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Die blaue Kapelle

Der kleine Konzertsaal in Nentmannsdorf ist beliebt. Doch dann war er wie verschwunden.

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© Dirk Zschiedrich

Von Heike Sabel

Bahretal. Langsam wird es eng. Vier Orgeln stehen jetzt in der kleinen Kapelle von Siegfried Creuz in Nentmannsdorf. Die größte wie es sich gehört oben auf der Empore. Die nächstgrößere steht vorn in der Mitte, rechts vom Eingang duckt sich halb unter die Treppe die kleinste und auf der anderen Seite steht die mit dem Brummbass. Siegfried Creuz spielt zwei Pfeifen und die klingen tatsächlich wie ein brummender Bass. Diese Orgel wird wohl die letzte sein, die Siegfried Creuz gebaut hat.

Die Kapelle hat er vor sieben Jahren gebaut, damit seine Garagen-Orgeln ein Zuhause bekommen. Schon damals gab es Konzerte. Seit der Kapellen-Eröffnung hat es sich herumgesprochen, dass Siegfried Creuz und seine Lebenskameradin Heidrun Halx hierher einladen. Seit 2012 kann in der Kapelle zudem geheiratet werden. Dieses Jahr waren es bereits 33 Paare, die ersten für nächstes Jahr haben sich schon angemeldet.

Die Orgel vorn in der Mitte würde sich auch als Altar eignen. Das Bild des letzten Abendmahls, das rechts davon an der Wand hängt und das Heidrun Halx und Siegfried Creuz in Berchtesgaden anfertigen ließen, passt perfekt. Die Halterung für die Noten hält dann das Bild und fügt sich gleichzeitig als Decke in das Bild ein. Siegfried Creuz ist inzwischen 78 und denkt langsam darüber nach, was mit der Kapelle und den Orgeln wird. Er will beide in guten Händen wissen. Eine Hoffnung ist ein junger Mann aus Berthelsdorf bei Neustadt, Tom Adler. Siegfried Creuz und Heidrun Halx lernten ihn über eine Besucherin kennen, die sie auf ihn aufmerksam machte. Der 17-jährige Schüler komponiert, dirigiert, spielt Orgel. „Bei ihm klingt alles so harmonisch, wie bei Schubert und Schumann“, sagt Heidrun Halx. Sie war mit 33 schon Kammersängerin und sang viele Jahre in der Leipziger Oper. Über den Sommer hat sie wieder komponiert. Stücke, die sie dann den Besuchern vorspielt.

Das ganze Jahr über kommen sie. Familienfeiern, Klassentreffen, Wandergruppen. Nur im Dezember vorigen Jahres war der Andrang größer als diesmal. Siegfried Creuz wunderte sich. „Sonst hatten wir massenhaft Anrufe.“ Durch Zufall entdeckte er die Ursache: das Telefonbuch. Er schaute wie sonst unter Liebstadt und C. „Mein Name fehlte“, stellte er verdutzt fest. Wo sonst etliche mit C aufgeführt waren, standen nur noch drei. Siegfried Creuz war nicht dabei. Plötzlich gibt es im Telefonbuch Bahretal, der Name, der für den Zusammenschluss von Nentmannsdorf, Niederseidewitz, Ottendorf, Borna, Friedrichswalde, Gersdorf, Göppersdorf, Wingendorf und Seidewitz steht. „Das ist doch ein richtiger Kuddelmuddel.“

Verzappt hat in die Deutsche Telekom (DeTe) Medien GmbH, die mit 102 Partnerfachverlagen Herausgeber der Telefonbücher ist. Das für Bad Gottleuba und Umgebung ist ab 2012 entfallen. Danach wurden die Nentmannsdorfer dem Heidenauer Buch und dort Liebstadt zugeordnet. Das ging ja noch. Aber es war nicht die letzte Änderung. Wieder wurden neue Abschnitte eingerichtet, sagt die DeTe. Nun also muss man wissen, dass all die reellen Orte dem künstlichen Ortsnamen Bahretal zugeordnet sind. Und das im Buch Heidenau. Dabei ist die Stadt weiter von Nentmannsdorf entfernt als Gottleuba. „Bislang haben wir hierzu keine negative Resonanz von Teilnehmern oder Nutzern erfahren, im Gegenteil wurde der neue Buchzuschnitt positiv angenommen“, sagt DeTe-Sprecher Michael Hein-Beuting. „Aber nur weil wir ihn nicht angerufen haben“, sagt Creuz. Er hofft nun auf die Pfiffigkeit der interessierten Besucher.

Schnäppchen zum Sternenhimmel

Alles ist vorbereitet. Der Weihnachtsbaum ist mit vielen verschiedenen Dingen geschmückt. „Alles Geschenke von Besuchern“, sagt Heidrun Halx. Siegfried Creuz streicht immer wieder über die Stühle. Der Stoff fasziniert ihn. So weich wie Leder, so samtig wie Plüsch. Die blauen Stühle waren ein Schnäppchen. Lange haben die beiden danach gesucht. Die Farbe musste genau zum Sternenhimmel hinter der Orgel passen. 62 Stühle stehen in der Kapelle, ein paar können noch in den Gang, wenn der Andrang besonders groß ist. Siegfried Creuz hat die Stühle auf Brettern befestigt, damit sie nicht hin- und herrutschen. Eben Handwerker. Mit Sinn für Musik.

Konzert, 18. Dezember, 16.30 Uhr, Anmeldung notwendig unter:der Telefonnummer 035025 51669