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„Der Wolf hat volles Rohr losgemacht“

Jens Hieckmann und sein Kollege haben die Wolfs-Videos gedreht. Den Augenzeugen überrascht vor allem die Kraft des Tieres.

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© Screenshot SZ/Facebook

Von Antje Steglich

Wülknitz/Zeithain. Dass der Wolf in der Nähe ist, hat Jens Hieckmann schon lange geahnt. Der Dresdner arbeitet für den Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz und betreut unter anderem im Bereich Streumen zwei Freileitungen. Er ist deshalb viel im Freien unterwegs und konnte früher zwischen Streumen und Neudorf oft eine Vielzahl Rehe beobachten. „Die sind nicht mehr da“, so Jens Hieckmann und vermutet dahinter den Wolf, der seit wenigen Jahren in der Gohrischheide ansässig ist. Das Tier nun aber so nah zu Gesicht bekommen, damit hat er nicht gerechnet. „Es war unser erster Wolf in freier Wildbahn.“

Jens Hieckmann ist als Trainer vom SV Bannewitz auf dem Fußballfeld oder als Mitarbeiter von 50Hertz unter Stromleitungen unterwegs.
Jens Hieckmann ist als Trainer vom SV Bannewitz auf dem Fußballfeld oder als Mitarbeiter von 50Hertz unter Stromleitungen unterwegs. © Andreas Weihs

Jens Hieckmann ist am Montagmorgen vergangene Woche mit Torsten Wollrab in der Nähe des Umspannwerkes Streumen unterwegs, als der Kollege auf dem Beifahrersitz den Wolf direkt unter der Freileitung entdeckt. „Ich dachte erst, der spinnt“, erinnert sich Jens Hieckmann. Doch ein Blick durchs Fernglas, das die Kollegen zur Prüfung der Freileitungen immer dabei haben, bestätigt die Vermutung. Die Kollegen zücken das Handy, schießen Fotos und drehen das erste kleine Video. Als das Tier Richtung Floßgraben rennt, wendet Jens Hieckmann das Auto und nimmt die Verfolgung auf. „Uns hat das ja auch interessiert“, sagt der Dresdner und muss das Gaspedal allerdings ganz schön durchdrücken. „Der ist volles Rohr gerannt“, sagt Jens Hieckmann. Die beiden Kollegen rechnen nach und schätzen die Geschwindigkeit des Wolfes auf 50 bis 60 Stundenkilometer ein, selbst im Auto haben sie Probleme, an dem Tier vorbeizukommen. „Der ist stur seinen Weg gerannt und wusste ganz genau, wo er hinwollte“, ist er überzeugt, „da war richtig Kraft dahinter.“ Im Maul habe er allerdings nichts gehabt, obwohl einige Bilder das vermuten lassen. „Seine Zunge hing einfach so weit raus. Wie ein Lappen.“

Ein Jäger sagt ihm später, es sei ein junger Wolf gewesen. Jens Hieckmanns Einschätzung nach ist es auf jeden Fall ein großes und gut genährtes Tier: „Das ist schon ein bisschen mehr als ein Schäferhund.“ Angst habe er allerdings nicht gehabt, schließlich fühle man sich im Auto sicher. Zu Fuß will er dem Vierbeiner allerdings lieber nicht begegnen.

Arbeitsbedingt sind die Kollegen beispielsweise immer Mal im Erzgebirge unterwegs und sehen durchaus öfter Wildtiere aus der Nähe. Rehe, Füchse, Wildschweine. „Man erschrickt ja schon, wenn plötzlich ein Reh vor einem steht, da will ich den Wolf lieber nicht sehen.“ Ein Wolfsgegner sei er aber nicht.

„Ich komme aus der Stadt. Solange er nicht über meine Terrasse rennt, ist mir der Wolf auch eigentlich egal“, so Jens Hieckmann. Allerdings könne er manche kritische Argumente auch verstehen und wahrscheinlich wäre eine Art Regulierung auch beim Thema Wolf der beste Kompromiss, findet er.

Noch am selben Tag stellen die Kollegen übrigens die beiden Videos vom Morgen ins Netz und melden die Sichtung. Seitdem kursieren die Bilder über Facebook und WhatsApp (die SZ berichtete am Donnerstag). Viele Hundert Menschen haben sich die Videos bereits angeschaut, geteilt oder weitergeleitet.

Das Landratsamt Meißen hat mit Verweis auf das Wildbiologische Büro Lupus bereits bestätigt, dass es sich bei dem Tier tatsächlich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen Wolf handelt.