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Biber erobern die Stadt

Die scheuen Tiere verteilen sich mittlerweile überall in der Stadt. Dort knabbern sie am liebsten an Bäumen. Ihre Leidenschaft kann für Spaziergänger allerdings gefährlich werden.

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© Christian Juppe

Von Julia Vollmer

Dresden. Es raschelt in der Uferböschung. Fünf Meter neben dem Fährgarten Johannstadt, wo sonst die Dresdner ihr Feierabendbier genießen, huscht ein Biber in seine Burg. So heißen die Höhlen aus Zweigen und Gras, die die Tiere für ihre Jungen bauen. Im Biergarten sitzt gerade niemand, denn es ist sechs Uhr am Morgen. Die Sonne geht auf. Die Tiere sind äußerst scheu und lassen sich nur blicken, wenn keine Menschen in der Nähe sind, erzählt Harald Wolf, Biberexperte aus dem Umweltamt.

Denn früh am Morgen sind die Nager am liebsten unterwegs.
Denn früh am Morgen sind die Nager am liebsten unterwegs. © Stefan Scharf

Die scheuen Nager verteilen sich überall in der Stadt. Und es gibt so viele von ihnen wie nie zuvor. Derzeit schätzt Harald Wolf die Zahl der Tiere auf 35 bis 45. Darunter Einzeltiere, Paare ohne Junge und Familien mit zwei Eltern und zwei bis drei Jungen. Während 2007 noch neun bis zehn der Nager-Reviere besetzt waren, sind es heute dreizehn, sagt Wolf. Er schätzt, dass es in Dresden ein Viertel mehr Tiere gibt als noch vor zehn Jahren. In ganz Sachsen leben derzeit etwa 1 600 Biber.

Sie bevorzugen fließende Gewässer, sind daher neben der Johannstadt besonders in der Neustadt an der Prießnitzmündung aktiv. Auch in der Kiesgrube in Zschieren und im Pieschener Hafenbecken wurden sie schon gesehen. „Am Loschwitzer Hafen, in Stetzsch und Lockwitz sind sie ebenfalls unterwegs“, so Wolf. Eingreifen in die Lebensräume der Tiere muss das Umweltamt nicht, sie verteilen sich selbst. Biber sind sehr soziale Tiere, leben in Familienverbänden. Pro Gebiet gibt es immer nur eine Familie, die Konkurrenten werden weggebissen. Bis sie zwei Jahre alt sind leben die Kinder bei ihren Müttern. Danach werden sie von ihnen vertrieben und müssen selbstständig werden. Die Plattschwänze siedeln sich dort an, wo es genügend Nahrung gibt. Im Sommer knabbern die Vegetarier über 70 verschiedene Pflanzenarten, so der Biberexperte. Im Winter Rinde und Zweige.

Nicht nur Pflanzen gehören zu den Leibspeisen der Nager, sondern auch Bäume. In der Johannstadt haben sie schon ganze Weiden gefällt. Innerhalb von vier Tagen nagen sie einen Baum mit einem Stammdurchmesser von 40 Zentimetern locker durch. Das Umweltamt muss handeln, damit die umstürzenden Bäume nicht auf Spaziergänger fallen. Die Bäume werden mit sogenannten „Drahthosen“ ummantelt, um sie zu schützen. Harald Wolf hat noch einen anderen Trick: Er bepinselt die Weiden und Schwarzpappeln mit einem Sandanstrich, das mögen die Nager nicht und lassen die Bäume in Ruhe. Zehn Liter Anstrich kosten rund 80 Euro.

Nicht nur in der Johannstadt, auch im Freibad Wostra siedelten sich die Nager an. Auch hier wurden die Bäume mit Draht umwickelt. In den anderen Freibädern gebe es keine Probleme, sagte Bäder-Sprecherin Dörte Gregor. Auf den Spuren der Biber sind auch die Kleingärtner vom Blasewitzer/Grunaer Landgraben. Sie haben die Tiere unweit ihrer Parzellen am Frida-Markt auf der Tolkewitzer Straße entdeckt. „Die Biber haben einen rund 75 Zentimeter hohen Damm aus Weiden gebaut“, erzählt Rainer Krause, Vorsitzender des Blasewitzer Kleingartenverbandes.

Das Umweltamt ließ den Damm entfernen. Das Wasser könnte bei einer Flut sonst nicht richtig ablaufen. Schaden angerichtet haben die Nager auch schon im Abwasserpumpwerk an der ehemaligen Kläranlage Schönfeld. Dort setzte ein Biberdamm ein Steuerkabel unter Wasser. Hier wurde ein Abflussrohr eingebaut und der Wasserspiegel sank wieder. Das Umweltamt schätzt die Kosten dafür auf knapp 1 000 Euro. Angst vor umgestürzten Strommasten wie im Tschechischen Grenzdörfchen Dolní Žlebin der Böhmisch-Sächsischen Schweiz müssen die Dresdner aber nicht haben. Dort fielen angenagte Bäume auf die Strom-Freileitungen. „In Dresden gibt es so gut wie keine solcher Leitungen, sie verlaufen alle unterirdisch“, gibt Drewag-Sprecherin Gerlind Ostmann Entwarnung.

Obwohl sich die Biber stark vermehren, dürfen sie anders als zum Beispiel die Füchse nicht gejagt werden. Sie stehen unter strengem Naturschutz. Die Jagd auf Biber ist in ganz Sachsen verboten und steht unter Strafe, so die Jagdbehörde. Gesundheitsgefahren gehen von den Tieren aber nicht aus. „Sie sind keine Krankheitsüberträger auf den Menschen“, sagte Biber-Experte Harald Wolf. Die größte Gefahr für die Biber selbst sind Schiffsschrauben, Angler und frei laufende Hunde. Diese sollten an der Elbe unbedingt angeleint werden, betont Harald Wolf. Denn die Nager können auch die Hunde stark verletzen.