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Der Zeitreisende

Boriwo de Tarant gestaltet in Bautzen ein Ritterturnier für Kinder. Sein Hobby nimmt er sehr ernst.

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© Robert Michael

Von Madeleine Arndt

Bautzen. Wenn es um die historisch passende Gewandung geht, kann Kephas Kuhn ganz schön pingelig sein. Für ihn ist das Nacherleben des Mittelalters mehr als Kostümierung und Mummenschanz. An diesem Sonnabend kümmert sich der Dresdner unter dem Namen Boriwo de Tarant auf dem „Historischen Weihnachtsmarkt zu Bautzen“ vor allem um die Kinder und erklärt ihnen die Zeit der Ritter und Adligen. Dabei nimmt er die Darstellung des Lebens vor rund 800 Jahren sehr ernst.

Er selbst hat sich den geschichtlich überlieferten Adligen Boriwo de Tarant zum Vorbild genommen. Als Burgvogt von Tharandt und Vasall des Markgrafen von Meißen wurde dieser urkundlich Anfang des 13. Jahrhunderts erwähnt. Kephas Kuhn kam infolge einer Krankheit zu seinem Alter Ego. Der heute 52-Jährige konnte nicht mehr als Gymnasiallehrer arbeiten und ging in die Frühverrentung. Die Welt des Mittelalters wurde daraufhin zu seinem neuen Lebensinhalt. „Weil ich viel Zeit habe, kann ich mich damit tiefgründig befassen“, sagt Kephas Kuhn. „Mein Anspruch ist, es korrekter zu machen. Ich zeige euch, wie es wirklich geht.“

Fantasiesprachen ärgern ihn

Und so fällt dem Dresdner sofort ins Auge, wenn auf einem historischen Spektakel der Ritter beim Schaukampf einen griechischen Schild verwendet. Ihn schüttelt es, wenn das Publikum in einer antiquiert klingenden Fantasiesprache angesprochen wird. Wo der Redner dann etwa ein neumodisches Wort, wie das Mikrofon, als Sprechknochen bezeichnet. „Ich rede auf den Märkten ganz normal, denn Mittelhochdeutsch würde nicht verstanden werden. Das ist wie Latein eine tote Sprache“, erklärt Kephas Kuhn.

Auch „unhistorisches“ Verhalten bemängelt er auf vielen Mittelaltermärkten. Ein Adliger kümmert sich zum Beispiel nicht um Essen oder Feuerholz. „Bei knechtiger Arbeit gehe ich in Unterwäsche“, sagt der Hobbyhistoriker. Nach einem irritierten Blick beschreibt Kephas Kuhn die frühere Untergewandung, die sich nicht im Entferntesten mit dem knappen Männerslip unseres 21. Jahrhunderts vergleichen lässt. „Man hat eine Bruche getragen. Das ist wie eine viel zu weit geschnittene Boxershorts. An den Strick, um diese zusammenzuziehen, knüpfte man Beinlinge. Und der arme Mann hatte nur ein Hemd.“

Annäherung ans Mittelalter

Der 52-Jährige weiß, dass er die Wahrheit übers Mittelalter nicht gepachtet hat, versucht sich aber den Überlieferungen laut den aktuellen Forschungsständen bestmöglich anzunähern. Auch an den traditionellen Gewerken von damals probiert sich Kephas Kuhn wenigstens einmal selbst, um zu wissen, wovon er spricht. Sei es der geschnitzte Holzlöffel, das geflochtene Kettenhemd oder die selbst genähten Kleider.

„Geschichte leben – das ist mein Hobby“, erklärt er. Die passenden Mitstreiter hat der Dresdner in der Interessengemeinschaft „Mark Meißen 1200“ gefunden. Die Gruppe leidenschaftlicher Mittelalter-Fans existiert seit mehr als zehn Jahren. Sie hat es sich nach eigener Aussage zur Aufgabe gemacht, die meißnisch-sächsische Landesgeschichte im Hochmittelalter zu recherchieren, nachzugestalten und erlebbar zu machen. Der wieder zum Leben erweckte frühere Meißner Landadel nimmt dabei nicht nur an Märkten, sondern auch an Heerlagern teil, etwa am Heerlager an der Burgruine Brandenburg in Thüringen. Bei Feldschlachten zieht Boriwo de Tarant auch mal sein Schwert, das ungeschärft ist. Sicherheit geht vor Authentizität.

An diesem Sonnabend ab 14 Uhr tritt Boriwo de Tarant mit seinen Gefolgsleuten auf Bautzens historischem Markt in erster Linie zur Unterhaltung der kleinen Gäste auf. Kinder können an seinem Stand Kettenhemden anziehen und Ritterhelme aufsetzen. „Dann zeige ich ihnen mit Holzschwertern, wie damals gekämpft wurde“, erklärt der Dresdner. Höhepunkt ist ein kleines Ritterturnier. Damit das richtig Spaß macht, sollten die Jungen und Mädchen ihre Papas mitbringen. Die Väter müssen nämlich im Turnierkampf als Reittiere herhalten.