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Dicke Brummer voraus

Jürgen Börner züchtet und vermietet Hummeln. Um ihre Häuser vor Feinden zu schützen, hatte er eine geniale Idee.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Hummeln stechen nicht, sie beißen! Seit Generationen von Neunmalklugen wird diese Weisheit weitergegeben. Das Problem ist: Sie stimmt nicht. „Glauben Sie mir, Hummeln können stechen, gern auch mehrfach“, sagt Jürgen Börner. Des Öfteren musste der 62-Jährige diese leidvolle Erfahrung schon machen. Auch besonders friedlich, wie allgemein angenommen, sind die plüschigen Insekten nicht. Besonders bei Gewitterstimmung reagieren sie auf Störungen äußerst unentspannt. „Wenn die Hummel ein Bein hebt, dann ist das eine Warnung, die man ernst nehmen sollte“, rät Börner, der sich seit 17 Jahren mit der Bienenart beschäftigt.

Damals zog er mit seiner Frau in ein Reihenhaus in Prohlis, mit einem kleinen Garten zur Hintertür hinaus. Von Anfang an pflegte er hier eine Kiwi-Pflanze, merkte aber schnell, dass es kaum fliegende Insekten gab, die die Blüten bestäuben könnten. „Da musste ich was tun“, sagt Börner. Um weiter ungestört Kuchen auf der Terrasse essen zu können, entschied er sich für Hummeln und informierte sich zunächst einmal ausführlich über deren Vorlieben und Feinde.

Hummelköniginnen gründen ihre Völker ganz allein, erfuhr er. Zunächst legen sie Eier, die zu Arbeitern werden. Anschließend sind die männlichen Drohnen dran und schließlich die neuen Königinnen. Statt Waben bauen sich die Hummeln kleine fingerhutförmige Gebilde, die sie mit Pollen und Nektar füllen. Für Honig ist das allerdings viel zu wenig und zu flüssig. Wer sich also Hummeln hält, der darf nicht erwarten, dass er am Ende was Süßes aufs Brötchen bekommt.

Dafür kann er sich aber über äußerst fleißige Helfer freuen. Anders als andere Bienen, seien Hummeln nicht auf Wärme angewiesen und machten sich schon bei drei, vier Grad an die Arbeit, betont Börner. Dann fliegen sie umher, „schwer beladen wie Lastenhubschrauber“. Durch ihre 22 Millimeter lange Zunge seien sie zudem besonders effektive Pollensammler.

Für Jürgen Börner waren das genug Argumente, und so machte er sich daran, einen geeigneten Unterschlupf zu bauen. Auf den ersten Blick ist das eine Kiste mit Loch. Jürgen Börner spricht aber lieber von „Hummelpension“. Damit die Tiere es drinnen schön kuschlig haben, füllt er die Kisten mit Kapok, einer wild wachsenden Naturfaser. Gegen die fiese Wachsmotte, den gefährlichsten Schädling, bringt er innen Klebefallen an. Der Clou aber ist eine transparente Klappe, die draußen vor dem Loch installiert wird und die die Hummeln allein öffnen können. Unerwünschte Gäste werden dadurch ferngehalten. Wer nicht selbst gesehen hat, mit welchem Geschick eine Hummel die Klappe öffnet, der mag es kaum glauben. „Ich dressiere nur die Königin, und die gibt das Wissen über die Klappe dann an ihre Nachkommen weiter“, sagt Börner. Was genau er der Königin da einflüstert, bleibt sein Geheimnis.

Bauen und Basteln liegt ihm. 47 Jahre lang wartete Börner die Maschinen für die Semperoper. Seit anderthalb Jahren ist er Rentner und hat nun noch mehr Zeit für seine Hummeln. Während er hinter seinem Haus platzmäßig etwas eingeschränkt ist, kann er sein Hobby in seinem Garten in Radebeul voll zur Entfaltung bringen.

In den Pensionen hausen verschiedene Arten wie Baumhummeln, Wiesenhummeln und Gartenhummeln. Unterscheiden kann er sie allein am Fluggeräusch. In diesen Tagen sind die Kisten allerdings fast leer. Die neuen Königinnen sind bereits ausgeflogen und werden sich bald in der Erde vergraben, um im kommenden Frühjahr den Kreislauf fortzusetzen.

Mit den Jahren ist Börner zu einem im ganzen Land gefragten Experten geworden. Auch aus der Schweiz und den USA hat er schon Anfragen bekommen. Auf seiner Internetseite ist alles zu finden von Bauanleitungen für Pensionen bis zu Rezepten für Zuckerlösungen zum Aufpäppeln von geschwächten Hummeln.

Auch Tipps für eine hummelreiche Stadt hat Börner reichlich parat. Wer seinen Garten selbst gestaltet, sollte darauf achten, möglichst Sträucher mit ungefüllten Blüten zu pflanzen, deren Stempel die Hummeln auch erreichen können, rät Börner. Die Stadt wiederum sollte auf das Pflanzen von Linden verzichten. „Die haben zwar viele Pollen, aber keinen Nektar. Die Hummeln verdursten und liegen dann zu Dutzenden tot unter den Bäumen.“

Seine sächsischen Hummelvölker vermietet Jürgen Börner jetzt auch an Privatleute und Gärtnereien. Seit dem 1. August ist sein Gewerbe offiziell angemeldet. Für das kommende Frühjahr hat er schon neue Aufträge und kann seinen Stolz darüber nur schwer verbergen. „Ich sorge wirklich für blühende Landschaften“, sagt er. „Anders als früher manch anderer.“

www.hummelfreund.com