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Die Angst vor dem Drohbrief

Eine rechtsextreme Straftat gegen einen syrische Flüchtlingsfamilie in Gorbitz wurde jetzt bekannt. Die Zeilen des Drohbriefes schlagen hohe Wellen.

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© Sven Ellger

Von Lars Kühl

Das syrische Ehepaar versteht die Worte nicht sofort, als es den Zettel aus dem Briefkasten holt. Erst seit wenigen Wochen leben die Kriegsflüchtlinge mit ihren drei Kindern in Dresden. Von der Stadt haben sie eine Wohnung in Gorbitz zugewiesen bekommen. Die Botschaft in dicken Druckbuchstaben versuchen die Syrer, mithilfe des Internets zu übersetzen. Langsam erahnen sie, dass der anonyme Brief eine Drohung ist. Eine Morddrohung.

So soll es am 11. November geschehen sein, wird sich unter Kollegen erzählt. Sagt Sören Bär. Er ist Sozialarbeiter im benachbarten Kindertreff Puzzle in der Sanddornstraße. Das MDR-Magazin „Exakt“ hatte den Drohbrief mit den Worten „Sieg heil! Wir wollen euch nicht haben, versteht ihr es nicht? Macht euch weg, sonst machen wir es!“ am Mittwoch öffentlich gemacht.

Der Brief passe ins derzeitige Stimmungsbild in Gorbitz, erklärt Bär. Das Zusammenleben zwischen Ausländern und Einheimischen wäre teilweise schwierig. Von Beschimpfungen und Rempeleien hat Bär ebenso gehört. Dass Gorbitz deshalb ein Nazi-Problem habe, dem widerspricht er vehement. Bei ihm im Treff seien auch viele Kinder aus Syrien. Die kämen bestens mit den Deutschen klar. Trotzdem ist nicht nur der Sozialarbeiter der Meinung, dass nun endlich etwas passieren müsse.

Am Mittwoch gab es ein Treffen im Quartiersmanagement. Mit der Polizei, Jugendvertretern und dem Sozialamt. Konkret wurde es dabei kaum. Obwohl die Zahl der Asylsuchenden im Stadtteil in den vergangenen Monaten von 200 auf 488 angestiegen ist. Trotzdem sind das bei rund 20 000 Gorbitzern gerade einmal 2,4 Prozent. Wie viele Sozialarbeiter sie betreuen, sagt die Stadt nicht, räumt aber ein, dass es deutlich zu wenige sind. Viele Gorbitzer haben jetzt jede Menge Fragen. „Es gab zu lange zu wenige Informationen“, erklärt Quartiersmanager Wolfgang Müller.

Seit Ende Oktober hat die Einrichtung von der Stadt den Auftrag, sich intensiver dem Thema Asylbewerber zu widmen. Als erste Reaktion gibt es jetzt eine wöchentliche Runde „Gorbitz gibt Asyl“. Im Viertel an der Harthaer Straße soll zudem eine Anlaufstelle eingerichtet werden. Die Nachbarn sollen sich besser kennenlernen. Für die Opfer der Morddrohung kommt das Angebot zu spät. Aus Angst scheuen sie die Öffentlichkeit. Ihr Betreuer Felix Keil von der gemeinnützigen Radebeuler Sozialprojekte GmbH will auch nicht sagen, wie es ihnen geht. Er habe der Familie geraten, nicht allein auf die Straße zu gehen und sich nicht im Dunkeln draußen aufzuhalten, sagte er dem MDR. Die Polizei jedenfalls nimmt den Brief ernst und ermittelt weiter, erklärte eine Sprecherin des operativen Abwehrzentrums gestern.

In Gorbitz kämpfen mittlerweile viele Initiativen und Akteure gegen rechtsextreme Tendenzen. Durchaus mit Erfolg, denn zuletzt galt der Stadtteil in dieser Hinsicht nicht als Problemgebiet. In den vergangenen Monaten gab es allerdings Rückschläge, wie massive Hakenkreuzschmierereien und ein Angriff von Vermummten auf Ausländer an einer Straßenbahnhaltestelle. Der Drohbrief ist ein trauriger Höhepunkt. „Diese Tat sollte auch denen zu denken geben, die unter dem Deckmantel von Pegida versuchen, Ausländerhass und Intoleranz salonfähig zu machen“, erklärt Sozialbürgermeister Martin Seidel (parteilos). „Familien zu bedrohen, die vor dem Bürgerkrieg geflohen sind und bei uns zu Recht Schutz suchen, ist einfach nur abscheulich.“