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Deutschlands Gedächtnis im Granit

Im Barbarastollen bei Freiburg lagern ab Anfang Oktober eine Milliarde Kopien historischer Dokumente.

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© dpa

Von Sönke Möhl, Oberried

Der Stollen reicht tief in die Felsen aus Granit und Gneis. Anfang des 20. Jahrhunderts als Transportstollen für ein Bergwerk gebaut, dient der 700 Meter lange Barbarastollen im Schwarzwald seit 1975 dem Bund als eines der wichtigsten Archive in Deutschland. Die Mitarbeiter der Landesarchive und des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) belichten Urkunden, Baupläne, Briefe und andere wichtige Dokumente auf Mikrofilmen und bringen sie in den Stollen.

Dabei ist die Auswahl, was zuerst ins Archiv soll, gar nicht so einfach, weiß Bernhard Preuss, der beim BBK für Kulturgutschutz zuständig ist. „Man fängt bei den ältesten Dokumenten an, aber es gibt viele neuere Dokumente, zum Beispiel aus dem Zweiten Weltkrieg, die einem wegen ihres schlechten Papiers unter den Händen zerfallen.“ Diese müssten bei der Sicherungsverfilmung vorgezogen werden, sagt er.

Seit 1975 haben die Mitarbeiter des BBK fast 1 500 mit Filmen gefüllte Edelstahlfässer in extra angelegten Seitenstollen untergebracht. Darin liegen auf großen Rollen insgesamt etwa 31 000 Kilometer Film.

Warum wurde der Stollen als zentraler Bergungsort für die Bundesrepublik Deutschland ausgewählt? Tief im Felsen herrschen konstante klimatische Bedingungen von etwa zehn Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit. In den luftdicht verschlossenen Behältern sollen die Filme mindestens 500 Jahre ohne Qualitätsverlust überdauern können. Seit 1978 gilt für den Barbarastollen in Oberried bei Freiburg ein Sonderschutz der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten.

Der Eingang ist verschlossen und wird per Video überwacht, die Dokumente ruhen hinter sicheren Türen. Lage und Zufahrt zum Stollen sind nicht geheim.

Sinn der Archivierung ist, die wichtigsten kulturellen und geschichtlichen Dokumente vor einem Totalverlust zu schützen, der bei Krieg, Terrorismus oder auch durch Notfälle wie Feuer oder Fluten eintreten könnte. „Das Mikrofilmarchiv soll am Ende einen kompletten Abriss der deutschen Geschichte bieten, mit Originalen dokumentiert“, sagt Preuss. „Das ist der eigentliche Wert, auch gegen Geschichtsfälschung.“ Wichtig ist, dass die Filme auch ohne technische Hilfsmittel gelesen werden können. Nötig sei nur eine Lupe.

Anfang Oktober können sich Interessierte bei einem Tag der offenen Tür über den Barbarastollen informieren. Dann gibt es auch etwas zu feiern. In den Stahlbehältern sollen dann die Aufnahmen von einer Milliarde Seiten lagern. (dpa)