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Die andere Stimme von Aschenbrödel

Die Sängerin Carinha bereichert seit 2009 die Ausstellungen zum Kultfilm. Mit ihrer Musik, aber auch mit einem eigenen Wintermärchen.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Moritzburg. Der Monströsensaal in Schloss Moritzburg ist für Carinha K. Bleckert ein ganz besonderer Ort. Hier, in dem einstigen Audienzsaal, hat für die Sängerin aus Göttingen ein ganz persönliches Märchen seinen Lauf genommen. Eines, das viel mit dem Aschenbrödel-Film zu tun hat, aber weit darüber hinaus geht. Und das noch immer andauert.

Entscheidend ist der Moment 2009, als sie zur feierlichen Eröffnung der ersten Aschenbrödel-Ausstellung ihre eigene Version der Titelmusik von Karel Svoboda präsentieren darf. Zu einem neuen Arrangement mit Harfe, Cello und Klavier singt sie erstmals vor großem Publikum ihren selbst geschriebenen englischen Text „Believe in three hazelnuts“.

Rund 300 geladene Gäste lauschen ihr. Darunter König-Mime Rolf Hoppe, Prinzen-Darsteller Pavel Trávnícek, Regisseur Václav Vorlícek, hochrangige Politiker. Die Reaktionen auf ihren Auftritt fallen begeistert aus. Immer wieder wird sie an dem Abend gefragt: „Gibt es das Lied auf CD?“ So kommt es, dass Carinha, wie die Sängerin sich nennt, es wenige Wochen später im Monströsensaal aufnehmen darf. Rund 4 000 Aschenbrödel-CDs mit ihrer klaren und sanften Sopranstimme sind bis heute verkauft. Darunter auch eine spätere Fassung mit dem Kinderchor Dresdner Spatzen.

Der Weg bis dahin ist Teil des Märchens. Es beginnt in der Kindheit der 40-Jährigen. „Jedes Jahr zu Heiligabend habe ich mit meiner Freundin und mit meiner Oma „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ geschaut“, erzählt sie. Ihr Traum ist es, zu singen. Professionell. Doch dieser inneren Stimme gibt sie lange nicht nach. Bis sie schließlich 2005 im Pflegeheim am Bett ihrer Oma sitzt. Bevor die 90-Jährige friedlich einschläft, ermutigt sie Carinha noch einmal, sich den Traum vom Singen zu erfüllen.

Die junge Frau fasst sich ein Herz und nimmt in einem Tonstudio drei Lieder auf. Eines davon: das Aschenbrödel-Lied mit ihrem eigenen – englischen – Text. Endlich hat Carinha das Lied auf CD und spielt es neugierig Bekannten vor. Wovon sie selbst überrascht ist: Alle sind von der Aufnahme tief berührt. „Einige haben sogar geweint beim Zuhören“, erinnert sie sich. „Ich habe gemerkt, dass ich den Menschen etwas zu geben habe.“ Sie verschenkt die CDs, zum Beispiel auf Zugfahrten, aber widmet sich weiter ihrem Beruf im Verkauf von Edelsteinen und Schmuck. Erst der Anruf eines Freundes aus Dresden rüttelt sie im Sommer 2008 aufs Neue wach. Er begrüßt sie mit den Worten: „Na Aschenbrödel, wie sieht’s aus?“

Das ist der Anstoß, den es brauchte. Sie macht sich auf nach München zum Musikverlag, der die Rechte an der Komposition verwaltet. Sie möchte die Genehmigung, die Melodie mit ihrem englischem Text veröffentlichen zu dürfen. Dabei lernt sie ihren heutigen Lebensgefährten kennen: den Musiker und Musikverleger Adrian Thomé. In der Weihnachtszeit schneit ihr tatsächlich die Erlaubnis ins Haus. Die Erben des Komponisten sind einverstanden.

In den ersten Wochen des Jahres 2009 stöbert Carinha im Internet durch die Seiten und entdeckt zufällig die Ankündigung der Aschenbrödel-Ausstellung in Moritzburg. Sie nimmt Kontakt auf zu Kuratorin Margitta Hensel. Bei einem Kaffee auf der Schlossterrasse erzählt Carinha auch von den mystischen Liedern, die sie schreibt und singt, Musik, die eher ins Keltische geht. Das Team im Schloss zeigt sich angetan. Der Anfang einer langjährigen künstlerischen Zusammenarbeit und vieler Freundschaften.

Bereits ab 2011 entwickeln Carinha und Adrian Thomé eine überaus beliebte Aschenbrödel-Lesung für Kinder im Begleitprogramm der Ausstellung. Die Termine sind ausgebucht. Als das Schloss sie im Jahr darauf wieder anfragt, weiß das Paar: Etwas Anderes muss her. Es verfasst ein neues musikalisches Märchen, das angelehnt ist an „Aschenbrödel“.

Die Geschichte ist von einer Reise nach Finnland inspiriert. Sie spielt im hohen Norden bei den Eskimos und heißt „Tuli und ihre drei Eisblumen“. Auch damit treffen die beiden den Nerv ihrer jungen Zuhörer. Und veröffentlichen sogar ein Hörbuch davon. Unter anderem bei „Tuli“ singt Carinha übrigens in einer eigenen Fantasiesprache. „Die Kinder lieben es“, erzählt sie. „Sie verstehen es mit dem Herzen.“

Inzwischen gehören Carinha und Adrian Thomé fest zum Kreativzirkel der Ausstellungsmacher in Moritzburg. Aufgrund der häufigen Auftritte haben sie sich ganz in der Nähe eine Zweitwohnung gemietet. Die beiden sind nicht nur überwältigt von der Herzlichkeit, mit der sie im Schloss aufgenommen wurden. Auch die Erfahrungen, die sie als Wessis – wie sie selbst sagen – mit den Menschen in Dresden und Umgebung gemacht haben, sind durchweg positiv.

Darum war es Carinha auch ein besonderes Anliegen, im Dezember beim ersten Konzert des damals frisch gegründeten Bündnisses „Dresden.Respekt“ mit auf der Bühne zu stehen. Neben ihr traten Gunther Emmerlich und Sebastian Krumbiegel auf. Die Veranstaltung im Zwinger war dazu gedacht, ein weiteres Zeichen für Weltoffenheit und gegen Rechtspopulismus zu setzen.

Als Künstlerin verfolgt Carinha auch meditativ-mystische Musikprojekte. Im Frühjahr erscheint das Album „Zephaya“. Zurzeit stellt sie gerade ein Live-Programm zusammen, das sie ab dem Spätsommer in einer Reihe von Konzerten präsentieren will. Bis dann im Winter die nächste Aschenbrödel-Ausstellung wartet.

www.carinha.de