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Des Fleischers Frust

Wursthersteller der Region sind einem extremen Preiskampf ausgesetzt. Einige ziehen nun drastische Konsequenzen.

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© Patrick Pleul/dpa

Von Katja Schlenker und Sebastian Kositz

Rietschen. Ein Riesenproblem habe er, sagt Henrik Brunsch von der Viereichener Fleisch- und Wurstwaren GmbH. Große Supermarktketten drücken die Preise für Fleisch- und Wurstwaren dorthin, wo sie sie gerne haben wollen, erklärt der Geschäftsführer des Rietschener Betriebes. Von dort aus werden Fleisch- und Wurstwaren an bekannte Supermarktketten in ganz Ostsachsen geliefert. Mit den niedrigen Preisen werde das Handwerk kaputt gemacht. Von dreißig bis vierzig Prozent spricht er, um die die Preise zum Teil gedrückt werden sollen. Daher denke er darüber nach, an die eine oder andere Marke nicht mehr auszuliefern. „Es muss sich rechnen“, erklärt Henrik Brunsch. „Und wenn es sich nicht mehr rechnet, muss man über so einen Schritt nachdenken.“

Karlheinz Schlenkrich, Geschäftsführer Meister’s Bautzen.
Karlheinz Schlenkrich, Geschäftsführer Meister’s Bautzen. © Uwe Soeder
Henrik Brunsch, Geschäftsführer Viereichener Rietschen
Henrik Brunsch, Geschäftsführer Viereichener Rietschen © Joachim Rehle

Einer, der es vormacht, ist Geschäftsführer Karlheinz Schlenkrich vom Bautzener Traditionsunternehmen Meister’s. Bereits seit Monaten steckt er mit seinem Betrieb in einem knüppelharten Preiskampf. Da drücken einerseits die stetig steigenden Rohstoff- und Produktionskosten, während die Kunden, die großen Handelskonzerne, höhere Preise vehement ablehnen. Viele deutsche Wurst- und Fleischwarenhersteller drohen deshalb regelrecht zerrieben zu werden. Auch die Bautzener, die nun drastische Konsequenzen gezogen haben.

Anfang April hat Karlheinz Schlenkrich ein Schreiben an die Supermarktkette Real aufgesetzt. Darin teilt er mit, dass sich Meister’s gezwungen sehe, die langjährige Geschäftsbeziehung mit Real zu beenden. Seit 10. April liefern die Bautzener keine einzige Scheibe Wurst mehr. Ein in der Firmengeschichte bisher einmaliger Schritt. „Wir haben lange versucht, über neue Preise zu verhandeln, aber man hat uns immer vertröstet. Irgendwann reicht es dann auch mal“, sagt Karlheinz Schlenkrich. Das Geschäft mit Real habe sich hinten und vorne nicht mehr gerechnet.

„Der Hauptfaktor bei der Preisgestaltung bei Fleisch- und Wurstwaren ist mit sechzig bis siebzig Prozent der Rohstoffpreis. Gerade hier machen sich Preisschwankungen daher immer unmittelbar bemerkbar“, erklärt Sprecher Markus Jablonski von Real. „Weitere Einflussfaktoren auf den Verkaufspreis sind Lohn- und Energiekosten in der Produktion.“

Zu konkreten Einkaufspreisen für Fleisch- und Wurstwaren möchte er sich nicht äußern. „Da wir selbst ein Fleischwerk betreiben, können wir sehr gut nachvollziehen, wie sich die oben genannten Einflussfaktoren auf die Preisgestaltung auswirken“, erklärt der Sprecher. „Auch wir geben produktionsbedingte Preiserhöhungen an regionale wie bundesweit vertretene Abnehmer weiter.“ Die Kette Real betreibt bundesweit 285 Standorte. In jedem der Märkte gebe es einen oder mehrere Metzgermeister sowie weiteres Fachpersonal, da in eigenen Fleischereien auch vor Ort produziert werde. Hinzu kommen Produkte von lokalen beziehungsweise regionalen Zulieferern. Dies geschehe sowohl aus betriebswirtschaftlichen Gründen, als auch, um möglichst frische Waren anbieten zu können. In Ostsachsen liefern zum Beispiel die Unternehmen Wolf, Radeberger oder Tönnies zu.

Doch tatsächlich geht es nicht nur um Real. Allgemein würden sich die Großen des deutschen Lebensmittelhandels sträuben, überhaupt oder im vollen Umfang auf die Forderungen ihrer zumeist mittelständischen und familiengeführten Lieferanten einzugehen. „Unsere gesamte Branche steckt in großen Schwierigkeiten. Das höre ich auch in Gesprächen mit anderen Geschäftsführern“, erklärt Karlheinz Schlenkrich. Neben dem bisherigen Kunden Real gehen die Produkte von Meister’s aktuell an Globus, Netto, Rewe, Kaufland, Edeka und Norma.

Auch Kaufland bietet neben der Eigenmarke K-Purland Produkte regionaler Lieferanten an, erklärt Andrea Kübler vom Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. In Görlitz sind dies Wurst- und Fleischwaren Bautzen sowie Dürrröhrsdorfer Fleisch- und Wurstwaren. Die Einkaufspreise seien sehr individuell und variierten nach Produkt, Qualität und Verpackungseinheit. „Wir verhandeln mit unseren Lieferanten faire Konditionen, die sich an den marktüblichen Konditionen in diesem Segment orientieren“, erklärt Andrea Kübler. „Die Preise im Lebensmittelbereich orientieren sich neben den Produktions- und Personalkosten insbesondere an den Rohstoffpreisen. Wir bieten unseren Kunden dabei das jeweils beste Preis-Leistungs-Verhältnis.“

Geht das dann auf Kosten der Zulieferer? Folgen hat der Preiskampf derzeit für das Bautzener Unternehmen. Nach dem Schlussstrich bei Real hat der Geschäftsführer das Umsatzziel für 2017 nach unten korrigiert. Mit mehr als 13 Millionen Euro hat Karlheinz Schlenkrich gerechnet. Der Umsatzanteil durch die Geschäfte mit Real hat bisher bei 600000 Euro jährlich gelegen.

Das hat auch für die Belegschaft Folgen. „Ich habe vier Mitarbeitern kündigen müssen“, sagt der Chef. Außerdem ist die Anzahl der Leiharbeiter von 19 auf 17 reduziert worden. Weitere Entlassungen stünden derzeit nicht zur Debatte. Stattdessen werden neue Bereiche erschlossen, zum Beispiel Export. Seit 2011 beliefern die Bautzener einen dänischen Händler, der Exportanteil ist von rund 3,4 auf mehr als 16 Prozent gestiegen. Zugleich schauen die Verantwortlichen bei Meister’s derzeit nach Polen – und Vietnam. Demnächst werden regelmäßig Kühlcontainer, vollgepackt mit deutschen Grillgut, auf die weite Reise gehen.