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Der Wirbelwind von der Außenbahn

Jenny Cordon ist die jüngste Drittliga-Torschützin aller Zeiten bei Fortuna Dresden. Die 15-Jährige eifert einem großen Idol nach.

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© Robert Michael

Von Alexander Hiller

Jenny Cordon hat ihre sportliche Karriere enorm beschleunigt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Denn auch dank ihrer außergewöhnlichen Sprintfähigkeit schaffte die erst 15-jährige Juniorenspielerin den Sprung in die erste Frauenmannschaft des Fußball-Regionalligisten 1. FFC Fortuna Dresden. Dort darf sie als Minderjährige nur spielen, weil alle beteiligten Partner vor der Saison eine Ausnahmegenehmigung beim Sächsischen Fußball-Verband (SFV) unterzeichnet haben: Eltern, Verein und Jenny selbst.

Und diesen Status des Besonderen unterstrich Cordon mit einem historischen Treffer. Am 17. September dieses Jahres kürte sie sich beim 2:2 gegen RB Leipzig zur jüngsten Drittliga-Torschützin aller Zeiten ihres Vereins. Mit exakt 15 Jahren und 298 Tagen. Zwei Wochen später legte sie gegen Rostock ihr zweites Regionalligator nach. Dabei erzielte auch die auf den Tag genau gleichaltrige Lena Magas ihren ersten Regionalligatreffer. Beide sind am 23. November 2001 zur Welt gekommen.

„Zu dem Trio gehört auch noch die 16-jährige Lisa Sprint. Alle drei stehen exemplarisch für den Umbruch im Team. Sie haben jeweils den Sprung geschafft, den wir ihnen zugetraut haben“, sagt Trainer Andreas Pach über die Talente, die theoretisch jeweils noch bei den B-Juniorinnen mitkicken könnten. „Ich habe kurz vor der Saison erfahren, dass ich ins Frauenteam aufrücken darf, da war ich schon aufgeregt, aber auch froh, dass die mich da haben wollten“, sagt Jenny. „Mir geht es gut, es macht Spaß, das Team hat mich richtig gut aufgenommen, die Tore waren erleichternd“, sagt die 1,61 Meter große Außenbahnspielerin, die beide Drittligatreffer mit ihrem schwächeren linken Fuß erzielte. Wie genau, kann sie selbst nicht ganz erklären. „Da war irgendwie Magie im Spiel“, sagt sie schüchtern lächelnd.

Möglich, dass die Beidfüßigkeit auch daran liegt, dass Jenny Cordon neben den drei Trainingseinheiten pro Woche noch auf dem Bolzplatz daheim um die Ecke einige Dinge ausprobiert. „In meiner Freizeit“, erzählt die Zehntklässlerin leise, „übe ich Sachen, die ich noch nicht so gut kann. Meistens bin ich da für mich.“ Nachholbedarf hat Jenny Cordon eigentlich jede Menge, denn erst mit elf Jahren entschied sie sich für den Fußball. Auch gegen den sanften Widerstand ihrer Mutter Katrin. „Ein Leben ohne Fußball könnte ich mir nicht mehr vorstellen, es macht mir total Spaß.“, sagt Jenny. Diese Spielfreude transportiert sie größtenteils auch aufs Feld. „Ihre Schnelligkeit und Kompaktheit sind ihre großen Stärken“, sagt Andreas Pach, der das Mannschaftsküken deshalb auf der rechten Außenbahn besetzt. „Sie wechselt während des Spiels aber häufig die Seiten, von links kann sie eben besser nach innen ziehen und mit ihrem starken rechten Fuß den Abschluss suchen“, meint der Coach.

Der sieht natürlich auch noch jede Menge Reserven, was bei einer 15-Jährigen ganz normal ist. „Da ist bei ihr noch ganz schön Luft nach oben“, verdeutlicht Pach. Vor allem in puncto Handlungsschnelligkeit sollte Jenny noch aufholen. „Und sie hat es sicher drauf, das Spiel noch besser zu lesen, sie darf sich nicht nur auf ihre Schnelligkeit verlassen“, erklärt der Fortuna-Trainer.

Die 100 Meter sprintet Jenny Cordon zumindest in der Schulsportstunde in 13 Sekunden, also nur knapp 1,5 Sekunden langsamer als die deutsche Sprintelite. Bei Schulsportwettbewerben landete die gebürtige Dresdnerin deshalb häufiger mal auf dem obersten Podest. Und auch im Fußball orientiert sich das Kicker-Talent an den ganz großen Könnern: „Lionel Messi ist mein großes Vorbild“, sagt Jenny Cordon schwärmerisch. Dessen Rückennummer Zehn trägt auch Cordon. Sie schaut sich öfter Videos des argentinischen Superstars vom FC Barcelona an. Einige Tricks werden dann zu Hause nachgemacht. „Es ist noch nichts zu Bruch gegangen“, sagt Jenny grinsend, ihre Mama bestätigt das mit einem Nicken.

Die Träume der kleinen Fußballerin waren mal genauso groß wie die ihres Idols. „Früher“, sagt sie und muss selbst leicht schmunzeln, „habe ich von der Nationalmannschaft oder dem Frauenteam des FC Barcelona geträumt. Aber jetzt will ich mich hier weiterentwickeln und gucken, was ich hier schaffe.“

Die entsprechende Leidenschaft bringt Cordon offenbar mit. Der Tag ihres ersten Pflichtspiels überhaupt kommt wie aus der Pistole geschossen: „10. Oktober 2011.“ Solche Typen, die für ihr liebstes Hobby einige Einschränkungen im Privatleben klaglos hinnehmen, brauchen sie derzeit bei Fortuna – beim gefühlt größten personellen Umbruch seit mindestens zehn Jahren. „Das Team ist für mich wie eine Familie. Ich kann mit allen reden – und wir machen cooles Training. Da freue ich mich sogar richtig drauf, das war in der Vergangenheit nicht immer so“, sagt Jenny Cordon. Längst hat sie die persönliche Schmach verdaut, dass sie nach einem Sichtungstraining für die Landesauswahl der Juniorinnen nicht berücksichtigt wurde. „Ich fand das sehr, sehr schade, habe damals sogar geweint“, sagt sie. Nun zeigt sie mit jedem Tor mehr, wozu sie wirklich fähig ist.

1. FFC Fortuna Dresden – 1. FC Neubrandenburg

So., 14 Uhr im Heinz-Steyer-Stadion