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Die drei von der Kirmes

Junge Leute retten eine Tradition – weil sie der älteren Generation etwas zurückgeben wollen.

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© Andreas Weihs

Von Gunnar Klehm

Reinhardtsdorf-Schöna. Schon von Weitem wird sich angelacht. Zur Begrüßung gibt es eine Umarmung. Nichts wirkt aufgesetzt. Hier haben sich drei gefunden, die miteinander können und etwas bewegen wollen. Tina Honnes, Anja Schatlowski und Tobias Bucher haben sich in einem Biergarten auf dem Marktplatz in Pirna verabredet, um noch mal die Reinhardtsdorfer Kirmes auszuwerten, die vor zwei Wochen über die Bühne ging. Manche nennen sie die Retter. So heldenhaft finden die drei es dann aber doch wieder nicht, was sie getan hatten.

„De Hutzenbossen“ brachten Stimmung auf die Kirmes in Reinhardtsdorf. Auch die „Dörfler“ kamen gut an.
„De Hutzenbossen“ brachten Stimmung auf die Kirmes in Reinhardtsdorf. Auch die „Dörfler“ kamen gut an. © Nicole Schmidt

Im Frühjahr kamen sie bei einer Krisensitzung im Vereinsheim in Reinhardtsdorf zusammen. Die traditionelle Kirmes stand auf der Kippe. Das ist das einzige Großereignis für alle drei Ortsteile der Gemeinde. Nach dem Unwetter-Desaster im vergangenen Jahr fehlte den bisherigen Organisatoren Geld, Motivation und das Vertrauen der mithelfenden Vereine. Tina Honnes und Anja Schatlowski kennen sich schon aus der Schule. Die beiden 28-Jährigen hatten sich verabredet, wollten unbedingt dabei sein, wenn über die Zukunft „ihrer“ Kirmes entschieden werden soll. So sehr fühlen sie sich mit dem Fest verbunden. „Wir haben seit unserer Kindheit so viele schöne Erinnerungen daran, das musste doch weitergeführt werden“, sagt Tina Honnes.

Ideen gab es einige. Künstler waren auch schon avisiert. Ein paar Leute sagten ihre Hilfe zu. Nur die Verantwortung, die wollte keiner übernehmen. Da sagten sich die beiden Frauen, dann machen wir das eben. Ohne vorherige Absprache stimmte auch Tobias Bucher mit ein. Man kennt sich im Ort. Sie meinten es ernst.

Geld hatten die drei zwar auch nicht. Wie viel Rückhalt sie von den Vereinen bekommen würden, war unklar. Nur eines hatten sie: jede Menge Motivation. „Mit jeder Versammlung, die wir zur Kirmes abgehalten hatten, wuchs dann das Vertrauen der anderen in uns“, sagt Tina Honnes. Das zu spüren, sei schön gewesen und dann auch die vielen Dankesworte, die sie während der Kirmes erhalten hatten. Die geben sie postwendend zurück. Besonders ihre Familien hatten sie unterstützt, aber auch Freunde, die Gemeinde und später auch die Vereine. Schließlich haben es die jungen Leute gepackt und ihre Kritiker überzeugt.

Bis zuletzt bangten sie, ob alles laufen würde, wie sie es sich vorgestellt hatten. Bei den Künstlern konnten sie nichts mehr ändern, die waren bei ihrer Übernahme schon gebucht. Aber es hatte gepasst. „Das war wunderbar. Für jede Generation war was dabei. Für uns Ältere war es am Sonntag besonders schön“, sagt der Postelwitzer Christian Bucher. Das habe auch nichts damit zu tun, dass einer der Verantwortlichen sein Enkel ist, wie er erklärt. Bei der Dekoration steuerten Blumengeschäfte und die Agrargenossenschaft was bei. Der Kindergarten bastelte. Wie viel Herzblut der ganze Ort in die Kirmes steckte, wurde von vielen Gästen geradezu bewundert.

Doch hat sich der Aufwand gelohnt? Verschwörerisch gucken sich die drei an und schmunzeln. Die genaue Zahl gebe es zwar noch nicht, weil noch einige kleine Rechnungen offen sind. „Aber es ist alles im grünen Bereich“, sagt Anja Schatlowski. Die Betriebswirtin behält den Überblick übers Geld. Tina Honnes ist die geschickte Verhandlerin und Diplomatin im Team. Den 33-jährigen Tobias Bucher könnte man als ideenreichen Macher bezeichnen.

Feedback ist der Lohn

Am zweiten Abend hatten sie den ersten kleinen Kassensturz gemacht. Da waren zwei Drittel der nötigen Einnahmen rein. Ein Wetterumschwung war auch nicht zu erwarten. „Da ahnten wir, dass die Bilanz am Ende stimmen wird“, sagt Tobias Bucher. Der Überschuss steht zum großen Teil den mithelfenden Vereinen zu. Die endgültige Bilanz soll es zum großen Auswertungstermin des Kulturkreises Kirmes am 23. Oktober geben. Sie selbst verdienen daran nichts.

Hätte es die Kirmes ohne sie nicht gegeben? Das sei etwas übertrieben, finden sie. Ohne die Hilfe der anderen hätte es ja auch nicht funktioniert. Finanziell habe beispielsweise die Volksbank Pirna geholfen. Nicht direkt mit Geld, sondern mit Werbe-Mehrwegbechern. So konnte das für Becher eingeplante Budget gespart werden.

Nach ihrer Motivation gefragt, warum sie die viele Arbeit auf sich genommen haben, müssen die drei nicht lange überlegen. Vielfältig sind die Antworten dennoch. „Wir sind doch jetzt die Generation, die mehr Verantwortung übernehmen muss. Das können wir doch nicht den Rentnern überlassen“, sagt Tina Honnes. „Wir sind hier so behütet aufgewachsen, dafür sind wir dankbar und können der älteren Generation nun was zurückgeben“, ergänzt Anja Schatlowski. „Das Feedback der Leute war unser Lohn“, sagt Tobias Bucher.

Die Planungen fürs nächste Jahr haben schon begonnen. Eine kleine Pause wollen sie sich aber zur Faschingszeit gönnen, damit sie selbst mal stressfrei feiern können.