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Die ehrgeizige Außenseiterin

Erstmals seit 1984 startet wieder eine Dresdner Eiskunstläuferin bei einer Junioren-WM. Doch Talent Lea Johanna Dastich träumt nicht von einer Medaille, aber von neuen Schuhen.

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© Ronald Bonß

Alexander Hiller

Eine krachende Kampfansage hört sich anders an. „Für mich ist das Dabeisein alles. Darauf habe ich lange hingearbeitet“, sagt Lea Johanna Dastich. Die 15-jährige Dresdnerin meint ihren Auftritt bei der Junioren-Weltmeisterschaft der Eiskunstläufer, die am Montag im ungarischen Debrecen eröffnet wurde.

Die vorsichtige Einschätzung der eigenen Möglichkeiten ist aus Sicht des Eissternchens vom Dresdner Eislauf-Club durchaus nachvollziehbar. Immerhin 32 Jahre ist es her, dass letztmals eine Einzelläuferin aus der sächsischen Landeshauptstadt bei einer Junioren-Weltmeisterschaft startet. Simone Koch (SC Einheit Dresden) verpasste 1984 in Sapporo als Zweite nur knapp die Wiederholung ihres überraschenden WM-Triumphs von 1983.

An solche Platzierungen verschwendet Lea Johanna Dastich keinen Gedanken. Und das ist vielleicht ganz gut so. Weil erstens realistisch. Und zweitens unterwirft sie ihre Psyche somit keiner zusätzlichen Belastung. „Im Vorjahr stand ich auch auf Platz eins der internen deutschen Qualifikationsrangliste für die Junioren-WM. Da durfte ich aber nicht fahren“, blickt sie zurück. „Deshalb fiel mir wirklich ein Stein vom Herzen, als ich vor drei Wochen auch schriftlich die Bestätigung für den WM-Start erhalten habe“, erklärt sie. Auch in dieser Saison lieferte die Sportschülerin die beiden besten Werte einer deutschen Junioren-Eisläuferin ab.

Dass sie damit nicht automatisch zur internationalen Spitze zählt, dürfte dem aufmerksamen Eiskunstlauf-Beobachter nicht entgangen sein. In den Einzel-Disziplinen ist die Weltspitze den Deutschen längst enteilt. Deshalb kann sich Dastich – wenn alles optimal verläuft – Hoffnungen auf einen Platz unter den ersten zehn oder 15 Top-Läuferinnen machen. Als Zehnte würde die einzige startberechtigte deutsche Einzelläuferin zwei Frauen-Startplätze für die nächste Junioren-WM erobern. „Deshalb mache ich mir keinen Druck“, sagt die zierliche Dresdnerin mit Nachdruck.

Lea Johanna Dastich weiß, was sie kann – und was nicht. „Die Besten“, sagt die Dresdnerin durchaus anerkennend, „zeigen zwar ähnliche Sprünge wie ich, aber eben auch Dreifach-Dreifach-Kombinationen, laufen außerdem mit mehr Tempo, ausdrucksstärker und technisch besser.“ An einer doppelten Dreifach-Sprungkombination arbeitet Dastich mit Trainerin Anett Pötzsch derzeit zwar auch, „aber die klappt noch nicht sicher, also lassen wir sie bei der WM noch weg“, sagt die Dresdnerin. Dastich musste nach einem Wachstumsschub zu Beginn der Saison zunächst einmal ihre Körperkoordination wieder hinbekommen. Das hat knapp einen Monat gedauert. Nun ist sie 1,67 m groß und tatsächlich scheinen die ohnehin schon schlaksig anmutenden Extremitäten der zerbrechlich wirkenden Kufenkünstlerin noch ein wenig länger zu sein. „Damals hatte ich eine Phase, da wusste ich nicht so recht, wohin mit den Armen und Beinen. Da war mein Selbstvertrauen weg. Jetzt“, sagt sie keck, „ist es wieder relativ weit oben.“

Anett Pötzsch ist sich allerdings sicher, dass ihr Schützling die Herausforderung in Debrecen meistern werde. „Lea ist fleißig und bei solch großen Wettkämpfen schon erstaunlich nervenstark“, betont die Olympiasiegerin von 1980. Immerhin holte Dastich im Vorjahr Silber bei der Europäischen Winter-Jugendolympiade.

Die vierfache Europameisterin weiß auch wegen ihrer Nebentätigkeit als internationale Preisrichterin, woran sie mit ihrem derzeit stärksten Schützling arbeiten muss. „Wir wissen, was da in Debrecen in der Spitze abgehen wird. Auch deshalb fahren wir nun schon seit drei Jahren regelmäßig nach Toronto ins Trainingslager, um gemeinsam mit Spitzenläuferinnen aus anderen Ländern auf höherem Niveau zu arbeiten“, erklärt die 55-Jährige. Die erste Junioren-Weltmeisterschaft soll für Lea Johanna Dastich neben der großen sportlichen Aufgabe vor allem einen unschätzbaren Lerneffekt erzielen. „Natürlich schaue ich mir an, was die anderen auf dem Eis zeigen“, sagt Lea Johanna.

Sie muss bei ihren eigenen Auftritten ohnehin genügend auf die Zähne beißen. Ihre Schlittschuhe, Größe 40, sind seit dem besagten Wachstumsschub eigentlich etwas zu klein. „Ich habe deshalb einen blauen Zehennagel am rechten Fuß“, sagt Lea Johanna Dastich. Aber sie guckt bei der Erklärung nicht so, als würden ihr die bevorstehenden Schmerzen einen Schrecken einjagen. „Die Schlittschuhe muss man lange einlaufen, deshalb würde es keinen Sinn machen, jetzt noch ein neues Paar auszuprobieren. Aber“, sagt sie schmunzelnd, „ich freue mich auch, wenn die Saison vorbei ist.“ Denn das Ende ist der Anfang. Des Osterurlaubs mit der Familie in Miami nämlich. Sonne satt. Ein bisschen Farbe anstatt der vornehmen Hallen-Blässe. Die Akkus aufladen. Und womöglich die Vorboten für eine Kampfansage vor der neuen Saison.