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Abernweiber von Obercunnersdorf

Fünf Frauen beschicken die Pfannen beim Abernfest mit Nachschub. Das geheime Abernsalat-Rezept des Ortsvorstehers.

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© Matthias Weber

Von Markus van Appeldorn

Obercunnersdorf. Das Abernfest von Obercunnersdorf kennt nur eine Hauptdarstellerin: die Kartoffel. Die schönsten Nebendarstellerinnen haben schon am frühen Sonnabendmorgen ihr Werk hinter den Umgebindehaus-Kulissen aufgenommen. Im Hof vom Haus des Gastes gruppieren sich die fünf Damen an mehreren Arbeitsstationen um einen Tisch. „Wir sind die Abernweiber von Obercunnersdorf“ sagt Traudl, mit 82 Jahren die Älteste der Riege. Petra, Karin, Monika, Elvira und Traudl sind im Deutschen Frauenring engagiert. Und zum Aberneinsatz in Obercunnersdorf binden sie sich jedes Jahr das Kopftuch um und streifen sich die Kittelschürze über. Der Frauenring verkauft am Haus des Gastes Abernplinse. Die Abernweiber beschicken die Pfannen mit Nachschub.

Vor dem Schälen putzt Monika die feldfrischen Abern an der Wasserpumpe.
Vor dem Schälen putzt Monika die feldfrischen Abern an der Wasserpumpe. © Markus van Appeldorn
Lysann Schwerdtner (rechts) verteilt mit ihrem Sohn Kurt „Abern zum kust’n“.
Lysann Schwerdtner (rechts) verteilt mit ihrem Sohn Kurt „Abern zum kust’n“. © Matthias Weber
Die Umgebindehäuser bilden die zauberhafte Kulisse für das Abernfest.
Die Umgebindehäuser bilden die zauberhafte Kulisse für das Abernfest. © Matthias Weber

Putzen, schälen, reiben. Einen Zentner mindestens. Sorte Adretta. „Das sind die besten für Abernplinse“, sagt Petra. „Ich richte es uns so her, dass es ausschaut wie früher“, sagt Petra. Alte Emaille-Schüsseln hat sie für die Kartoffeln und die Schalen mitgebracht. „Eine davon hat schon meine Großmutter benutzt“, sagt sie. 60 Jahre ist die große Schüssel alt, die in der Tischmitte die geschälten Kartoffeln fasst. Und sie glänzt noch ohne Macken, als sei sie gestern erst aus der Emaille-Fabrik gekommen, die es längst nicht mehr gibt. „Nur alte Kartoffelreiben verwenden wir nicht mehr“, sagt Petra. Wegen der Hygiene. Nebenbei bereitet sie an einer anderen Station noch einen Quark-Dip für die Abernplinse zu. Aus einer Handmühle streut sie rosa-weißes Salz hinein. „Himalaya-Salz“, sagt sie. Das hat sie sich extra gekauft – auch wenn’s viel teurer ist als das normale Salz vom Discounter. „Das schmeckt kräftiger im Quark und man braucht ja nicht viel“, sagt Petra.

Und so produzieren die Fünf arbeitsteilig den Plinse-Rohstoff. Monika steht an der Pumpe und putzt die Abern mit einer Bürste. „Die kommen ja frisch vom Feld“, sagt sie. Karin, Elvira und Traudl schälen und verfolgen dabei unterschiedliche technische Philosophien. Die jüngeren hantieren mit einem modernen Kartoffelschäler. Traudl bleibt lieber bei ihrem kleinen Küchenmesser: „Das habe ich schon vor 30 Jahren mal in Polen gekauft. Was Besseres gibt’s bis heute nicht.“

Und während die Kartoffeln unter ihren Händen zu Plinse werden, erzählen sich die fünf auch Geschichten. Von früher und heute. „Die Edeltraud, die Edeltraud, die hat das ganze Geld versaut – hat mein Mann immer gesagt“, erzählt Traudl. „Nu kann er’s nicht mehr sagen. Schade.“ Und auch Bildungspolitik ist ein Kartoffel-Thema. Elvira erzählt von ihrer Tochter. „Die hat ihr Lehramtsstudium in Leipzig beendet und würde gerne hier unterrichten“, erzählt sie. Aber es gab keine Stelle. „Jetzt geht sie nach Dortmund. Da wird sie im Gegensatz zu Sachsen sogar verbeamtet.“

Auch Petra Müller ist an diesem Tag eine Abern-Gewaltige. In der Tourist-Information im Haus des Gastes nimmt sie im Minutentakt Abernsalat-Schüsseln entgegen. Damit bewerben sich Menschen aus dem weiten Umkreis um den Titel des besten Abernsalat-Kochs. Sie füllt die Proben in neutrale Plastik-Behälter und nummeriert die. Nur sie hat Einblick in die Liste, auf der die Nummer einem Bewerber zugeordnet ist. „Das muss vor der Jury streng anonym bleiben“, sagt Petra Müller. Weil sie das seit Jahren macht, erkennt sie auch Trends beim Abernsalat. „Früher haben wir gesagt, wir wollen nur traditionell angerichtete Salate haben. Aber die Menschen reisen heute viel und bringen zum Beispiel neue Gewürze mit ins Spiel. Das ist manchmal schon sehr exotisch.“

Von dieser Exotik weiß auch Obercunnersdorfs Ortsvorsteher Josef Kempis etwas. „Ich habe einmal mit in der Jury gesessen. Bei einigen Salaten habe ich dann schon gesagt ,Puh, das ist irgendwie neben dem Thema.‘ Aber wenn du am Ende alle Abernsalate zusammenschmeißt, das ist dann der beste Abernsalat.“

Beim Abernfest in Obercunnersdorf sind die drei schmackhaftesten Kartoffelsalate ausgezeichnet worden. In diesem Jahr ging der erste Preis in den Herrnhuter Ortsteil Ruppersdorf: Gisela Wunderlich erhielt für ihre Kreation die höchste Punktzahl der Jury. Der zweite Platz ging nach Obercunnersdorf: Die Familie von Gerd Bojkow in diesem Fall überzeugte mit ihrem Abernsalat. Aus Ebersbach-Neugersdorf kam die drittbeste Kostprobe: Alexander Bergmann konnte sich über den Bronzerang freuen.