Merken

Deutsch lernen, um zu bleiben

An der Schillerschule in Neustadt gibt es eine Klasse für Flüchtlinge. Die Integration läuft. Dafür hakt es an anderer Stelle.

Teilen
Folgen
NEU!
© Dirk Zschiedrich

Von Katarina Gust

Neustadt. Kleine Plastikkarten hat Lehrerin Cornelia Hartig an der Tafel befestigt. Die Bilder darauf kennen die Kinder und Jugendlichen in der Klasse. Die Worte, die daneben stehen, sind neu für sie. Schnecke, Strauß oder Specht – alles hört sich ungewohnt an für die zwölf Schüler, die seit letzter Woche die Friedrich-Schiller-Oberschule in Neustadt besuchen. Es sind Flüchtlingskinder, die hier Deutsch lernen. Manche sind allein nach Deutschland gekommen, andere mit ihren Familien. Bisher mussten sie für den Unterricht an die Gauß-Oberschule in Pirna fahren. Es war die einzige Oberschule in der Sächsischen Schweiz, in der Deutsch als Zweitsprache (DaZ) unterrichtet wurde. Bis jetzt. Seit dem neuen Schuljahr übernimmt auch die Schillerschule in Neustadt diese Aufgabe.

„Die Plätze an der DaZ-Schule in Pirna reichten nicht mehr aus“, erklärt Klaus Anders, Schulleiter in Neustadt. Für das östliche Gebiet des Landkreises musste aufgrund der wachsenden Flüchtlingszahlen eine zweite Anlaufstelle her. Die Wahl der Bildungsagentur und des Landratsamtes sei auf Neustadt gefallen. Auch, weil es hier räumliche Kapazitäten gäbe.

Seit einer Woche besuchen nun zwölf Flüchtlingskinder die Schiller-Oberschule. Bis zu 23 könnte Neustadt aufnehmen. Normaler Unterricht ist für sie aber nicht möglich – noch nicht. Dafür fehlen die Sprachkenntnisse. Deshalb wurde eine Vorbereitungsklasse gebildet, die Lehrerin Cornelia Hartig übernommen hat. Sie ist speziell ausgebildet im Fach Deutsch als Zweitsprache, hat erst in Pirna unterrichtet, nun in Neustadt. 25 Stunden pro Woche, fünf Stunden pro Tag, paukt sie mit den Kindern und Jugendlichen Deutsch. Etwa zwei Monate dauert dieses Intensivtraining. Dann können die Schüler stundenweise in normale Schulklassen integriert werden.

„Anfangs sind sie bei den Fächern dabei, die weniger sprachintensiv sind, wie Mathe, Sport oder Englisch“, erklärt der Schulleiter. Parallel dazu laufe der gesonderte Deutsch-Unterricht. Nach zwei bis drei Jahren hätten die Schüler dann einen so guten Sprachschatz, dass sie vollständig in Regelklassen integriert werden könnten. Mit dem Ziel, einen deutschen Schulabschluss zu schaffen.

Schule betritt Neuland

Für Schulleiter Klaus Anders und seine Kollegen sei die neue Situation eine Herausforderung. Ein Thema, das für alle Neuland sei. Auch für die hiesigen Schüler und Eltern. Nun sei ein großes Maß an Einsicht, Toleranz und Kompromissbereitschaft erforderlich. Die Schüler seien darauf vorbereitet worden. Sie seien dafür sensibilisiert worden, ein vorbehaltloses und positives Miteinander an der Schule zu gestalten. „Hass und Fremdenfeindlichkeit werden wir an der Schule keinesfalls dulden“, erklärt Anders. Auf der Schülervollversammlung seien die Flüchtlingskinder mit Beifall begrüßt und empfangen worden. Ein gutes und wichtiges Zeichen.

Richtige Sorgen bereitet dem Schulleiter ein anderes Thema: die Finanzierung der DaZ-Klasse. „Vom Bund oder Land gibt es kein Geld“, betont der Schulleiter. Stattdessen soll der Schulträger – und damit die Stadt Neustadt – die Kosten für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien tragen. Doch die Kommune hätte einen fixen Haushalt. Für zwei Jahre sei der aktuelle Doppelhaushalt ausgelegt. Finanzielle Spielräume für Projekte wie dieses gäbe es nicht. „Die Kosten gehen nun vom Budget unserer Schule ab“, kritisiert Klaus Anders.

Das reiße eine Lücke. Rund 1 500 Euro hätten die ersten neuen Schulbücher bereits gekostet. Kommen zusätzliche Schüler in die Klasse, seien weitere Materialien nötig. „Wir brauchen zum Beispiel dringend Wörterbücher für verschiedene Sprachen“, benennt er einen Posten. Der Schulleiter, der auch im Neustädter Stadtrat sitzt, fühlt sich bei der Finanzierung alleingelassen. Fest steht für ihn allerdings: Die Integration asylsuchender Kinder und Jugendlicher in Sachsen müsse unterstützt werden. Finanzen hin oder her. „Wir tragen damit der gegenwärtigen weltpolitischen Lage Rechnung“, sagt Anders.