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Deutsch-polnische Eisbrecher

Anna Kaniecka und Michael Zimmermann setzen auf Sprachbegegnung in Görlitz-Zgorzelec. Ihr Ziel: sich kennenlernen, miteinander reden.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Matthias Klaus

Eigentlich wäre Tandem ein Jubiläum wert. Vor zehn Jahren rollte es das erste Mal los, damals von Studenten der Hochschule Zittau-Görlitz ins Leben gerufen. Aber eine große Party – die gibt es wahrscheinlich nicht. „Aber wir sind natürlich beim Familien- und Bürgerfest am Sonnabend dabei“, sagt Michael Zimmermann (40). Er ist einer der Organisatoren von Tandem. Sprache lernen, Vorurteile abbauen und vor allem Kontakte knüpfen (lassen) – das ist das Ziel von Tandem. „Manches Paar hat sich schon über Tandem gefunden“, schmunzelt Michael Zimmermann. Er ist fast von Anfang an dabei.

Tandem, dabei geht es vor allem darum, die Sprache des jeweils anderen zu lernen – abseits vom drögen Pauken. „Wir sprechen Alltagssprache“, sagt Anna Kaniecka. Sie ist Michael Zimmermanns Tandem-Partnerin von polnischer Seite. Die 40-Jährige wohnt in Piensk (Penzig) und arbeitet als Übersetzerin. Ihr Spezialgebiet: Tschechisch. Das ist, sagt sie, doch etwas anders als Polnisch.

Tandems gibt es etliche in Europa, deutsch-englisch, deutsch-portugiesisch und in Görlitz-Zgorzelec eben deutsch-polnisch. Nach dem erfolgreichen Start hatte sich Michael Zimmermann überlegt: Wie geht es weiter? „Studenten sind ja irgendwann weg. Aber die Idee Tandem sollte erhalten bleiben“, schildert er. Partner fand der Görlitzer in der Volkshochschule, bei der Deutsch-Polnischen Gesellschaft, sowohl finanziell als auch von den Räumlichkeiten her.

Das Konzept Tandem kommt jedenfalls an, sowohl auf polnischer wie auch auf deutscher Seite. „Das Interesse ist beiderseits etwa gleich groß“, sagt Michael Zimmermann. Die Zusammenkünfte finden wechselseitig in Görlitz und in Zgorzelec statt, zweimal pro Monat. Und sie offenbaren ein Phänomen: Wenn sich die Teilnehmer in Görlitz treffen, kommen mehr Deutsche, umgekehrt ist es ebenso. „Das Thema Europastadt ist noch nicht so tief in der Zivilgesellschaft verankert“, findet Michael Zimmermann.

Tandem – das bedeutet nicht nur die Sprache der Nachbarn etwas besser kennenzulernen, sondern auch deren Lebensweise, die Lebensumstände. Am Anfang kamen etwa zehn Interessierte zu den Treffen, inzwischen ist die Zahl merklich gestiegen. Es sind ganz unterschiedliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Altersgruppen, die sich für Tandem interessieren. Von Jung bis Alt eben. Auch der rein geografische Interessenskreis ist größer geworden. Bis aus Bautzen, Löbau, Zittau kommen die Polnisch-Interessierten. Auf der anderen Seite der Neiße ist es ähnlich, sagt Anna Kaniecka.

Inzwischen erscheinen bis zu 20 Interessierte zu den Treffen. „Bei 35 ist dann wohl das Limit erreicht“, sagt Michael Zimmermann. Es kommen viele neue Leute, einige sind allerdings schon aus den ersten Tagen dabei. Insgesamt hält sich das Interesse aus Polen und Deutschland in etwa die Waage. „Gerade Neu-Görlitzer nehmen unser Angebot gern an“, sagt Michael Zimmermann. Es sei erstaunlich, wie sich Zugezogene für die Sprache der Nachbarn interessieren. Auf der anderen Seite seinen viele Polen, die in Görlitz leben, daran interessiert, die Alltagssprache besser kennenzulernen – von bestimmten Formulierungen bis hin zu spezieller Aussprache in Dialekt.

„Wir sind keine Lehrer“, betont Anna Kaniecka. Um das Eis beim Erstkontakt zu brechen – schließlich hat man ja es doch mit zunächst fremden Leuten zu tun – bereiten die Tandem-Organsiatoren zunächst Material vor. „Dabei kann es beispielsweise um aktuelle Ereignisse gehen“, schildert Michael Zimmermann. Die Texte werden vorgelesen. „Kein Problem, wenn die Aussprache da nicht stimmt“, sagt Anna Kaniecka. In kleineren Gruppen wird dann über das Vorgelesene geredet, debattiert.

Sprache lernen, auch bei gemeinsamen Spielen, ist das eine. Die Erfahrung, etwas gemeinsam zu unternehmen, das andere. So gab es bereits Ausflüge nach Breslau und als Höhepunkt nach Berlin. „Obwohl das für die polnischen Teilnehmer natürlich etwas schwierig war mit all den Ministerien, dem Reichstag, dem Bundestag“, sagt Michael Zimmermann. Die Gruppe hatte ein Besucherprogramm gebucht, Michael Zimmermann spricht selbst polnisch, hat in Breslau ein halbes Jahr lang studiert. Tandem ist ihm offensichtlich ans Herz gewachsen. „Man muss nur einfach mal versuchen, die Sprache des anderen zu sprechen. Der merkt dann, dass Interesse besteht, der Umgang ist dann ein ganz anderer“, sagt er. Der nächste Tandem-Kurs startet am 8. Mai.