Merken

Die Besserverdiener

Viele deutsche Sparkassen-Vorstände verdienen mehr als die Bundeskanzlerin. Das gilt auch für die meisten Vorstände in Sachsen. Das Gehaltssystem wirkt willkürlich.

Teilen
Folgen
© dpa

Von Nora Miethke, Jonathan Sachse und Simon Wörpel

Über das Gehalt von Sparkassen-Vorständen ist oft gestritten worden. Sogar im Bundestagswahlkampf. „Nahezu jeder Sparkassendirektor in Nordrhein-Westfalen verdient mehr als die Kanzlerin“, sagte Peer Steinbrück vor vier Jahren. Das Recherchezentrum Correctiv und die Frankfurter Allgemeine Zeitung haben nun die Gehälter von rund 70 Prozent aller Sparkassenvorstände ausgewertet. Das Ergebnis: Steinbrück hat noch untertrieben. Tatsächlich zahlen knapp 60 Prozent der ausgewerteten Sparkassen ihren Vorständen mehr als die etwa 282 000 Euro, die Merkel als Kanzlerin inklusive ihrer Bezüge als Abgeordnete erhält.

In einer neuen Datenbank finden sich die Vorstandsgehälter von 287 der damals noch 417 Sparkassen aus dem Jahr 2014. Die Daten haben Journalisten gemeinsam mit Lesern aus den Jahresberichten der Sparkassen zusammengetragen.

Spitzenreiter in Deutschland sind die Vorstände der Hamburger Sparkasse, sie erhalten durchschnittlich 853 000 Euro. Dahinter folgt die Kreissparkasse KölnBonn. Die vier Vorstände bekamen im Schnitt 704 280 Euro. Die Ostsächsische Sparkasse Dresden (OSD) rangiert auf Platz elf mit einer Durchschnittsvergütung je Vorstand von 535 000 Euro – und damit hinter der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig, die auf dem neunten Platz liegt. Sie zahlte je Vorstand rund 542 000 Euro – obwohl die Bilanzsumme drei Milliarden Euro niedriger ausfiel als bei der OSD.

Zum Vergleich: Die Vorstände der Commerzbank verdienten 2014 durchschnittlich 1,3 Millionen Euro, bei der Deutschen Bank rund fünf Millionen Euro. Aber die kommunalen Sparkassen erheben den Anspruch, anders zu sein. Kunden- und gemeinwohlorientiert, gelebte soziale Marktwirtschaft, wie es oft vollmundig heißt.

Auffällig zudem: Chefs kleiner Sparkassen verdienen bisweilen mehr als die Vorstände deutlich größerer Kreditinstitute. Setzt man Bilanzsumme und Kreditvolumen ins Verhältnis zu den Vorstandsgehältern, fallen Gehaltssprünge auf.

Die Sparkasse Niederschlesien-Oberlausitz hatte 2014 eine Bilanzsumme von 2,9 Milliarden Euro und 590 Mitarbeiter. Die zwei Vorstände verdienten durchschnittlich 437 000 Euro. Dagegen hatte die Ostsächsische Sparkasse Dresden dreimal so viele Mitarbeiter und das Vierfache der Bilanzsumme. Die Vorstände erhielten „nur“ knapp 100 000 Euro mehr als bei der Sparkasse in der Oberlausitz. 2014 hatte diese 44 Filialen. Heute sind es noch 37, und bis zum Jahr 2020 will das Geldhaus sechs weitere Filialen schließen und Stellen abbauen. Vorstandschef Michael Bräuer rechtfertigte das Sparprogramm im Interview mit der SZ im vergangenen April mit den Folgen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Auf Nachfrage der SZ, ob die Vorstandsgehälter gerechtfertigt sind, verwies das Kreditinstitut am Donnerstag auf den Ostdeutschen Sparkassenverband (OSV).

Ähnlich unverhältnismäßig erscheinen die Gehälter bei der Sparkasse Meißen mit jeweils rund 373 000 Euro. Gemessen an ihrer Bilanzsumme zahlen Mittelsachsen, Vogtland und Meißen insgesamt am meisten Vorstandsgehälter, Leipzig und Dresden am wenigsten, obwohl sie die größten Sparkassen sind. Meißen erwirtschaftete 2014 nur rund ein Fünftel der Bilanzsumme der OSD. Auch das verwaltete Kreditvolumen betrug nur ein Fünftel der Dresdner. „Die Gehälter der Sparkassenvorstände im Ostdeutschen Sparkassenverband sind marktüblich und richten sich nach den Vergütungsempfehlungen des OSV“, sagt Sprecher Ralf Krumbiegel von der Sparkasse Meißen dazu. Diese Empfehlungen seien mit der Sparkassenaufsicht, die in Sachsen zum Finanzministerium gehört, abgestimmt. Jeder Vertrag eines Vorstands muss von der Sparkassenaufsicht abgesegnet werden. Vom OSV selbst war nicht mehr zu erfahren.

In Bayern gibt der Sparkassenverband verbindliche Richtlinien für die Höhe der Vorstandsgehälter vor, in Sachsen Empfehlungen, die nicht veröffentlicht werden. Die Folge: In Bayern verdienen die Vorstände im Schnitt auch weniger. Beim Bundesländer-Vergleich muss man beachten, dass Correctiv erst Daten von 287 von insgesamt 416 Sparkassen auswerten konnte. In Sachsen gibt es keine Werte für Bautzen, Döbeln, Muldental und Chemnitz. Von den sieben halbwegs „vollständigen“ Bundesländern, wo Daten für mehr als 60 Prozent der Sparkassen vorliegen, landete Sachsen hinter Nordrhein-Westfalen auf Platz zwei, was das durchschnittliche Vorstandsgehalt betrifft, gewichtet nach der Größe der Sparkassen. Da die Vergütungsempfehlung des OSV geheim bleibt, ist unklar, in welcher Höhe die Sparkassen in Sachsen ihren Vorständen Boni zahlen. In Hessen etwa gilt die Empfehlung, die Prämie sollte nicht mehr als 15 Prozent des Festgehalts ausmachen. 32 Sparkassen hielten sich nicht daran.

Das gemeinnützige Recherche-Zentrum Correctiv und Journalisten der Frankfurter Allgemeine Zeitung wollen herausfinden, wie es den noch 416 deutschen Sparkassen geht. Dafür wurde von den Beteiligten die Plattform Crowdnewsroom.org entwickelt. Dort können auch Leser der Sächsischen Zeitung eingeben, was sie über ihre Sparkasse wissen.