist rau, nicht nur wegen des Wetters. Zimperlich dürfe man da nicht sein, sagt Kathrin Mutze. „Als Frau muss man sich unter den männlichen Kollegen schon behaupten und braucht ein dickes Fell.“ Doch egal, wohin ihr beruflicher Weg sie auch führte, überall hörte sie die Worte: Endlich mal eine Frau! „Ich war immer die erste und blieb auch die einzige Kollegin.“ Doch darum geht es ihr nicht. Schließlich ist sie vor allem eins: ein leidenschaftlicher Matrose.