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Der Wettermann ist tot

Lothar Schirrmeister kannte sich mit Sonne, Regen und Schnee im Osterzgebirge aus wie kaum ein anderer. Nun ist er verstummt.

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© Archivfoto: Egbert Kamprath

Von Mandy Schaks

Zinnwald/Dresden. Was wäre das für Lothar Schirrmeister für ein Wetter gewesen: Ein Sommer in Hochform, wochenlang anhaltende Hitze, kaum Niederschlag, Bäche, die so austrocknen, dass sogar das vor über 80 Jahren in der Talsperre Lehnmühle versunkene Dorf Steinbrückmühle wieder auftaucht … Der Wetterbeobachter wäre nicht mehr zu bremsen gewesen. Es hätte aus ihm nur so herausgesprudelt.

Er liebte das Wetter im Osterzgebirge, weil es fast jeden Tag anders ist, so viel zu bieten hat. Und er erklärte es den Lesern der Sächsischen Zeitung gern, leicht verständlich und immer mit Unterhaltungswert. Lothar Schirrmeister kannte scheinbar jeden Wetterrekord aus dem Effeff. Er war so etwas wie ein wandelndes Wetterlexikon, dem viel am Herzen lag, die Menschen vor herannahenden Katastrophen zu warnen oder ihnen gute Laune auf ein in Aussicht stehendes herrliches Wintersportwochenende zu machen. Sein Markenzeichen: die Wollmütze im Winter. Jetzt aber ist es hochsommerlich. Doch seine Stimme meldet sich nicht – nie mehr.

Der Wettverein Zinnwald-Georgenfeld teilt mit, dass Lothar Schirrmeister gestorben ist. „Wir sind sehr, sehr traurig“, sagt der Vorsitzende Norbert Märcz, der mit ihm jahrelang in der Wetterwarte in Zinnwald-Georgenfeld gearbeitet hat und auch später im Verein zusammen engagiert war. Lothar Schirrmeister wurde leider nur 66 Jahre alt. Dabei hatte er noch so viel vor, seinen Ruhestand, den er im vergangenen Jahr im Alter von genau 65 Jahren und fünf Monaten antrat, penibel geplant, damit er nach fast 45 Berufsjahren nicht in ein schwarzes Loch fällt, wie er in seinem letzten Interview am 1. April 2017 in der SZ sagte. Zumal er allein lebte. Er wollte vor allem reisen, natürlich mit Bus und Bahn. Lothar Schirrmeister hatte kein Auto, er war immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und fuhr damit seiner Meinung nach gut. Doch weit gekommen ist er nun leider nicht mehr. Lothar Schirrmeister starb bereits Mitte Juli in Dresden.

Er stammte aus Görlitz und war von Kindesbeinen an vom Wetter fasziniert. Er begann zunächst in der Wetterwarte Radebeul-Wahnsdorf. Dort ließ er Wetterballons mit Radiosonde starten. Als diese Radiosondenaufstiegsstelle zur Jahrtausendwende automatisiert wurde, kam er 2001 nach Zinnwald zur Wetterwarte. Dort erlebte er das gleiche Schicksal ein zweites Mal. Die Wetterwarte wurde am 1. Februar 2016, im 45. Jahr ihres Bestehens, auf automatischen Betrieb umgestellt. Das tat ihm in der Seele weh. Dabei ging es ihm weniger um seine Person. Auf ihn wartete ein neuer Lebensabschnitt, der Ruhestand, auf den er sich freute. „Für meine Kollegen tut es mir leid“, sagte er im SZ-Gespräch. Sie mussten nach und nach andere Aufgaben übernehmen, zogen weg oder pendeln zur Arbeit sogar bis Leipzig. Außerdem ging es ihm, der immer so gründlich arbeitete, es ganz genau nahm, gegen den Strich, dass Automaten die Arbeit der Wetterbeobachter komplett übernehmen. Schließlich sei die Technik noch nicht in jedem Fall ausgereift bzw. alltagstauglich. „Man hat doch aber eine Berufsehre und will, dass die Messwerte stimmen“, sagte er. „Das ärgert mich.“ Auch deshalb ist der Wetterverein eingesprungen und liefert zum Beispiel seitdem im Winter aktuelle Temperaturen und Schneehöhen aus Zinnwald-Georgenfeld via Internet und informiert über die Ski-Bedingungen. Das hat er gut gefunden. Seine Vereinsmitglieder erweisen Lothar Schirrmeister die letzte Ehre und werden für ihn eine kleine Trauerfeier ausrichten.

Lothar Schirrmeister wird am 26. September, 10 Uhr, auf dem Friedhof in Dresden-Tolkewitz beigesetzt.