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„Die Dorfteiche sind ausgetrocknet“

In Zeithain gibt es Kritik am Kiesabbau – in Mühlberg hat sich längst eine Bürgerinitiative gegründet. Die SZ sprach mit der Vorsitzenden Sigrid Käseberg.

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© Frank Claus

Mühlberg. Frau Käseberg, eine Tageszeitung nennt das Gebiet um Mühlberg und Altenau die größte Kiesgrube Europas. Welche Flächen sind tatsächlich betroffen?

 Die Bürgerinitiative „Für eine Heimat mit Zukunft“ warnt vor deren Auswirkungen – Uve Gliemann (li.), Chef der Agrargenossenschaft Mühlberg, Sigrid Käseberg (re.) und Sonja Käseberg diskutieren vor Ort mit Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer.
Die Bürgerinitiative „Für eine Heimat mit Zukunft“ warnt vor deren Auswirkungen – Uve Gliemann (li.), Chef der Agrargenossenschaft Mühlberg, Sigrid Käseberg (re.) und Sonja Käseberg diskutieren vor Ort mit Wirtschaftsstaatssekretär Hendrik Fischer. © Frank Claus

Abgegraben wurden seit 1968 bereits mehr als 500 Hektar Land. Zum größten Teil sind offene Wasserflächen entstanden. In Betrieb sind zurzeit das Werk Altenau von der Berger Rohstoffe GmbH mit 133 Hektar und das Werk II von der Elbekies GmbH Eurovia mit 420 Hektar. Das ist noch etwa zwei bis drei Jahre in Betrieb. Mit der Süderweiterung von Werk II beginnt in diesem Jahr die Abgrabung auf einer Fläche von weiteren 53 Hektar.

Das ist aber noch nicht das Ende der Fahnenstange, oder?

Zurzeit läuft das Rahmenbetriebsplanverfahren für die Erweiterung des Kiesabbaus in Altenau von 161 auf 266 Hektar. Hierfür sollen ein zusätzlicher Gleisanschluss und eine zusätzliche Aufbereitungsanlage entstehen. Ein weiteres Planfeststellungsverfahren für das Werk V der Elbekies GmbH Mühlberg wird Ende des Jahres erwartet. Hier geht es um eine Fläche von insgesamt 360 Hektar. Die Elbekies GmbH ist weiterhin in Besitz von zusätzlich 648 Hektar Bergwerkseigentum. Insgesamt bestehen Bergbauberechtigungen für eine Fläche über 2 104 Hektar.

Ihr Verein „Für eine Heimat mit Zukunft“ hat sich 2015 gegründet, um sich gegen die Ausbreitung des Kiesabbaus zu wehren. Welche Nachteile befürchten Sie für die Region?

Werden die Pläne der Kieswerkbetreiber umgesetzt, wird die Gemeinde Altenau zu 93 Prozent vom Kiesabbau umgeben sein. Die Einwohner sind jetzt bereits einer hohen Lärmbelästigung vor allem in den Nachtstunden durch den Abbau ausgesetzt. Hinzu kommt der Lkw-Verkehr am Tage, welcher auch die Gemeinde Burxdorf stark belastet. Aufgrund des Bundesberggesetzes und den Festlegungen im Einigungsvertrag erhält der Eigentümer des Grund und Bodens aber – anders wie in den alten Bundesländern – keine anteilige Vergütung des Bodenschatzes. Aufgrund des beharrlichen Druckes seitens der Bürgerinitiative gibt es nun wenigstens erste Bemühungen der Kieswerkbetreiber, stillgelegte Flächen zu rekultivieren und für die Einwohner wieder nutzbar zu machen.

Das geplante Elbekies-Werk V rückt sehr nah an die Elbe heran.

Der Boden hier ist besonders ertragreich und klimaresistent. Der Verlust dieser hochwertigen Ackerböden wird existenzbedrohend für die Landwirte sein. Die Elbauen mit den tiefen Kiesschichten sind auch besonders wertvoll als Grundwasserspeicher für die Trinkwasserversorgung. Durch die großflächige Freilegung des Grundwasserkörpers bis in eine Tiefe von 40 bis 50 Meter besteht eine hohe Gefahr der Verschmutzung – besonders bei Hochwasser, sollte es zu einer Überflutung kommen. Die Einwohner bemerken auch eine Absenkung des Grundwasserspiegels. Die Dorfteiche sind ausgetrocknet.

Die Abbaugebiete sind nur einen Steinwurf von Zeithain und Gröditz entfernt. Werden die Menschen dort Folgen des Kiesabbaus in Brandenburg spüren?

Die Bürgerinitiative setzt sich für die Erarbeitung eines unabhängigen Grundwassermonitorings unter Einbeziehung der sächsischen Kieswerke ein. Inwieweit die sächsischen und brandenburgischen Kiesabbaugebiete sich auf das Territorium auswirken, können wir leider nicht einschätzen. Leider ist es so: Wenn eine Auswirkung bemerkt wird, ist es meistens zu spät.

Auch in Zeithain laufen derzeit Vorbereitungen für die Erweiterung der Kiesabbauflächen von ard und Holcim. Es gibt viel Kritik – allerdings lange nicht so laut wie in Mühlberg.

Unsere Erfahrungen der letzten drei Jahre zeigen, dass wir etwas bewegen können. Wir werden in der Öffentlichkeit und Politik wahrgenommen. Gerade auch in Bezug auf den Hochwasserschutz ist ein Grundwassermodell besonders wichtig, zum Beispiel in Bezug auf die Grundwasserströmungen im Hochwasserfall. Dies findet in den bisher erarbeiteten hydrologischen Gutachten keine Beachtung.

Die Genehmigungen für den Kiesabbau in Zeithain wurden aber längst erteilt.

Sind die Pläne bereits genehmigt, kann man nichts mehr ändern. Es kann aber Einfluss auf die Erfüllung der landschaftspflegerischen Begleitpläne und die Festlegungen in den Rahmenbetriebsplänen genommen werden.

Wo setzt Ihr Verein derzeit konkret an?

Unser Ziel ist die Verhinderung des Abbaus der Elbaue. Unsere Hoffnung sehen wir zum einen in der Erarbeitung des hydrologischen Gutachtens, zum anderen in der Erarbeitung eines Regionalplanes, in welchem ähnlich wie in Mecklenburg-Vorpommern die Ackerböden geschützt werden. Den Bahnanschluss für das Kieswerk Altenau wollen wir verhindern. Dieser Anschluss begünstigt den Abtransport des Kieses an Fernmärkte in sehr großen Mengen. Wir kämpfen gegen die Lärmbelästigung, vor allem in den Nachtstunden, und fordern ein unabhängiges Lärmgutachten. Wir setzen uns für eine Rekultivierung und Renaturierung ein, damit unsere Heimat auch zukünftig lebenswert bleibt. An einer Zusammenarbeit mit kritischen Einwohnern aus Sachsen sind wir sehr interessiert: Gemeinsam können wir mehr erreichen.

Die Fragen stellte Antje Steglich.

www.fuer-eine-heimat-mit-zukunft.de