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Der Wettkampf der Wachser

Der Ski-Weltcup am Dresdner Elbufer stellt auch die Techniker vor besondere Herausforderungen – ein Blick in den deutschen Wachs-Truck.

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© Robert Michael

Von Michaela Widder

Den Größten haben die Norweger und die Russen, die Deutschen dafür den Stärksten. Ein wenig spaßhafte Prahlerei gehört auch dazu, wenn es um Vergleiche der Wachstrucks im Skilanglauf geht. Es wird schließlich immer weiter aufgerüstet. Seit dieser Saison sind nun auch die US-Amerikaner mit ihrer rollenden Ski-Garage im Weltcupzirkus unterwegs.

Giftige Dämpfe vom Bügeleisen werden direkt abgesaugt.
Giftige Dämpfe vom Bügeleisen werden direkt abgesaugt. © Robert Michael
Gut gewachst ist halb gewonnen. Der Sachse Jakob Winkler gehört seit 2014 zum Technikerteam.
Gut gewachst ist halb gewonnen. Der Sachse Jakob Winkler gehört seit 2014 zum Technikerteam. © Robert Michael

Direkt neben dem Finanzministerium am Königsufer steht das heilige Gefährt, in dem streng geheim alles für die Sprint-Premiere in Dresden glattgebügelt wird. Das deutsche Team erlaubt trotzdem einen Blick in seine ausfahrbare Werkstatt, die von einer 500 PS starken Sattelzugmaschine von einem zum nächsten Weltcup in Europa gezogen wird: Acht Arbeitsplätze reihen sich aneinander; über einem hängt ein Kalenderblatt, von dem eine leicht bekleidete Frau die Techniker anlächelt.

Im vorderen Bereich sind zwölf Apothekerschränke eingebaut, in denen exakt 364 Paar Ski transportiert werden können. „Insgesamt haben wir 500 verschiedene Skier dabei, jedem Athleten im Weltcup stehen 30 bis 40 Paar zu“, erzählt Chris Hönig, der Cheftechniker der Deutschen.

Wetterstation auf dem Dach

Lange vor dem Wettkampf der Athleten beginnt der Wettkampf der Wachser. Über Arbeitszeiten spricht man besser nicht, aber es ist gängige Praxis: Morgens sind die Techniker die ersten an der Strecke, abends meist die letzten. Bis der perfekte Ski für den Athleten präpariert ist, dauert es einige Stunden. Die Arbeit am Samstag ab 6.30 Uhr beginnt mit dem Blick aufs Wetter. Dafür hat der Truck der Deutschen sogar eine Wetterstation auf dem Dach, außerdem laufen aktuelle Daten ständig auf dem Handy ein. Es wird getüftelt, auf der Strecke probiert und weiter getüftelt, bis der Techniker die beste Kombination aus Ski, Schliff, Struktur und Wachs gefunden hat. Erst dann kommt der Athlet dazu.

In der Öffentlichkeit wird die Arbeit der Techniker oft gelobt, aber natürlich ist auch bei ihnen nicht jeder Tag wie der andere. Wenn das Material nicht gut läuft, stehen die Athleten nach dem Rennen schon mal im Wachstruck – und lassen wörtlich Dampf ab. „Klar, passiert schon mal. Das ist ja genauso ein Wettbewerb gegen die anderen Nationen“, erklärt Jakob Winkler. Der 27-Jährige ist einer von zwei Sachsen im achtköpfigen Weltcupteam und betreut unter anderem Sandra Ringwald, das Plakatgesicht der Dresdner Premiere. Seit 2014 gehört der gebürtige Saydaer zum Tross. Eine Ausbildung zum Skitechniker gibt es nicht. Voraussetzung ist allerdings, dass man früher Langläufer, Kombinierer oder Biathlet war. Und körperlich fit müssen die Männer noch immer sein, denn an einem normalen Weltcuptag kommt jeder auf 30 Test-Kilometer.

Beim Citysprint wie in Dresden ist es etwas entspannter. „Da wir nicht so oft und lang auf die Strecke dürfen, müssen wir in kurzer Zeit sehr viel mit Wachs und Struktur testen“, erklärt Winkler. Weil das angelegte Schneedepot aufgrund der warmen Temperaturen in den vergangenen Tagen um mehr als 500 Kubikmeter geschmolzen ist, wurde die Wettkampfpiste am Freitag kurzfristig um 200 Meter auf 1,2 Kilometer verkürzt. „Die Strecke ist in gutem Zustand“, meint Ringwald am Nachmittag.

Das Besondere an einem Citysprint, sagt Cheftechniker Hönig, sei der Schmutz, den so eine Stadt nun einmal habe. „Dieser sammelt sich auf dem Ski und heftet sich in den Belag. Je mehr Schmutz, desto langsamer wird er“, erklärt der 30-Jährige. Deshalb muss er aus dem großen Fundus an Hunderten von Wachssorten vor allem einen schmutzabweisenden auswählen. Die Nähe zur Elbe habe dagegen keine besondere Auswirkung.

Wenn die Wettbewerbe beginnen, können die Techniker nur noch zuschauen, ob die Bretter laufen. Am Sonntag im Teamsprint sind sie auch zwischendurch gefordert. Die Skier des Athleten, der gerade kurz Pause hat, wird in der mobilen Wachsbox direkt an der Strecke nachbehandelt. Wenn die Langläufer längst wieder im Hotel sind, beginnt das Technik-Team die nächste Schicht. „Zwei bis drei Stunden kann es dauern, bis die rund 100 Test- und Wettkampfski alle mit Paraffin behandelt worden sind, damit sie fürs nächste Mal das gleiche Wachs haben“, erklärt Winkler.

Mit dem Wachstruck, mit dem die deutschen Langläufer seit 2012 unterwegs sind, hat sich die Arbeit für das Team verbessert. „Früher hat man in den Wachscontainern die Tür aufgemacht und konnte vor lauter Dampf und Nebel fast nichts sehen“, sagt er. Eine Abzugsanlage am Bügeleisen befördert nun die giftigen Dämpfe direkt nach draußen. Masken müssen die Techniker also heutzutage nicht mehr tragen.

Bei den Winterspielen in Pyeongchang müssen die Teams ohne ihr Ski-Depot auskommen. Logistisch sei das nicht machbar, die Trucks nach Übersee zu fliegen, so Hönig. Das komplette Material, das zwischen zwei und zweieinhalb Tonnen wiegt, wird per Flugzeug nach Südkorea transportiert. Verlorenes Sondergepäck wäre dann fatal.

Zeitplan: Sonnabend, 9.50 Uhr Qualifikation Sprint, Einzel, 12.20 Uhr Finals. Sonnstag, 9.15 Uhr Qualifikation Teamsprint, 11.15 Uhr Finals jeweils Frauen und Männer.