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Die Drogerie, die über sich hinauswächst

Die Lehmanns aus Wilsdruff konnten sich trotz Konkurrenz behaupten – weil sie sich immer wieder neu erfinden.

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© Andreas Weihs

Von Annett Heyse

Wilsdruff. Es gibt eine Ecke im Laden, die erinnert an das Geschäft, das es früher einmal war. Hier liegen Seife und Handcreme, Waschmittel und Putzlappen, Filme für den Fotoapparat und Spülmittel im Regal. Die Drogerie der Familie Lehmann in der Dresdner Straße in Wilsdruff – sie ist trotz übermächtiger Konkurrenz auf der grünen Wiese und im Internet immer noch da. Was aber nicht am klassischen Sortiment liegt. „Hätten wir nur darauf gesetzt, wären wir längst weg“, sagt Junior-Chefin Katja Lehmann. Dass sich die Lehmanns mit ihrem Geschäft behaupten konnten, liegt wohl vielmehr am unternehmerischen Geschick und einem Spürsinn für die Wünsche der Kunden. Vor allem aber daran, mit der Zeit zu gehen, Trends nicht hinterherzuhetzen, sondern sie selbst zu setzen – auch in einer Kleinstadt wie Wilsdruff. „Stehenbleiben und immer auf die gleiche Art weitermuddeln, funktioniert im Einzelhandel schon lange nicht mehr“, sagt Senior-Chefin Marita Lehmann.

Marita und Bernd Lehmann sind um die 40 Jahre, als die Wende kommt – die Tochter ist zu der Zeit noch Schülerin. Sie betreiben ihre Drogerie damals als HO-Kommissionshandel. Der Laden hat gerade einmal 40 Quadratmeter, es gibt eine Theke und Schränke bis unter die Decke mit Dutzenden Schubladen. Ein richtiger Krämerladen also. Doch schnell merken die Lehmanns, dass sie mit Putzmitteln und Kosmetik, Farben und Lacken, Spirituosen und Gesundheitsartikeln nicht mit den Discountern mithalten können, die ringsherum entstehen. Sie schauen sich um, fahren auf Ausstellungen und Messen, erweitern das Sortiment, vor allem um Geschenkartikel und höherwertige Parfüms. „Wir haben uns selbst gekümmert, haben geschaut, was wir uns leisten können und was zu uns passt“, erzählt Marita Lehmann. Und während andere Wilsdruffer Händler aufgeben, erweitern sie. Erstmals bauen sie 1994 aus und dann nochmals 2001, als die Tochter nach ihrer Lehre mit ins Geschäft einsteigt. 2003 kommt eine Postagentur dazu.

Die Drogisten setzen nun vor allem auf Parfüms, Präsente, Geschenkartikel und sogar Delikatessen. Als die Fotobranche mit dem Ende der analogen Technik einbricht, bauen sie um. Zu den Kerzen gibt es nun Accessoires und Deko, zu den Duschbädern kann man gleich noch Handtücher kaufen, zu den Räucherkerzen werden erzgebirgische Räucherhäuser angeboten. Es gibt eine Ecke mit Weinen aus der Region, Schokolade, abgepackter Feinkost, Likören und Delikatessen. Damit das Rundum-sorglos-Paket stimmt, kann man Geschenke einpacken lassen. „Wir können das mindestens genauso gut wie die Internetunternehmen“, sagt Katja Lehmann. Darüber hinaus biete man eine gute fachliche Beratung an. Firmen lassen hier Geschenke zusammenstellen. Auch einen Einpack- und Lieferservice gibt es.

2015 wird abermals erweitert. Die Lehmanns mögen keine engen Gänge und schummrigen Ecken in ihrem Geschäft. Hell, modern, freundlich soll ihr Laden wirken. Trotzdem haben sie noch das klassische Drogeriesortiment und durchaus mehr, als die großen Händler bieten können. „Bei uns gibt es auch noch Chlorbleiche zu kaufen“, sagt Marita Lehmann. Sogar aus Riesa würden dafür manche Kunden bis nach Wilsdruff kommen.

Damit ihnen die Kunden die Treue halten und möglichst noch viele dazu kommen, lässt die Händlerfamilie regelmäßig einen Newsletter erstellen sowie ein Kundenmagazin produzieren und verteilen. Die Zeitschrift wirbt mit Neuheiten, Angeboten, Rabatten. „Was andere können, können wir schließlich auch“, sagt Katja Lehmann. Eine Entwicklung wie die der Drogerie Lehmann ist allerdings nicht jedem Wilsdruffer Einzelhändler gegeben. Erst vor vier, fünf Jahren gab es ein regelrechtes Ladensterben in der Stadt.

Es traf vor allem kleine Fachgeschäfte, deren Inhaber keinen Nachfolger fanden oder vor der Konkurrenz – der Elbepark ist gerade einmal zehn Autofahrminuten entfernt – kapitulierten. Das merken auch die Drogisten. „Verschwindet die Vielfalt, wird eine Innenstadt unattraktiver“, sagt Katja Lehmann. Doch seit gut einem Jahr scheint sich der Trend umzukehren: Es öffnen wieder Läden in Wilsdruff. So gibt es jetzt zum Beispiel einen weiteren Optiker, einen Spezialisten für Hörgeräte, einen neuen Blumenladen. Darüber freuen sich auch die Lehmanns – Konkurrenz, gleich welcher Art, fürchten sie ohnehin nicht.