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Der Zorn des Stadtplaners

Die Streiter für einen wohnbebauten Alten Leipziger Bahnhof versicherten sich im Festsaal des Rathauses gegenseitig der Dringlichkeit einer Absage an Globus.

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© Stefan Becker

Dresden. Der geplante Globus-Parkplatz sei ein Dinosaurier, sagte Stadtplaner Manuel Bäumler und das Relikt aus einer anderen Zeit mache ihn wütend und zornig. Leidenschaftlich plädierte der TU-Professor am Dienstagabend im Festsaal des Rathauses für eine Urbanisierung des Alten Leipziger Bahnhofs, wo das Einzelhandels-Unternehmen Globus einen seiner Verbrauchermärkte bauen möchte inklusive 1 000 Parkplätzen. Die Bürgerinitiative „Wohnen am Leipziger Bahnhof“ hatte zur Podiumsdiskussion geladen und wollte „Möglichkeiten und Chancen“ der alternativen Bebauung diskutieren.

Bürgerinitiative gastiert im Rathaus

Die Referenten präsentierten dem überschaubaren Publikum etliche Möglichkeiten – den Anfang machte Architekt Jörg Möser. Sein Entwurf geht nun ins vierte Jahr, kombiniert Wohnbau und Gewerbe auf dem Areal, nutzt die historische Substanz und ergänzt diese um neue Gebäude: Alle Objekte addiert, kommt sein Modell auf rund 35 000 Quadratmeter kapitalisierbarer Fläche, knapp 12 000 davon zum Wohnen geeignet. Dabei betonte er wiederholt die „identitätsstiftende Wirkung des Geländes“ und plädierte für eine behutsame statt profitorientierte Entwicklung.

Als Beispiele für eine gelungene Neunutzung frühindustrieller Orte nannte er Paris und New York, Lille und Berlin, und erklärte in einem Atemzug, dass die Gegenden mittlerweile zu den begehrtesten und teuersten der Städte gehören würden. Das Publikum bedachte die Vision mit Applaus, wobei Bodenspekulanten bei den Aussichten gewiss auch geklatscht hätten.

Stadtplaner Manuel Bäumler nahm das Plenum in seinem Vortrag ebenfalls mit auf die Reise, zeigte Bilder von Kopenhagen und Hamburg, wo sich ausgediente Hafenareale und Industrieflächen in gemischte Quartiere transformierten. Neben der „Transformation“ machten auch Schlagworte wie „Nutzungsmischung“ und „urbane Quartiere“ die Runde. In Regensburg sei so ein Quartier mitten in ein Gleisdreieck gebaut worden, erklärt Bäumler.

Die Situation sei vergleichbar mit Dresden und zeige, wo ein stadtplanerischer Wille, dort finde sich heute auch der passende passive oder aktive Lärmschutz, ob in Form eines Erdwalls oder als Steinwand. Sein Credo lautete „Spuren suchen“ und „Strukturen setzen“ und keinen „Schrott“ fabrizieren - wie es die Masterplan Variante mit Globus für die Leipziger Vorstadt vorsieht.

Stefan Patschger und Jürgen Schwartzmann vom Stadtplanungsamt erklärten, wieso es immer noch zwei sich widersprechende Stadtrats-Beschlüsse zu den Globus-Plänen gebe und dass sich daran aus Behördensicht auch solange nichts ändere, bis die Politik klare Verhältnisse schafft. Diesen Tag der Abstimmung sehnen die Bürgerinitiativen und ihre Anhänger herbei, die mit einer Petition mehr als 4 400 Unterschriften gegen die Globus-Pläne sammelten.

Dem Tag sehen die Globus-Leute mit Skepsis entgegen. Bisher konnte sich das Unternehmen immer auf Stimmenthaltungen der Linken zu ihren Gunsten verlassen. Eine von der Partei initiierte Studie zu den Möglichkeiten des sozialen Wohnungsbaus auf dem Globus-Grundstück beschäftigt derzeit die Verwaltung, die Ergebnisse sollen noch in diesem Quartal präsentiert werden, sagte Amtmann Patschger.

In der folgenden Diskussion vermittelte die moderierende Architektur-Professorin Dorothea Becker zwischen Statements aus dem geladenen Polit-Publikum und Fragen zum Thema. Weil sich letztere in der Minderheit befanden, stellte sie selbst welche. Ihre Masterfrage zum Masterplan lautete: Welche Pläne verfolgen eigentlich die anderen Grundstücksbesitzer auf dem Areal in der Leipziger Vorstadt?

Davon gebe es rund 30, erklärte Schwartzmann und einige Projekte seien bereits auf einem guten Weg: So nehme der Schulkomplex an der Gehestraße langsam Gestalt an ebenso wie das Kreativ-Zentrum der Elbviertel-Investoren von USD. Was die anderen Eigentümer üppiger Flächen allerdings planen - Fehlanzeige. Nur Globus sagte bisher, was Sache ist, und verweist in einem aktuellen Schreiben auf die laufende Suche nach einem alternativen Standort in Zusammenarbeit mit der Stadt.

Auf Anfrage der Linke-Fraktion bestätigte das Büro des Oberbürgermeisters, dass „mehrere Standortvarianten in der Prüfung seien.“ Wenn dieser mutmaßliche Flächen-Pluralismus mal keine Begehrlichkeiten bei der neuen Woba weckt, die auch stetig nach passenden Grundstücken sucht. Sonst wächst der der Zorn der Stadtplaner weiter. (szo/stb)